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06.03.2025 | Online-Artikel

Depressionen & Ernährung

Depressiv durch Fleischverzicht?

Vegetarische oder vegane Ernährungsweisen können mit positiven gesundheitlichen Effekten assoziiert sein, z. B. mit niedrigeren Cholesterinspiegeln und geringerem Typ-2-Diabetes-Risiko. [1] Metaanalysen zeigen, dass Fleischverzicht mit einem signifikant erhöhten Depressionsaufkommen verbunden sein kann. [2] Doch gibt es hier tatsächlich einen kausalen Zusammenhang?

Höhere Depressionswerte bei vegetarischer und veganer Lebensweise?

Die Metaanalyse von Ocklenburg und Borawski zeigte, dass Personen (n = 41.832) mit omnivorem Speiseplan signifikant niedrigere Werte in den eingesetzten Depressions-Skalen als Vegetarier (n = 8.057) aufwiesen. In die Auswertung eingeschlossen waren 49.889 Personen in 13 Studien. [2,3] Eine Metaanalyse von Dobresk und Kollegen* stützt das Ergebnis: Fleischkonsumenten hatten im Durchschnitt niedrigere Depressionswerte als Fleischabstinenzler. Die geringeren Werte bestätigten sich auch beim Vergleich mit Veganerinnen und Veganern. [4]

In Brasilien, wo jüngst immer mehr Menschen zur fleischlosen Kost übergehen, zeigte eine Querschnittstudie (n = 14.216), dass Personen bei fleischloser Ernährung etwa doppelt so häufig von Depressionen betroffen waren als Fleischesser. [5,6]


* Eingeschlossen waren 20 Studien (n = 171.802; darunter 157.778 Fleischkonsumenten und 13.259 Fleischabstinenzler)⁴


Fleischlose Ernährung: Depression als Folge oder als Ursache?

Sind Steakesser demnach die glücklicheren, gesünderen Menschen? Ganz so einfach ist die Sache nicht. Aus den Ergebnissen der Metaanalysen und Studie lässt sich kein kausaler Zusammenhang zwischen fleischloser Ernährung und Depression ableiten. [2,3,5,6]

Die Studienautorinnen und -autoren sind vorsichtig: Es könne sein, dass depressive Personen ihre Ernährung umstellen, um sich und ihrer Gesundheit Gutes zu tun. Dies könnte das Ergebnis verzerren. Aufgrund der Heterogenität der für die Metaanalysen untersuchten Studien seien weitere empirische Untersuchungen erforderlich. [2] Die Autoren schließen zudem nicht aus, dass sich eine vegetarische oder vegane Ernährung auch negativ auf die Stimmung auswirken könnte. [2,3,5,6]

Fasst man den Rahmen an Publikationen weiter, wird schnell deutlich, dass die Studienlage zur fleischlosen Ernährung und mentalen Gesundheit äußerst inkonsistent ist, und eine Kausalität kaum belegt oder widerlegt werden kann. Kausale Zusammenhänge werden allenfalls künftige Publikationen mit ausgeklügelten Designs zeigen können. [5,6]

Vitamin-B12-Mangel kann zu depressiver Verstimmung führen

Was jedoch unstrittig ist: Unser Körper nimmt bei veganer und vegetarischer Ernährung bestimmte Nährstoffe schlechter bzw. gar nicht auf. Für Vitamin B12 ist das Risiko eines Nährstoffmangels deutlich erhöht. [7] In Schwangerschaft und Stillzeit sollten Vegetarierinnen deshalb auf eine ausreichende Vitamin-B12-Zufuhr achten. Eine vegane Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit sowie im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter wird nicht empfohlen. [7] Ein Mangel von Vitamin B12 führt neben Depressionen auch zu Anämie, neurologischen Störungen, Gedächtnisschwäche, Ermüdungserscheinungen und Aufmerksamkeitsdefiziten. [7]

Für Mediziner*innen: Passend dazu auf Medbee

Gesunde Ernährung – gerade bei einer Depression: Die Nationale VersorgungsLeitlinie zur Unipolaren Depression empfiehlt Patient*innen mit Depressionen dazu zu ermuntern, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Eines der Ziele hierbei: die Überwindung der Antriebslosigkeit. Hier die Informationen auf einen Blick

Langkettige Omega-3-Fettsäuren relevant bei Depression?

