Skip to main content
Erschienen in: Der Nervenarzt 4/2020

Open Access 18.02.2020 | Gentherapie in der Onkologie | Leitthema

Genspezifische Therapieansätze bei der Alzheimer-Krankheit und anderen Tauopathien

verfasst von: Dr. E. Feneberg, M. Otto

Erschienen in: Der Nervenarzt | Ausgabe 4/2020

Zusammenfassung

Die Alzheimer-Krankheit ist pathologisch durch die Aggregation und Akkumulation von Amyloid-β und Protein Tau gekennzeichnet. Bisher war das Ziel der meisten Interventionsstudien die toxischen Proteinprodukte zum Beispiel durch die Immunisierung mit Antikörpern gegen Tau und Amyloid-β zu reduzieren. In den letzten Jahren sind jedoch Möglichkeiten entstanden, direkt auf die Entstehung dieser Proteinprodukte einzuwirken. Dabei werden Antisense-Oligonukleotide (ASO) eingesetzt, die die Proteintranslation pathologischer Alzheimer-Gene hemmen und damit frühzeitig auf die Krankheitsentwicklung Einfluss nehmen. Unser Beitrag fasst den aktuellen Stand der Entwicklung ASO-basierter Therapiestrategien bei der Alzheimer-Krankheit zusammen.

Hintergrund

Die Behandlung der Alzheimer-Erkrankung (Alzheimer’s disease, AD) ist derzeit rein symptomatisch und beruht darauf, die Übertragung von Nervenbotenstoffen zu steigern, die für die Gedächtnisleistung wichtig sind, so wie Acetylcholin oder Glutamat für die exzitatorische Erregung der Nervenzellen. Gängige Medikamente sind sog. Cholinesterasehemmer wie Donepezil, Galantamin und Rivastigmin oder der N‑Methyl-D-Aspartat(NMDA)-Rezeptor-Blocker Memantin, wobei alle Behandlungen laut Leitlinien erst dann eingesetzt werden sollen, wenn die Diagnose einer Alzheimer-Krankheit gestellt wurde, d. h., wenn die Erkrankung bereits in einem leichten bis moderat schweren Stadium vorliegt [8, 17]. Der Anspruch neuer Therapieentwicklungen muss dagegen sein, an den Ursachen der Erkrankung anzusetzen. Allerdings ist die Entstehung der Alzheimer-Krankheit komplex und bisher nur teilweise geklärt. Ein Ansatzpunkt bei sporadischer AD sind die Alzheimer-typischen Proteinablagerungen. Bei genetischen Formen der AD liegt eine spezifische Korrektur bzw. Kompensation des Gendefektes als kausaler Therapieansatz nahe.

Pathologie der Alzheimer-Krankheit

Die Alzheimer-Krankheit führt zu einem progredienten Gedächtnisverlust, der vor allem mit dem Verlust der Exekutivfunktion einhergeht. Dies führt zu einer starken Einschränkung der Alltagsfunktionen und zur Pflegebedürftigkeit. Pathologisch kommt es bei der Alzheimer-Krankheit zur Hyperphosphorylierung von Protein Tau und intrazellulärer Fibrillenbildung, den sog. neurofibrillären Tangles, die zu einer fortschreitenden Degeneration von Nervenzellen führen. Neuropathologisch lässt sich die Alzheimer-Krankheit je nach Ausbreitung der neurofibrillären Tangles in verschiedene Stadien einteilen, die topgraphisch und zeitlich mit dem Auftreten der entsprechenden kognitiven Defizite korrelieren [2].
Hinzu kommen extrazelluläre Amyloid-β-Ablagerungen. Diese entstehen durch alternative proteolytische Abbauprozesse des Amyloidvorläuferproteins durch β‑ und γ‑Sekretasen, wodurch es zu einem Missverhältnis zwischen löslichem α‑geschnittenen Amyloidvorläuferprotein und Amyloid-β kommt. Letzteres wird nun vermehrt gebildet, was zur Entstehung extrazellulärer Amyloidfibrillen führt. Vor allem Aβ1–42-Fragmente neigen im Gegensatz zu weniger toxischen Aβ1–40-Fragmenten zur Aggregatbildung. Es gibt eine ausreichende Evidenz, dass Amyloid-β neurotoxisch ist und negativen Einfluss auf die Tauopathie hat [27]. Dafür spricht auch, dass bisher alle Mutationen, die zur Entwicklung einer familiären Alzheimer-Krankheit führen, den Amyloid-β-Metabolismus beeinflussen. Jedoch ist die monogen, autosomal-dominante vererbte Alzheimer-Krankheit selten. Sie tritt nur in <1 % der Fälle auf und manifestiert sich meist vor dem 65. Lebensjahr („early-onset“), während die meisten Fälle der Alzheimer-Krankheit multifaktoriell bedingt sind und nach dem 65. Lebensjahr auftreten („late-onset“).

