Position im Fußball beeinflusst das Demenzrisiko

Unlängst ist bekannt, dass nicht nur Rugby-, sondern auch Fußballspieler ein erhöhtes Demenzrisiko haben. Laut Studien ist dieses im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das 3,5-Fache erhöht. Wichtige Einflussgrößen sind die Spielpositionen und die Karrieredauer. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Wer Rugby spielen will, braucht einen dicken Schädel: Trotz Schutzausrüstung und Helm wird das Gehirn so kräftig durchgeschüttelt, dass auf eine Sportlerkarriere oft schon früh eine Demenz folgt. Fußballspieler rennen dagegen völlig ungeschützt über den Platz, und das kann ebenfalls hirnschädigende Konsequenzen haben: Forscher von der Universität in Glasgow fanden in einer 2019 veröffentlichten Studie eine 3,5-fach erhöhte Demenzrate sowie eine fünffach erhöhte Alzheimerrate unter männlichen Ex-Profifußballern (siehe Bericht). Als Ursache werden viele Kopfbälle sowie Zusammenstöße mit gegnerischen Spielern und dem Rasen vermutet: Ein 500 Gramm schwerer Ball kann mit Tempo 120 aufprallen, da wird bei einem Kopfball trotz hoher Elastizität des Balles noch viel Bewegungsenergie auf das Gehirn übertragen. Besonders gefährdet müssten danach Verteidiger sein, da sie nicht nur am häufigsten solche Schüsse mit dem Kopf abwehren, sondern gelegentlich auch die etwas weniger schnellen, aber deutlich schwereren gegnerischen Spieler. Dagegen sollte die primär auf Handarbeit beruhende Torwarttätigkeit weniger für Hirntraumata prädestinieren. Dies scheint nun eine erneute Auswertung der schottischen Forscher zu bestätigen: Unter Verteidigern ist das Risiko für eine neurodegenerative Erkrankung fünffach erhöht, für Torhüter nicht einmal verdoppelt. In ihrer ersten Auswertung von 2019 haben die Forscher um Dr. Emma Russell sich auf Sterbeurkunden bezogen, in der aktuellen Untersuchung griffen sie zusätzlich auf elektronische Krankenakten und Medikamentenverschreibungen zurück, um Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson zu identifizieren. Erneut bestand die Kohorte aus knapp 7600 älteren schottischen Vereinsspielern. Berücksichtigt wurden vor 1977 geborene Spieler, die als Profis in einer Sportdatenbank registriert waren. Jedem Spieler stellten die Forscher drei Männer aus der Allgemeinbevölkerung, aus demselben Geburtsjahrgang und mit derselben Postleitzahl, aber ohne Fußballkarriere gegenüber. Die Postleitzahl diente dem Abgleich des sozialen Status. Aus der Sportdatenbank konnten die Forscher auch entnehmen, wie lange und auf welchen Positionen die Spieler aktiv waren. Demenzrisiko hängt von Position und Dauer der Karriere ab Insgesamt hatten 386 der Spieler nach ihrer Karriere eine neurodegenerative Erkrankung entwickelt (5,0%), nur 1,6% waren es in der Kontrollgruppe. Unter Berücksichtigung diverser Begleitfaktoren kamen die Forscher auf ein 3,7-fach erhöhtes Risiko für solche Leiden unter den Vereinsfußballern. Insofern unterschieden sich die Resultate nicht wesentlich von der auf Sterbeurkunden beruhenden vorhergehenden Analyse. Schauten sich die Forscher nun die Position der Spieler an, ergaben sich deutliche Unterschiede: Bei Torhütern war das Neurodegenerationsrisiko „nur“ um 80% erhöht, und dieser Unterschied war nicht signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe aus der Allgemeinbevölkerung. Für Feldspieler insgesamt kamen die Forscher auf ein 3,8-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung und auf eine 2,2-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Torhütern – sämtliche Differenzen waren statistisch signifikant. Unter den Feldspielern ergab sich das höchste Risiko für Verteidiger (5,0-fach erhöht) und das geringste für Stürmer (2,8-fach erhöht). Verteidiger wiesen zudem ein 50% höheres Neurodegenerationsrisiko als Stürmer auf. Im Schnitt waren die Fußballer knapp neun Jahren in den Vereinen aktiv. Bei mehr als 15 Jahren offenbarte sich ein 5,2-fach erhöhtes, bei weniger als fünf Jahren ein 2,3-fach erhöhtes Neurodegenerationsrisiko. Das Risiko hing jedoch nicht wesentlich vom Geburtsjahrgang ab – es war bei 1910 geborenen Spielern ähnlich hoch wie bei solchen, die nach 1950 zur Welt kamen. Im Lauf der Jahrzehnte veränderte Balleigenschaften und Spielregeln hatten danach keine größeren Auswirkungen auf die Gefahr neurodegenerativer Erkrankungen. Die Forscher um Russell vermuten, dass Fußballspieler ähnlich wie Rugbyspieler nicht selten eine chronisch traumatische Enzephalopathie (CTE) durch häufige subklinische Hirntraumata erleiden. Neuropathologische Untersuchungen von verstorbenen Spielern deuteten in diese Richtung. Das Wichtigste in Kürze Frage: Was bedingt das erhöhte Neurodegenerationsrisiko unter Fußballspielern? Antwort: Entscheidend ist die Position der Spieler: Torhüter weisen das geringste Risiko auf, Verteidiger das höchste. Je länger ein Spieler aktiv ist, umso höher ist die Gefahr für Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson. Bedeutung: Starker und häufiger Kopfeinsatz gegen Ball und Gegner scheint chronisch traumatische Enzephalopathien zu begünstigen, die wiederum die Neurodegeneration beschleunigen. Einschränkung: Resultate beruhen auf recht geringer Zahl von neurodegenerativen Erkrankungen.

Springer Medizin

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