Bei veganer Ernährung ist die Versorgung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren erschwert – v. a. für Schwangere, Stillende und Kinder. [1] Omega-3-Fettsäuren, wie Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), kommen vermehrt in Fisch und Meeresfrüchten vor. Beide Fettsäuren werden vom Körper langsam und ineffizient synthetisert. [8]

Omega-3-Fettsäuren sollen aufgrund ihres positiven Effekts auf Zellkommunikation, Neurotransmitteraktivitäten und Entzündungsprozesse anti-depressiv wirken. [8] In der Praxis ist die Evidenz hierfür gering: Ein Cochrane-Review sieht einen mäßigen, jedoch nicht-klinisch relevanten Einfluss von Omega-3-Fettsäuren gegenüber Placebo auf Depressionen. [9]

FAZIT für die Praxis: [2-11]

  • Ein kausaler Zusammenhang zwischen Fleischverzicht und Depression kann derzeit weder belegt noch widerlegt werden.
  • Jedoch sind niedrige Vitamin-B12- und Omega-3-Fettsäuren-Level mit einem erhöhten Risiko für Depressionen bzw. depressive Störungen assoziiert. [7,9] 
  • Die Evidenz für eine positive Wirkung beider Stoffe bei Depressionen ist gering.
  • Die Leitlinie zur unipolaren Depression rät Patientinnen und Patienten mit depressiven Störungen, sich ausgewogen und gesund zu ernähren. Von Nahrungsergänzungsmitteln wird aufgrund der fehlenden Evidenz abgeraten, sofern kein Mangel an Mikronährstoffen besteht. [11]

Literatur:

[1] Bundesinstitut für Risikobewertung. www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2017/42/vegane_ernaehrung_als_lebensstil__es_besteht_risikokommunikationsbedarf-202177.html (abgerufen am 22.11.2024).
[2] Ocklenburg S und Borawski J. Vegetarian diet and depression scores: A meta-analysis. Journal of Affective Disorders 2021;294:813-815. https://doi.org/10.1016/j.jad.2021.07.098.
[3] Deutschlandfunk Nova. (2021) www.deutschlandfunknova.de/beitrag/statistik-zusammenhang-zwischen-depression-und-vegetarischer-ernaehrung (abgerufen am 22.11.2024).
[4] Dobresk U et al. Meat and mental health: A meta-analysis of meat consumption, depression, and anxiety, Critical Reviews in Food Science and Nutrition, 2021 DOI: 10.1080/10408398.2021.1974336.
[5] Meyer-Woters L. Depressive Vegetarier: Fleischlos (un)glücklich? DocCheck, 16.01.2023; https://www.doccheck.com/de/detail/articles/41511-depressive-vegetarier-fleischlos-ungluecklich (abgerufen am 22.11.2024).
[6] Kohl I et al. Association between meatless diet and depressive episodes: A cross-sectional analysis of baseline data from the longitudinal study of adult health (ELSA-Brasil). Journal of Affective Disorders 2023; 320:48-56.
[7] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. Ausgewählte Fragen und Antworten zu veganer Ernährung (2020) (abgerufen am 22.11.2024)
[8] Appleton K et al. Omega-3 fatty acids for depression in adults. Cochrane Database Syst Rev 2015 Nov 5;2015(11):CD004692. DOI: 10.1002/14651858.CD004692.pub4.
[9] Appleton K et al. Omega-3 fatty acids for depression in adults. Cochrane Database Syst Rev, 2021 DOI: 10.1002/14651858.CD004692.pub5.
[10] Healy-Stoffel M, Levant B. N-3 (Omega-3) fatty acids: effects on brain dopamine systems and potential role in the etiology and treatment of neuropsychiatric disorders. CNS Neurol Disord Drug Targets. 2018; 17 (3): 216–232.
[11] DGPPN, BÄK, KBV, AWMF (Hrsg.) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression*. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.2. Stand 2022. Gültig bis Sept 2027 (zuletzt aufgerufen am 22.10.2024).

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