Antikörpertherapie

Ausgehend von der Hypothese, dass Amyloid-β-Aggregate das primäre neurotoxische Agens sind, zielten sog. Immunisierungsstudien darauf ab, das Amyloid-β mittels gegen physiologisch und pathologisch veränderte Amyloid-β-Formen gerichteter monoklonaler Antikörper zu neutralisieren, wodurch dieses abgebaut wird. [9, 24, 25]. Phase-III-Antikörperstudien gegen Amyloid-β im Stadium der mainfesten Demenz haben bisher nicht zum erwünschten Erfolg, nämlich einer Verbesserung der kognitiven Leistung geführt, weshalb deren Wirksamkeit hinterfragt wurde. Auch die jüngste Studie wurde aufgrund einer negativen Interimsanalyse und mangelnder Erfolgsaussicht nicht fortgeführt, jedoch konnten die eingeschlossenen Patienten die Einnahme des Studienpräparates auf freiwilliger Basis im Rahmen einer Open-label-Studie fortführen. Eine kürzlich vorgestellte Auswertung auf Basis der hinzugekommenen Datenpunkte bescheinigt der höchsten Dosis des Präparats nun doch einen geringen Einfluss auf den kognitiven Status [1].
Angesichts der insgesamt dennoch ernüchternden Ergebnisse der Immunisierungsstudien wird nun insbesondere diskutiert, ob sich die ursprünglich von der Amyloid-β-Proteinopathie ausgehende pathophysiologische Kaskade (u. a. die Tauopathie) im moderat schweren Stadium der Alzheimer-Krankheit bereits zu weit von der Amyloid-β-Pathologie entkoppelt hat, als dass eine Neutralisierung von Amyloid-β noch einen relevanten Einfluss auf die weitere Krankheitsprogression hätte [12]. Daher werden die Folgestudien nun einerseits bei Patienten in früheren Krankheitsphasen und andererseits mit höheren Dosierungen und längerer Studiendauer durchgeführt.
Aktuelle Studien untersuchen die Wirkung von Tau-Antikörpern bei MCI und leichter AD
Da die Ausbreitung der Tauopathie bei AD besser mit der Neurodegeneration zu korrelieren scheint als die Amyloid-β-Proteinopathie [2], ruhen die Hoffnungen nun auf den Tau-Antikörpern. Diese werden aktuell – entweder im Rahmen einer aktiven oder passiven Immunisierung – in klinischen Phase-II-Studien bei Patienten mit „mild cognitive impairment“ (MCI) und leichter Alzheimer-Demenz untersucht (AbbVie C2N-8E12, BIIB092, RO7105705, Axon: NCT02579252; [20, 21]).

Genspezifische Therapieansätze

Auch bei der AD-Forschung werden Therapieansätze entwickelt, die genspezifisch auf die Korrektur oder die Kompensation zugrunde liegender Genveränderungen oder Pathomechanismen abzielen.

