Demenzinzidenz geht deutlich zurück

Die Demenzinzidenz sinkt in sechs westlichen Industrieländern altersadjustiert pro Dekade um etwa 13%. Hält der Trend an, könnte es hier bis 2040 rund 15 Millionen weniger Demenzkranke geben als bislang angenommen. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Immer mehr ältere Menschen, die immer länger leben – das bedeutet letztlich auch immer mehr Demenzkranke und damit eine steigende sozioökonomische Belastung. Möglicherweise nimmt die Zahl der Demenzkranken aber nicht so dramatisch zu wie befürchtet – große epidemiologische Studien deuten seit Beginn der 2010er-Jahre auf eine sinkende Inzidenz in den jeweiligen Altersstufen. Dieser Trend zieht sich quer durch sämtliche westliche Industrieländer und wird zum Teil auf Veränderungen beim Lebensstil und eine bessere medizinischen Versorgung zurückgeführt. Epidemiologen um Dr. Frank Wolters von der Harvard School of Public Health haben nun die Resultate aus den wichtigsten Studien mit Inzidenzangaben über drei Jahrzehnte hinweg zusammengefasst: Danach geht die Demenzinzidenz in Europa und den USA pro Dekade um rund 13% zurück. Stärkster Rückgang unter Männern Die Auswertung bezieht sich auf Studien des „Alzheimer Cohort Consortium“ (ACC), an dem sich die Organisatoren von neun großen Kohortenstudien beteiligen. Alle Studien müssen prospektiv angelegt sein, die Teilnehmer werden persönlich untersucht und über mindestens 15 Jahre nachbeobachtet, zudem wird eine Mindestgröße von 2000 Teilnehmern verlangt. Empfehlung der Redaktion Demenz – Themenseite Wie therapiert man Alzheimerpatienten leitliniengerecht? Warum sind "keiner" und "nein" bei Dementen tabu? Und was tut sich in der Alzheimertherapie-Forschung? Antworten gibt die Themenseite Demenz. Hier finden Sie Übersichten, News, kommentierte Studienreferate und Kasuistiken. Für die Analyse berücksichtigt wurden Daten der Rotterdam-Studie, der Göteborg-Studie, der Framingham Heart Study (FHS), der britischen Cognitive Function and Ageing Studies (CFAS), der Studie Age, Gene/Environment Susceptibility (AGES) aus Island sowie der Drei-Städte-Studie und PAQUID aus Frankreich. An den sieben Studien nahmen über 49.000 Personen im Alter von mehr als 65 Jahren teil, die Daten wurden zwischen den Jahren 1988 und 2015 erhoben. In der Nachbeobachtungszeit entwickelten rund 4300 Teilnehmer (8,6%) eine Demenz. Die Demenzinzidenzen variierten teils erheblich, vor allem bei den Männern: In der Rotterdam-Studie lag sie über alle Altersgruppen fast doppelt so hoch wie in der isländischen Studie AGES, bei Frauen waren die Unterschiede zwischen den Kohorten geringer. Über alle Studien gemittelt lag die Demenzinzidenz unter Frauen und Männern jedoch ähnlich hoch, selbst in den jeweiligen Altersstufen gab es keine größeren Unterschiede. So erkrankten jährlich rund 5 von 1000 Personen im Alter zwischen 65 und 69, etwa 65 Personen waren es im Alter von 85 bis 89 Jahren. Schauten sich die Forscher um Wolters nun die Demenzinzidenzen bezogen auf die Kalenderjahre an, so konnten sie in allen Studien mit der Zeit einen deutlichen Rückgang in den einzelnen Altersgruppen erkennen. Dieser betrug pro Dekade in PAQUID 25%, nur 7% waren es in FHS und CFAS, 18% in der Rotterdam-Studie, 16% in der Göteborg-Studie sowie 10% in der Drei-Städte-Studie. Über alle Studien gemittelt ging die Demenzinzidenz über einen Zehnjahreszeitraum um 13% zurück, die speziell für Alzheimer um 16%. Männer profitieren stärker von diesem Trend als Frauen (minus 24% versus minus 8%) – möglicherweise gleicht sich hier das Risikoprofil langsam an. Über alle Studien gemittelt war der Rückgang der Inzidenz sowohl für Männer als auch Frauen statistisch signifikant, in den einzelnen Untersuchungen zeigte sich hingegen zumeist nur ein signifikanter Rückgang unter Männern. Sollte sich der Trend fortsetzen, würde es 2040 in Europa und den USA rund 15 Millionen Demenzkranke weniger geben als nach den demografischen Daten zu erwarten wäre. Die Forscher um Wolters warnen jedoch davor, dass eine steigende Adipositas-, Hypertonie- und Diabetesinzidenz dem entgegen wirken könnten. Es sei daher wichtig, die Demenzinzidenz über große Kohortenstudien weiter genau zu beobachten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie verändert sich die Demenzinzidenz mit der Zeit? Antwort: Über sieben große Kohortentstudien gemittelt deutet sich für Europa und die USA ein altersadjustierter Rückgang der Demenzinzidenz um 13% pro Dekade an. Bedeutung: Es könnte in nahe Zukunft deutlich weniger Demenzkranke geben als erwartet, sofern sich der Trend nicht wieder umkehrt. Einschränkung: Studien mit teils unterschiedlicher Methodik.

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