Neuer Jungbrunnen: Wachstumsfaktor verbessert Hirnleistung

Forschende haben einen Faktor identifiziert, der zur Verjüngung des Gehirns alter Versuchstiere per Liquortransfer beiträgt. Er scheint über eine gesteigerte Hippocampus-Myelinisierung das Gedächtnis zu verbessern. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Das Altern zu bremsen, ist theoretisch kein Problem, dazu bedarf es nur viel jungen Bluts. Die darin enthaltenen Faktoren können sowohl die Muskel- und Geweberegeneration ankurbeln, als auch die kognitive Leistung verbessern und sogar das Leben verlängern. Das ist seit den 1970er-Jahren bekannt, als Forscher in sogenannten Parabiose-Versuchen alte und junge Mäuse an der Haut zusammennähten: Bald verbanden sich deren Blutgefäße zu einem gemeinsamen Kreislauf und die alten Mäuse lebten ein paar Monaten länger, als es ihnen die Natur üblicherweise zugesteht. Das junge Blut hatte sie zwar nicht gänzlich, aber zumindest etwas verjüngt. Ein paar Monate bei Mäusen könnten ein paar Jahre bei Menschen sein, und so erinnerten sich in den vergangenen Jahren wieder einige Altersforscher an die Parabiose-Experimente. Seither versuchen sie herauszufinden, was genau in jungem Blut das Altern bremst. Dazu gehören auch Forscher um Professor Tony Wyss-Coray von der Universität in Stanford. Sie konzentrieren sich dabei auf die Hirnalterung. In einem Parabiose-Modell konnten sie vor einigen Jahren zeigen, dass sich eine Alzheimer-ähnliche Erkrankung bei mutierten Mäusen verzögern lässt, wenn die Tiere mit jungen, nicht mutierten Artgenossen gekoppelt werden. Das scheint zum Teil auch mit Plasma von jungen nicht mutierten Mäusen zu klappen: In einem Labyrinth-Test schnitten die Mutanten nach einer Plasmatherapie besser ab. Dieser Ansatz wird mittlerweile in der Studie „Plasma for Alzheimer Symptom Amelioration“ (PLASMA) bei Patienten mit leichter bis moderater Alzheimerdemenz klinisch geprüft. Die Zukunft gehört aber sicher nicht Plasmatransfusionen, sondern einem Cocktail mit verjüngenden Zytokinen und Wachstumsfaktoren. In einer aktuellen Arbeit haben die Forscher um Wyss-Coray einen solchen Faktor identifiziert. Der Fibroblasten-Wachstumsfaktor 17 (FGF17) scheint die bei älteren Säugetieren beeinträchtigte Myelinisierung im Hippocampus zu fördern und auf diese Weise dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Verstärkte Proliferation von Oligodendrozyten Ein Team um Dr. Tal Iram aus der Arbeitsgruppe von Wyss-Coray hat statt Plasma den Liquor als Basis für die Analyse gewählt. Was immer das Gehirn verjüngt, es kann nur über den Liquor an die Hirnzellen gelangen. Zunächst konnten die Forscher in ihren Experimenten zeigen, dass Liquor von zehn Wochen alten Mäusen in das Gehirn von 18 Monate alten Tieren infundiert deren Gedächtnis erheblich verbessert. Dazu unterzogen sie die Tiere einer speziellen Angst-Konditionierung: Sie sollten lernen, bestimmte Geräusche oder Lichtimpulse mit einem kleinen Elektroschock zu verbinden. Das gelang den alten Tieren nach dem Liquortransfer deutlich besser. Iram und Mitarbeiter analysierten daraufhin über RNA-Analysen die Genexpression im Hippocampus als wichtige Schaltzentrale für Lernprozesse. Sie fanden, dass durch den Liquortransfer primär Gene in Oligodendrozyten und vor allem deren Vorläuferzellen (OPC) hochreguliert wurden. Das ist nicht ganz überraschend, die Myelinisierung von Axonen durch Oligodendrozyten ist entscheidend für die Funktionsfähigkeit des Hippocampus, und dieser Prozess lässt mit dem Alter nach. Wird die Oligodendrozyten-Proliferation künstlich unterdrückt, leidet ebenfalls das Gedächtnis. Empfehlung der Redaktion Demenz – Themenseite Wie therapiert man Alzheimerpatienten leitliniengerecht? Warum sind "keiner" und "nein" bei Dementen tabu? Und was tut sich in der Alzheimertherapie-Forschung? Antworten gibt die Themenseite Demenz. Hier finden Sie Übersichten, News, kommentierte Studienreferate und Kasuistiken. Die Forscher aus Stanford konnten nun zeigen, dass sich der Anteil proliferierender OPC im Hippocampus alter Mäuse nach der Liquortherapie mehr als verdoppelte und als Folge auch die Myelinproduktion erheblich zunahm. Die Verjüngung scheint also nicht primär über die Neuronen, sondern die Myelin-bildenden Zellen zu laufen. In ähnlicher Weise ließ sich die OPC-Proliferation mit dem Liquor junger Menschen (rund 25 Jahre alt), aber kaum mit Liquor älterer Menschen (69 Jahre) stimulieren. In kultivierten OPC fanden die Forscher ferner, dass junger Liquor vor allem die Genexpression des Transkriptionsfaktors „Serum Response Factor“ (SRF) in die Höhe treibt. SRF wiederum kurbelt die Zellproliferation und -differenzierung an, seine Expression nimmt mit dem Alter ab. SRF ist zudem auch für die Entwicklung von Neuronen und deren aktivitätsabhängige Plastizität relevant. Auf der Suche nach potenten SRF-Aktivatoren in jungem Liquor stießen sie schließlich auf FGF17. Dieser Faktor wird primär von Neuronen junger Tiere und Menschen produziert, mit dem Alter sinken die Liquorspiegel. Infundierten die Forscher statt jungem Liquor nun FGF17 in die Hirne älterer Mäuse, konnten sie die Effekte von jungem Liquor weitgehend nachahmen: Auch mit FGF17 verbesserten sie das Gedächtnis im Konditionierungstest. Im Gegensatz dazu verschlechterte ein Antikörper gegen FGF17 die kognitive Leistung junger Mäuse. SRF und FGF17 könnten also auf einen Mechanismus weisen, mit dem sich vielleicht das Gedächtnis älterer Menschen verbessern lässt. Hier wäre zunächst zu prüfen, inwiefern FGF17 ähnlich belebend auf die OPC-Proliferation wirkt. Interessant, wenn auch nicht überraschend, ist zudem, dass FGF17 von Neuronen produziert wird. Sie scheinen damit ihre eigene Myelinisierung zu fördern. Weshalb Nervenzellen im Alter weniger FGF17 herstellen, ist jedoch noch unklar und könnte ein weiteres Puzzleteil zum Verständnis der Hirnalterung liefern. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welche Faktoren im Liquor können den Hippocampus „verjüngen“ und die Gedächtnisleistung steigern? Antwort: US-Forscher stießen in Tierexperimenten auf FGF17. Über eine gesteigerte Myelinisierung von Nervenzellen im Hippocampus scheint der Faktor das Gedächtnis zu verbessern. Bedeutung: Möglicherweise kann der FGF17-Pfad auch bei älteren Menschen die kognitive Leistung steigern, was aber noch zu prüfen ist. Einschränkung: Tierexperimentelle Untersuchungen.

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