APP

Bereits 1987 wurde herausgefunden, dass das Amyloid-Precursor-Protein (APP)-Gen auf dem Chromosom 21 lokalisiert ist. [15, 28]. Dies erklärte, warum Trisomie-21-Patienten früh an einer Demenz erkranken, da durch das doppelte Vorkommen von APP mehr Amyloid-β produziert wird und es zur Akkumulation von neurotoxischem Amyloid-β kommt. Später wurden Mutationen im APP-Gen beschrieben, die zu einer familiären Alzheimer-Krankheit führen [4]. Derzeit sind 39 Mutationen bekannt, die sich auf die vermehrte durch β‑ and γ‑Sekretasen-vermittelte Bildung von APP und Amyloid-β auswirken und damit ähnlich der Trisomie 21 zu erhöhten Mengen an Amyloid-β führen.
Wie wichtig das APP-Gen für die Alzheimer-Krankheit ist, konnte anhand der isländischen Bevölkerung gezeigt werden, wo eine protektive Variante im APP-Gen gefunden wurde, die die abnorme Proteolyse von APP verhindert, wodurch weniger Aβ1–40- und Aβ1–42-Fragmente gebildet werden [14]. Zudem ist bekannt, dass das Ausmaß an Amyloid‑β, Aβ1–40 und Aβ1–42 negativ mit der Gedächtnisleistung korreliert und dass dies unabhängig von den neurofibrillären Tangles ist [18]. Folglich wurden ASOs entwickelt, die gegen die Amyloid-β-Region der APP-RNA gerichtet sind und RNAse-H-vermittelt zu deren Abbau führen, wodurch weniger Amyloid-β entsteht (Abb. 1A).
Durch ein spezielles ASO kann das C‑terminale amyloidogene APP reduziert werden
Mehrere solcher ASOs wurden präklinisch im SAMP8 („senescence-accelerated prone mouse“) -Mausmodell getestet. Bei diesen Mäusen kommt es infolge einer vermehrten Produktion von APP und Amyloid-β zu einer frühzeitigen Alterung mit Gedächtnisdefiziten. Dabei führte nur ein ASO, das spezifisch gegen die Amyloid-β-Region von APP (Aminosäuren 17–30) gerichtet war, nach mehrfacher intrathekaler Verabreichung zu einer Verbesserung der Gedächtnisleistung [16]. Nachweislich reduzierte das ASO das C‑terminale amyloidogene APP, während das N‑terminale Ende von APP, gemessen mit einem APP-Antikörper gegen die Aminosäuren 8–17 gerichtet, unverändert vorlag. Da die Aβ1–40- und Aβ1–42-Fragmente aus dem C‑terminalen Ende von APP hervorgehen, könnte dieser Ansatz vielversprechend sein, um eine Amyloid-β-spezifische Reduktion von APP zu erreichen. Da das N‑terminale Ende unverändert blieb, sind Off-target-Effekte innerhalb von APP eher nicht zu erwarten.
In einer Folgestudie wurde der Befund mit einer intravenösen Applikation bestätigt, sodass eine Überschreitung der Blut-Hirn-Schranke und aktive intrazelluläre Aufnahme angenommen werden kann. In dieser Studie wurde gezeigt, dass Amyloid-β-spezifisches APP um 30 % reduziert wurde, allerdings ergaben sich unveränderte Werte für Aβ1–40, während Aβ1–42 nicht gemessen wurde. Zusätzlich konnte in dieser Studie ein Effekt des ASO auf den Amyloid-β-Transporter LRP‑1 gezeigt werden, der für die Endozytose und intrazelluläre Prozessierung zu Amyloid-β verantwortlich ist und dessen Konzentration unter ASO-Applikation abnahm [10].
Dasselbe ASO wurde in transgenen APP-Mäusen (Tg2576) getestet, die durch eine Mutation im APP-Gen an Alzheimer erkranken. Hier wurde gezeigt, dass es zur vermehrten Bildung von löslichem Aβ1–40 und zu einer Verbesserung der Gedächtnisleistung auch nach intravenöser Applikation kam [11]. Weiterhin wurde eine Reduktion neuroinflammatorischer Marker gemessen, was neben einem positiven Behandlungseffekt auch für die Sicherheit des ASO relevant ist, deren chemische Struktur proinflammatorische Auswirkungen haben kann.
Eine weitere ASO-Strategie ist die Modulierung von Spleißvorgängen. Das Spleißen ermöglicht, dass aus demselben genetischen Code verschiedene Proteinisoformen entstehen. Durch die Aktivierung von Verstärker- oder Unterdrückerregionen wird das Spleißen von Exonabschnitten der Prä-mRNA moduliert und entsprechend reife mRNA gebildet, die dann die jeweiligen Proteinisoformen kodiert. Kommt es durch ein ASO zur kompetitiven Bindung an einer Verstärkerregionen, kann das Spleißen eines Exons unterdrückt werden (Exon-Skipping) und somit die Translation einer spezifischen Proteinregion gehemmt werden.
Dieser Mechanismus wurde genutzt, um das Exon 17 aus der mRNA von APP auszuschließen und eine verkürzte APP-Variante herzustellen [3]. Durch die fehlende Exon-17-Region kann APP nicht durch die γ‑Sekretase geschnitten werden, wodurch auch die Bildung von Amyloid-β (Aβ1–42) verhindert wird. Diese ASOs werden „splice-switching antisense oligonucleotide“ (SSO) genannt und es konnte in einem ersten Tiermodell gezeigt werden, dass die Entstehung von Aβ1–42 so wirksam reduziert werden kann (Abb. 1B).

