Jede achte Frau nimmt nach der Geburt Antidepressiva

Etwa 11% aller Frauen leiden im ersten Jahr nach der Geburt an Depressionen. Unter jungen Frauen ist der Anteil fast doppelt so hoch. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Depressionen nach einer Entbindung sind keine Seltenheit. Bislang sei jedoch wenig darüber bekannt, welche Frauen ein besonders hohes Risiko für den Entbindungsblues tragen, wann eine solche Depression von ärztlicher Seite erkannt wird und was Ärzte dagegen tun, berichten Gesundheitsforscher um Irene Petersen vom University College in London. Aktuelle Daten liefern die Forscher nun anhand einer britischen Untersuchung bei rund 207.000 Frauen, die in den Jahren 2000–2013 Mutter geworden sind. Demzufolge entwickelt rund jede zehnte Frau im ersten Jahr nach der Entbindung eine ausgeprägte Depression, jede achte benötigt Antidepressiva. Das Team um Petersen hat für seine Analyse Angaben einer großen britischen Hausarztdatenbank ausgewertet (The Health Improvement Network). Diese umfasst Daten aus Allgemeinarztpraxen zu rund 6% der britischen Bevölkerung. In die Datenbank fließen neben Diagnosen und Medikamentenverordnungen auch Symptombeschreibungen mit ein, zudem lässt sich anhand von Adressen und Postleitzahlen ein Deprivationsindex erstellen, der Auskunft über die sozioökonomische Lage der Patienten gibt. 12% bekommen Antidepressiva Zumeist kümmern sich in Großbritannien Hausärzte um die Versorgung der Mütter nach der Geburt, diese werden etwa sechs bis acht Wochen nach der Entbindung zu einem Checkup einbestellt. Bei 11% der Frauen hatten die Ärzte im ersten Jahr nach der Entbindung eine Depression (4%), eine postpartale Depression (4%) oder depressive Symptome (5%) notiert. 12% der Frauen bekamen im ersten Jahr nach der Entbindung Antidepressiva verordnet. Am häufigsten (zu 92%) verschrieben die Ärzte SSRI, 3% aller Frauen erhielten eine Psychotherapie. 31% aller Mütter hatten schon vor der Entbindung mindestens einmal einen Vermerk zu Depressionen oder depressiven Symptomen erhalten. Von diesen waren nach der Geburt 15% mit Depressionen und 24% mit Antidepressivaverordnungen aufgefallen. Solche Frauen bekamen ihre Depression häufiger auch schon in den ersten sechs Wochen nach der Geburt als Mütter, die von gravierenden Stimmungstiefs zuvor unbehelligt waren. Mütter im Alter von 15–19 Jahren wurden – unabhängig von ihrem sozialen Status – doppelt so häufig von Depressionen befallen wie solche im Alter von 30–34 Jahren; auch bekamen sie doppelt so häufig Antidepressiva. In der untersten sozialen Schicht war die Rate von Depressionen rund 50% höher als in der obersten Schicht, ebenfalls unabhängig von anderen Faktoren. Stimmungstief am häufigsten in den ersten zwei Monaten Am Anteil der Mütter mit depressiven Beschwerden und Antidepressivabehandlung hat sich insgesamt im Laufe der 13 untersuchten Jahren wenig geändert, allerdings schob sich der Beginn der Therapie mit der Zeit näher an die Entbindung heran: So wurden zum Schluss der Untersuchungsperiode fast doppelt so oft Frauen acht Wochen nach der Geburt antidepressiv therapiert wie zu Beginn des Jahrhunderts. Dies deutet darauf, dass Hausärzte die Depressionen mittlerweile recht früh erkennen. Insgesamt notierten die Ärzte ein Stimmungstief am häufigsten sechs bis acht Wochen nach der Entbindung – also beim ersten Checkup –, danach flaute die Inzidenz deutlich ab. Das Fazit der Forscher um Petersen: Am stärksten depressionsgefährdet sind junge und sozial schwache Mütter sowie solche mit Depressionen in der Vorgeschichte, am häufigsten treten die Beschwerden in den ersten beiden Monaten nach der Entbindung auf. Diese Angaben könnten Ärzten helfen, Depressionen nach einer Entbindung noch besser aufzuspüren und anzugehen. Empfehlung der Redaktion Prof. Dr. Tamme W. Goecke 25.10.2014 | Geburtshilfe und Perinatologie | Kongressbericht | Online-Artikel Depressionen in der Schwangerschaft – noch immer ein Tabu! Schwanger – aber statt Vorfreude kommen die trüben Gedanken? Depressionen in der Schwangerschaft sind gar nicht so selten. Woran man sie erkennt und ob man ihnen vorbeugen kann, erklärt Prof. Goecke im Interview. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig sind Depressionen nach einer Entbindung, welche Frauen tragen ein hohes Risiko? Antwort: In einer britischen Untersuchung zeigten 11% aller Mütter im ersten Jahr nach der Entbindung Depressionen oder depressive Symptome. Besonders häufig traten diese bei jungen Müttern und Frauen aus sozial schwachen Schichten auf. Bedeutung: Bei jungen und sozial schwachen Müttern sollten Ärzte in den ersten Wochen nach der Entbindung verstärkt auf Depressionen achten. Einschränkung: Antidepressiva können auch aus anderen Gründen als Depressionen verordnet werden.

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