Nach MCI und Demenz-Diagnose: Suizidversuche nehmen zu

Männer mit einer frisch diagnostizierten Demenz oder einer Demenzvorstufe versuchen vermehrt, sich selbst zu töten: Die Rate von Suizidversuchen ist um bis zu 70% erhöht. Nach einiger Zeit normalisiert sich das Suizidrisiko jedoch wieder, legen US-Daten nahe. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Sowohl die Diagnose einer beginnenden Demenz als auch die mit der Erkrankung und Prognose verbundenen Probleme können die Betroffenen erheblich erschüttern – mitunter so sehr, dass sie sich selbst töten wollen. Auf der anderen Seite sind eine Demenz und leichte kognitive Einschränkungen (MCI) oft mit psychischen Störungen wie Depressionen verbunden, die ebenfalls das Suizidrisiko erhöhen. Mitunter sind psychische Störungen und nicht eine Neurodegeneration der Grund für kognitive Einschränkungen bei älteren Menschen. Nach Daten der US-Veteranenversicherung steigt die Rate von Suizidversuchen bei ehemaligen Militärangehörigen jedoch unabhängig von psychischen Diagnosen, wenn bei ihnen eine MCI oder Demenz diagnostiziert wird. Rate von Suizidversuchen um 73% erhöht Für die Analyse haben klinische Psychologen um Dr. Mia Maria Günak von der Universität Leiden in den Niederlanden Angaben zu rund 21.000 US-Veteranen ausgewertet, die zwischen 2011 und 2013 älter als 50 Jahre alt waren und eine MCI-Diagnose hatten. Etwa die Hälfte von ihnen bekam die Diagnose in diesen beiden Jahren, sie wurden als frisch diagnostiziert bezeichnet, die übrigen hatten sie zuvor erhalten. Den MCI-Patienten gegenüber stellten sie jeweils die dreifache Zahl von Veteranen mit einer Demenz und ebenso viele ohne kognitive Probleme (Kontrollgruppe), wobei sie auf dasselbe Geschlecht, dieselbe Ethnie, ein ähnliches Alter, Einkommen und Bildungsniveau achteten (propensity score matching). Insgesamt verglichen die Forscher also Daten von knapp 150.000 Veteranen. Diese waren im Schnitt 75 Jahre alt und zu 97% Männer. Patienten mit MCI und Demenz hatten zur Hälfte psychische Begleiterkrankungen, in der Kontrollgruppe war der Anteil mit 30% deutlich geringer. Am häufigsten waren dies Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und Schlafprobleme. Wie sich anhand von Suiziddatenbanken zeigte, begingen 138 Patienten (0,7%) mit MCI bis Ende 2016 einen Suizidversuch, dies taten auch 400 Patienten mit Demenz (0,6%) sowie 253 kognitiv gesunde Veteranen (0,4%). Wurden psychische Störungen und weitere Begleitfaktoren berücksichtigt, war die Rate von Suizidversuchen unter Veteranen mit frischer MCI-Diagnose um 73% höher als in der Kontrollgruppe. Veteranen mit einer frischen Demenzdiagnose versuchten sich in der Nachbeobachtungszeit zu 44% öfter selbst zu töten als ehemalige Militärangehörige in der Kontrollgruppe. Beide Resultate waren statistisch signifikant. Empfehlung der Redaktion Demenz – Themenseite Wie therapiert man Alzheimerpatienten leitliniengerecht? Warum sind "keiner" und "nein" bei Dementen tabu? Und was tut sich in der Alzheimertherapie-Forschung? Antworten gibt die Themenseite Demenz. Hier finden Sie Übersichten, News, kommentierte Studienreferate und Kasuistiken. Für Veteranen mit einer MCI- oder Demenzdiagnose in den Jahren vor 2011 ergab sich im Nachbeobachtungszeitraum zwischen 2013 und 2016 keine signifikant erhöhte Rate von Suizidversuchen. Keine erhöhte Suizidrate Einen vollzogenen Suizid fanden die Forscher um Günak bei 0,1–0,2% der Veteranen in allen drei Gruppen, hier gab es praktisch keinerlei signifikante Differenzen, mit einer Ausnahme: Unter Veteranen mit einer bestehenden Demenz war die Suizidrate um ein Drittel geringer als in der Kontrollgruppe. Dies wird vor allem damit erklärt, dass Patienten mit fortgeschrittener Demenz keinen Zugang mehr zu Waffen haben, weil sie in Pflegeeinrichtungen leben, und der Suizidwunsch in späteren Demenzstadien kaum noch auftritt. Dagegen verstehen Patienten mit einer frisch diagnostizierten MCI oder Demenz meist die Konsequenzen, welche die Erkrankung mit sich bringt, wollen damit vielleicht anderen nicht zur Last fallen oder ein fortgeschrittenes Stadium nicht erleben. Zudem haben sie als US-Veteranen einen guten Zugang zu Schusswaffen. Diese benutzten die MCI-Patienten jedoch wesentlich seltener bei ihren Suizidversuchen als Veteranen ohne kognitive Probleme, was erklären mag, weshalb zwar die Rate von Suizidversuchen bei den MCI-Patienten erhöht war, nicht aber die Suizidrate. Die Ergebnisse decken sich mit Resultaten anderer Studien, berichten die Experten um Günak. Nach diesen ist das Suizidrisiko vor allem in den ersten sechs Monaten nach einer Demenzdiagnose deutlich erhöht, im ersten Monat nach der Diagnose sogar um das Dreifache. Das Wichtigste in Kürze Frage: Gibt es nach einer MCI- oder Demenzdiagnose vermehrt Suizidversuche? Antwort: Unter US-Veteranen mit frisch diagnostizierter MCI ist die Rate von Suizidversuchen um 73% erhöht, nach einer Demenzdiagnose um 44%, und zwar unabhängig von psychischen Begleiterkrankungen. Bedeutung: MCI-und Demenzdiagnosen fördern offenbar den Suizidwunsch. Einschränkung: Angaben beziehen sich fast ausschließlich auf Männer.

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