MAPT

Der Hauptbestandteil der neurofibrillären Tangles bei der AD ist hyperphosphoryliertes und aggregiertes Protein Tau. Die Ausprägung der Demenz hängt stark von der Last der neurofibrillären Tangles ab [19]. Zudem weisen AD-Patienten pathologisch erhöhte Tau-Werte im Liquor auf. Protein Tau wird von dem Mikrotubuliassoziierten-Protein-Tau-Gen (MAPT) auf Chromosom 17 kodiert. Mehr als 30 Mutationen im MAPT-Gen führen zu einer der AD ähnlichen Tauopathie. MAPT-Mutationen rufen in aller Regel eine frontotemporale Demenz hervor, lediglich die p.R406W-Mutation wurde auch in Familien mit Alzheimer-Krankheit beschrieben [23]. Ein weiteres Indiz für die Relevanz der Tauopathie bei der AD ist die Beobachtung, dass ein MAPT-KO („knock-out“) im APP-Mausmodell eine Abschwächung der klinischen Symptomatik bewirkt [22].
Vor diesem Hintergrund wurden ASO-basierte Therapieansätze entwickelt, die auf eine Expressionsreduktion des Tau-Proteins abzielen. Präklinisch wurden ASOs entwickelt, die in Mäusen mit Expression eines humanen, mutierten MAPT-Gens (P301S-Tau) selektiv an die humane Tau-mRNA binden, welche RNAse-H-vermittelt abgebaut wird, wodurch weniger humanes Tau-Protein entsteht (Abb. 1A). Nach intrathekaler Gabe des ASO kam es in P301S-Tau-mutanten Mäuse zu einer verminderten Bildung neuer Tau-Einschlüsse sowie deren Propagation, einem Rückgang der bereits vorhandenen Tau-Pathologie sowie zur Abnahme der Neurodegeneration im Hippokampus und zu einer Verlängerung des Überlebens. Auch in nichthumanen Primaten bewirkte das ASO nach intrathekaler Verabreichung eine Reduktion der Tau-Expression im Gehirn, Rückenmark und Liquor [7].
Aufgrund dieser vielversprechenden Daten testet Ionis Pharamceuticals Inc. aktuell ein entsprechendes ASO (BIIB080, ISIS 814907; IONIS-MAPTRx) in einer klinischen Phase-I/II-Studie (NCT03186989) bei frühsymptomatischen Alzheimer-Patienten. Es gibt bisher keine Zwischenergebnisse der Studie, das Studienende wird auf Anfang 2020 veranschlagt.
Mithilfe von Exon-Skipping kann die Expression von 4R-Tau verringert werden
Ein alternativer Ansatz, die Tau-Pathologie mithilfe der ASO-Technologie abzumildern, besteht darin, das Spleißen der Tau-Prä-mRNA in verschiedene Proteinisoformen zu beeinflussen. Je nachdem, ob das Exon 10 des Proteins Tau abgeschrieben wird, kommt es zur Produktion von Drei- oder Vier-Repeat-Tau (3R- und 4R-Tau). Normalerweise werden 3R-Tau und 4R-Tau zu gleichen Anteilen exprimiert, während es bei sporadischen Tauopathien wie der frontotemporalen Demenz mit Parkinsonismus oder progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) zu einer erhöhten Expression von 4R-Tau kommt, das als besonders toxisch gilt. Die N279K-Spleißmutation in Exon 10 des MAPT-Gens führt zu einer 4R-Tau-Überexpression (FTDP-17). Schoch et al. entwickelten ein ASO, das durch Exon-Skipping einen Ausschluss von Exon 10 aus der fertigen mRNA bewirkt und nach intrathekaler Applikation die Expression von 4R-Tau im Zentralnervensystem (ZNS) von N279K-Tau-mutanten Mäusen stabil verringert, ohne dabei die Gesamtlevel von Tau zu beeinflussen, was in der Langzeittherapie den aus einer Tau-Insuffizienz resultierenden Nebenwirkungen vorbeugen würde ([26]; Abb. 1B). Es ist daher zu erwarten, dass diese ASO-Strategie („4R to 3R splicing“) zeitnah bei Patienten mit diversen Tauopathien in klinischen Studien getestet wird.
Insgesamt stellt die Abmilderung der Tau-Pathologie somit nicht nur für die AD, sondern auch für andere Tauopathien wie der kortikobasalen Degeneration, der progressiven supranukleären Blickparese, der Silberkornkrankheit und der frontotemporalen Demenz einen vielversprechenden Therapieansatz dar.

APOE ε4

Ein weiterer vielversprechender therapeutischer Ansatzpunkt ist das APOE-ε4-Gen, der häufigste Risikofaktor der Late-onset-Alzheimer-Krankheit. ApolipoproteinE kodiert ein Glykoprotein, das für den Transport von Cholesterin und anderen Lipiden wichtig ist und maßgeblich an Nervenwachstum und -regeneration beteiligt ist. Es bestehen drei APOE-Allelvarianten, nämlich APOE ɛ2, ɛ3 und ɛ4, die für ApoE2, ApoE3 und ApoE4 kodieren. Heterozygote APOE-ɛ4-Träger haben ein bis zu 3‑fach erhöhtes Risiko an Early-onset- oder Late-onset-Alzheimer-Krankheit zu erkranken, während homozygote APOE-ɛ4-Träger ein bis zu 15-fach erhöhtes Risiko haben [5].
Durch Hemmung des Spleißens von Exon 19 behält ApoER2 seine volle Länge
ApoE wirkt sich negativ auf den Abbau von Amyloid-β aus und führt zur vermehrten Bildung von Amyloid-β aus APP [6]. Unter anderem ist der ApolipoproteinE-Rezeptor 2 (ApoER2) für diesen Mechanismus verantwortlich, der bei der Alzheimer-Krankheit hauptsächlich in einer verkürzten Isoform vorliegt, die durch alternatives Spleißen am Exon19 entsteht. ApoER2 ist für die synaptische Übertragung und Langzeitpotenzierung wichtig, während die verkürzte Isoform einen negativen Effekt auf die zelluläre Aktivierung und Amyloidpathologie hat. Daher wurden ASO-Therapien untersucht, die an ApoER2-Sequenzen binden, die indirekt über SRSF1 („serine/arginine-rich splicing factor 1“) das Spleißen von Exon 19 hemmen und zur vermehrten Bildung von ApoER2 in seiner vollen Länge führen und damit dessen normale Rezeptorfunktion und Signalübertragung erhalten ([13]; Abb. 1B). In einer präklinischen Studie konnte gezeigt werden, dass dies zur Verbesserung der synaptischen Funktion und kognitiven Leistung von APP-transgenen Mäusen führte. Dies hätte weitreichende Folgen da ApoE ε4 die höchste Prävalenz als Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit hat und bis zu 40–65 % der Patienten Apo-ɛ4-Träger sind.

Fazit für die Praxis

  • Auf die Reduktion der Amyloid-β- und der Tau-Pathologie abzielende Antisense-Oligonukleotide(ASO)-Strategien stellen vielversprechende Ansätze für die Behandlung genetisch bedingter, aber auch sporadischer Alzheimer-Krankheit(AD)-Formen und Tauopathien dar.
  • Angesichts der ernüchternden Ergebnisse der gegen Amyloid-β gerichteten Immunisierungstherapien stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die Amyloid-β-Pathologie im Stadium der manifesten Demenz das beste therapeutische Target ist.
  • Die erste genspezifische ASO-Therapie bei AD hat die Reduktion der Tau-Pathologie zum Ziel und befindet sich aktuell in Phase I/II der klinischen Testung.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

E. Feneberg und M. Otto geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Unsere Produktempfehlungen

Der Nervenarzt

Print-Titel

Aktuelles Fachwissen aus Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und PsychosomatikThemenschwerpunkt mit praxisnahen BeiträgenCME-Fortbildung in jedem Heft 12 Hefte pro Jahr Normalpreis 344,70 € We ...

e.Med Interdisziplinär

Kombi-Abonnement

Für Ihren Erfolg in Klinik und Praxis - Die beste Hilfe in Ihrem Arbeitsalltag

Mit e.Med Interdisziplinär erhalten Sie Zugang zu allen CME-Fortbildungen und Fachzeitschriften auf SpringerMedizin.de.

e.Dent – Das Online-Abo der Zahnmedizin

Online-Abonnement

Mit e.Dent erhalten Sie Zugang zu allen zahnmedizinischen Fortbildungen und unseren zahnmedizinischen und ausgesuchten medizinischen Zeitschriften.

Weitere Produktempfehlungen anzeigen
Literatur
2.
Zurück zum Zitat Braak H, Braak E (1991) Neuropathological stageing of Alzheimer-related changes. Acta Neuropathol 82:239–259CrossRef Braak H, Braak E (1991) Neuropathological stageing of Alzheimer-related changes. Acta Neuropathol 82:239–259CrossRef
3.
Zurück zum Zitat Chang JL, Hinrich AJ, Roman B et al (2018) Targeting amyloid-beta precursor protein, APP, splicing with antisense oligonucleotides reduces toxic amyloid-beta production. Mol Ther 26:1539–1551CrossRef Chang JL, Hinrich AJ, Roman B et al (2018) Targeting amyloid-beta precursor protein, APP, splicing with antisense oligonucleotides reduces toxic amyloid-beta production. Mol Ther 26:1539–1551CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Chartier-Harlin MC, Crawford F, Houlden H et al (1991) Early-onset Alzheimer’s disease caused by mutations at codon 717 of the beta-amyloid precursor protein gene. Nature 353:844–846CrossRef Chartier-Harlin MC, Crawford F, Houlden H et al (1991) Early-onset Alzheimer’s disease caused by mutations at codon 717 of the beta-amyloid precursor protein gene. Nature 353:844–846CrossRef
5.
Zurück zum Zitat Corder EH, Saunders AM, Strittmatter WJ et al (1993) Gene dose of apolipoprotein E type 4 allele and the risk of Alzheimer’s disease in late onset families. Science 261:921–923CrossRef Corder EH, Saunders AM, Strittmatter WJ et al (1993) Gene dose of apolipoprotein E type 4 allele and the risk of Alzheimer’s disease in late onset families. Science 261:921–923CrossRef
6.
Zurück zum Zitat Deane R, Sagare A, Hamm K et al (2008) apoE isoform-specific disruption of amyloid beta peptide clearance from mouse brain. J Clin Invest 118:4002–4013CrossRef Deane R, Sagare A, Hamm K et al (2008) apoE isoform-specific disruption of amyloid beta peptide clearance from mouse brain. J Clin Invest 118:4002–4013CrossRef
9.
Zurück zum Zitat Doody RS, Thomas RG, Farlow M et al (2014) Phase 3 trials of solanezumab for mild-to-moderate Alzheimer’s disease. N Engl J Med 370:311–321CrossRef Doody RS, Thomas RG, Farlow M et al (2014) Phase 3 trials of solanezumab for mild-to-moderate Alzheimer’s disease. N Engl J Med 370:311–321CrossRef
10.
Zurück zum Zitat Erickson MA, Niehoff ML, Farr SA et al (2012) Peripheral administration of antisense oligonucleotides targeting the amyloid-beta protein precursor reverses AbetaPP and LRP‑1 overexpression in the aged SAMP8 mouse brain. J Alzheimers Dis 28:951–960CrossRef Erickson MA, Niehoff ML, Farr SA et al (2012) Peripheral administration of antisense oligonucleotides targeting the amyloid-beta protein precursor reverses AbetaPP and LRP‑1 overexpression in the aged SAMP8 mouse brain. J Alzheimers Dis 28:951–960CrossRef
11.
Zurück zum Zitat Farr SA, Erickson MA, Niehoff ML et al (2014) Central and peripheral administration of antisense oligonucleotide targeting amyloid-beta protein precursor improves learning and memory and reduces neuroinflammatory cytokines in Tg2576 (AbetaPPswe) mice. J Alzheimers Dis 40:1005–1016CrossRef Farr SA, Erickson MA, Niehoff ML et al (2014) Central and peripheral administration of antisense oligonucleotide targeting amyloid-beta protein precursor improves learning and memory and reduces neuroinflammatory cytokines in Tg2576 (AbetaPPswe) mice. J Alzheimers Dis 40:1005–1016CrossRef
12.
Zurück zum Zitat Haass C, Levin J (2019) Did Alzheimer research fail entirely? : failure of amyloid-based clinical studies. Nervenarzt 90:884–890CrossRef Haass C, Levin J (2019) Did Alzheimer research fail entirely? : failure of amyloid-based clinical studies. Nervenarzt 90:884–890CrossRef
13.
Zurück zum Zitat Hinrich AJ, Jodelka FM, Chang JL et al (2016) Therapeutic correction of ApoER2 splicing in Alzheimer’s disease mice using antisense oligonucleotides. EMBO Mol Med 8:328–345CrossRef Hinrich AJ, Jodelka FM, Chang JL et al (2016) Therapeutic correction of ApoER2 splicing in Alzheimer’s disease mice using antisense oligonucleotides. EMBO Mol Med 8:328–345CrossRef
14.
Zurück zum Zitat Jonsson T, Atwal JK, Steinberg S et al (2012) A mutation in APP protects against Alzheimer’s disease and age-related cognitive decline. Nature 488:96–99CrossRef Jonsson T, Atwal JK, Steinberg S et al (2012) A mutation in APP protects against Alzheimer’s disease and age-related cognitive decline. Nature 488:96–99CrossRef
15.
Zurück zum Zitat Kang J, Lemaire HG, Unterbeck A et al (1987) The precursor of Alzheimer’s disease amyloid A4 protein resembles a cell-surface receptor. Nature 325:733–736CrossRef Kang J, Lemaire HG, Unterbeck A et al (1987) The precursor of Alzheimer’s disease amyloid A4 protein resembles a cell-surface receptor. Nature 325:733–736CrossRef
16.
Zurück zum Zitat Kumar VB, Farr SA, Flood JF et al (2000) Site-directed antisense oligonucleotide decreases the expression of amyloid precursor protein and reverses deficits in learning and memory in aged SAMP8 mice. Peptides 21:1769–1775CrossRef Kumar VB, Farr SA, Flood JF et al (2000) Site-directed antisense oligonucleotide decreases the expression of amyloid precursor protein and reverses deficits in learning and memory in aged SAMP8 mice. Peptides 21:1769–1775CrossRef
17.
Zurück zum Zitat Laver K, Dyer S, Whitehead C et al (2016) Interventions to delay functional decline in people with dementia: a systematic review of systematic reviews. BMJ Open 6:e10767CrossRef Laver K, Dyer S, Whitehead C et al (2016) Interventions to delay functional decline in people with dementia: a systematic review of systematic reviews. BMJ Open 6:e10767CrossRef
18.
Zurück zum Zitat Naslund J, Haroutunian V, Mohs R et al (2000) Correlation between elevated levels of amyloid beta-peptide in the brain and cognitive decline. JAMA 283:1571–1577CrossRef Naslund J, Haroutunian V, Mohs R et al (2000) Correlation between elevated levels of amyloid beta-peptide in the brain and cognitive decline. JAMA 283:1571–1577CrossRef
19.
Zurück zum Zitat Nelson PT, Alafuzoff I, Bigio EH et al (2012) Correlation of Alzheimer disease neuropathologic changes with cognitive status: a review of the literature. J Neuropathol Exp Neurol 71:362–381CrossRef Nelson PT, Alafuzoff I, Bigio EH et al (2012) Correlation of Alzheimer disease neuropathologic changes with cognitive status: a review of the literature. J Neuropathol Exp Neurol 71:362–381CrossRef
20.
Zurück zum Zitat Novak P, Schmidt R, Kontsekova E et al (2017) Safety and immunogenicity of the tau vaccine AADvac1 in patients with Alzheimer’s disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 1 trial. Lancet Neurol 16:123–134CrossRef Novak P, Schmidt R, Kontsekova E et al (2017) Safety and immunogenicity of the tau vaccine AADvac1 in patients with Alzheimer’s disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 1 trial. Lancet Neurol 16:123–134CrossRef
21.
Zurück zum Zitat Novak P, Zilka N, Zilkova M et al (2019) AADvac1, an active immunotherapy for Alzheimer’s disease and non Alzheimer tauopathies: an overview of preclinical and clinical development. J Prev Alzheimers Dis 6:63–69PubMed Novak P, Zilka N, Zilkova M et al (2019) AADvac1, an active immunotherapy for Alzheimer’s disease and non Alzheimer tauopathies: an overview of preclinical and clinical development. J Prev Alzheimers Dis 6:63–69PubMed
23.
Zurück zum Zitat Rademakers R, Dermaut B, Peeters K et al (2003) Tau (MAPT) mutation Arg406Trp presenting clinically with Alzheimer disease does not share a common founder in Western Europe. Hum Mutat 22:409–411CrossRef Rademakers R, Dermaut B, Peeters K et al (2003) Tau (MAPT) mutation Arg406Trp presenting clinically with Alzheimer disease does not share a common founder in Western Europe. Hum Mutat 22:409–411CrossRef
24.
Zurück zum Zitat Salloway S, Sperling R, Fox NC et al (2014) Two phase 3 trials of bapineuzumab in mild-to-moderate Alzheimer’s disease. N Engl J Med 370:322–333CrossRef Salloway S, Sperling R, Fox NC et al (2014) Two phase 3 trials of bapineuzumab in mild-to-moderate Alzheimer’s disease. N Engl J Med 370:322–333CrossRef
25.
Zurück zum Zitat Salloway S, Sperling R, Gilman S et al (2009) A phase 2 multiple ascending dose trial of bapineuzumab in mild to moderate Alzheimer disease. Neurology 73:2061–2070CrossRef Salloway S, Sperling R, Gilman S et al (2009) A phase 2 multiple ascending dose trial of bapineuzumab in mild to moderate Alzheimer disease. Neurology 73:2061–2070CrossRef
26.
Zurück zum Zitat Schoch KM, Devos SL, Miller RL et al (2016) Increased 4R-tau induces pathological changes in a human-tau mouse model. Neuron 90:941–947CrossRef Schoch KM, Devos SL, Miller RL et al (2016) Increased 4R-tau induces pathological changes in a human-tau mouse model. Neuron 90:941–947CrossRef
27.
Zurück zum Zitat Selkoe DJ, Hardy J (2016) The amyloid hypothesis of Alzheimer’s disease at 25 years. EMBO Mol Med 8:595–608CrossRef Selkoe DJ, Hardy J (2016) The amyloid hypothesis of Alzheimer’s disease at 25 years. EMBO Mol Med 8:595–608CrossRef
28.
Zurück zum Zitat St. George-Hyslop PH, Tanzi RE, Polinsky RJ et al (1987) The genetic defect causing familial Alzheimer’s disease maps on chromosome 21. Science 235:885–890CrossRef St. George-Hyslop PH, Tanzi RE, Polinsky RJ et al (1987) The genetic defect causing familial Alzheimer’s disease maps on chromosome 21. Science 235:885–890CrossRef
Metadaten
Titel
Genspezifische Therapieansätze bei der Alzheimer-Krankheit und anderen Tauopathien
verfasst von
Dr. E. Feneberg
M. Otto
Publikationsdatum
18.02.2020
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Der Nervenarzt / Ausgabe 4/2020
Print ISSN: 0028-2804
Elektronische ISSN: 1433-0407
DOI
https://doi.org/10.1007/s00115-020-00872-6

Weitere Artikel der Ausgabe 4/2020

Der Nervenarzt 4/2020 Zur Ausgabe