25.07.2018 | Leitthema | Ausgabe 9/2018 Open Access

Der bundeseinheitliche Medikationsplan in der Praxis
Die Pilotprojekte MetropolMediplan 2016, Modellregion Erfurt und PRIMA
Einleitung
Der bundeseinheitliche Medikationsplan
-
MetropolMediplan 2016 in der Metropolregion Nürnberg/Erlangen/Fürth (MMP16),
-
Modellregion Erfurt (Erfurt),
-
PRIMA (Primärsystem-Integration des Medikationsplans mit Akzeptanzuntersuchung) in der Modellregion Sachsen-Thüringen (PRIMA).
Lesbarkeits- und Verständlichkeitstestung des BMP
Die Modellprojekte in der Übersicht
MMP16 | Erfurt | PRIMA | |
---|---|---|---|
Setting | Ambulante und stationäre Versorgung | Ambulante und stationäre Versorgung | Ambulante Versorgung |
Teilnehmende Gesundheitsdienstleister | 12 Arztpraxen, 12 Offizinapotheken, Klinikum Fürth/Zentrale Notaufnahme | 12 Arztpraxen, 15 Apotheken, Helios Klinikum Erfurt, >10 Stationen | 12 Arztpraxen, 12 Offizinapotheken, die jeweils in Arzt-Apotheker-Teams zusammenarbeiten |
Patientenzahlen Einschluss | 863 | 161 | 196 |
Patientenzahlen Fortschreibung | 2070 | 130 | 196 |
Fragestellung 1 | Akzeptanz des BMP aus Sicht der Patientinnen und Patienten in der Versorgungsroutine | Akzeptanz des BMP aus Sicht der Patientinnen und Patienten im Rahmen des Modellprojektes | Umsetzung des BMP in die Versorgungsrealität von Ärztinnen und Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern sowie Patientinnen und Patienten mit Untersuchung von Machbarkeit und Praktikabilität |
Fragestellung 2 | Akzeptanz des BMP aus Sicht der Gesundheitsdienstleister | Akzeptanz und Praktikabilität des BMP aus Sicht der Gesundheitsdienstleister ohne sektorenübergreifende IT-Infrastruktur | Durchführung einer Akzeptanzbefragung bei Patientinnen und Patienten sowie bei der Ärzte- und Apothekerschaft |
Fragestellung 3 | Auswertung der BMP hinsichtlich deren AMTS-Eignung | Auswertung der BMP hinsichtlich Anzahl der Medikationsprobleme | – |
Fragestellung 4 | Vollständigkeit des BMP und Originaldatenabgleich |
–
| – |
Methodik | – In 3 Interventionsphasen Patientenbefragungen zur Akzeptanz – In 3 Interventionsphasen Befragungen zur Akzeptanz für Gesundheitsdienstleister – Bewertung der AMTS hinsichtlich der AMTS-Eignung in für die Versorgung typischen Situationen. Hierzu zählen: – AMTS-Aspekte bei Ersterstellung und Fortschreibung (Änderung des BMP) und – AMTS-relevante Situationen wie Präparateumstellungen – Vergleich eines Medikationsdatenauszugs aus dem Praxisverwaltungssystem (PVS) mit dem aktuellen BMP. Vergleich des BMP mit dem Ergebnis der Brown-Bag-Befragung von Patientinnen und Patienten. Vollständigkeit und AMTS-Tauglichkeit der BMP auf Basis einer Zufallsstichprobe von 300 anonymisierten BMP | – Implementierung einer webbasierten Software für die teilnehmende Ärzte‑/Apothekerschaft und das Krankenhaus – Abstimmung der Prozesse und eines Berechtigungskonzeptes für den BMP – Rekrutierung von Patientinnen und Patienten in der Klinik und in Hausarztpraxen – Befragung der Patientinnen und Patienten nach 6 und nach 12 Monaten mittels standardisierter Fragebögen, MARS-D und SIMS-D – Befragung der Gesundheitsdienstleister nach 6 Monaten (Krankenhauspersonal) bzw. 12 Monaten (Hausärzte- und Apothekerschaft) – Analyse der Medikationspläne im Hinblick auf Medikationswechsel und arzneimittelbezogene Probleme | Rekrutierung von mind. 8 Arzt-Apotheker-Teams, die jeweils ca. 10 Patienten rekrutierten
Untersuchung von Machbarkeit und Praktikabilität der BMP-Erstellung und -Aktualisierung:
– Entwicklung und Erprobung der technischen Umsetzung und der Prozesse für die Erstellung der BMP in der Primärsoftware der Heilberufler sowie der Austausch der BMP über den Medikationsplanserver in einem mehrstufigen Prozess mit jeweiligen Feedbackzyklen: – Phase 0: technische Testung (Austausch elektronischer BMP über den Server zwischen Primärsoftwareanbietern) – Phase 1: Testfall (erstmalige Testung durch Ärzte- und Apothekerschaft) – Phase 2: Testung der Software und Prozesse unter Alltagsbedingungen (je 2 Patientinnen und Patienten pro Arzt-Apotheker-Team) – Phase 3: Routinebetrieb (je ca. 10 Patientinnen und Patienten pro Arzt-Apotheker-Team) – Bewertung der Prozesse im Medikationsmanagement, der Arzt-Apotheker-Zusammenarbeit und des Patientennutzens durch die am Projekt teilnehmenden Ärzte und Apotheker in einem Workshop – Durchführung von mind. 10 semistrukturierten Face-to-Face-Patienteninterviews Schriftliche Akzeptanzbefragungen bei Ärztinnen und Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern sowie Patientinnen und Patienten |
Technische Umsetzung | – In 12 Arztpraxen, 12 Apotheken sowie im Klinikum Fürth wurde die Anwendersoftware „eMediPlan“ installiert und entsprechende bereits im Vorprojekt getestete Scannertypen wurden etabliert – Zentrale serverbasierte Datenspeicherung im Klinikum Fürth – Implementierung eines serverbasierten BMP zum sektorübergreifenden Austausch von BMP auf der Basis von eMediPlan | – Verfügbarkeit der Software und Scanner in 12 Arztpraxen, 15 Apotheken, im Helios Klinikum Erfurt – Zentrale serverbasierte Datenspeicherung in den Helios-Klinken | – Elektronischer Datenaustausch zwischen 12 Arztpraxen und 12 Apotheken – Integration eines neuen Softwaremoduls in die Primärsysteme von Ärzten und Apothekern – Datenaustausch im KV-SafeNet via Medikationsplanserver – Dezentrale Datenspeicherung in Arztpraxen und Apotheken |
MetropolMediplan 2016
Modellregion Erfurt
PRIMA
Abgeleitete Empfehlungen aus den drei Modellprojekten
-
Prozesse, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten von Ärzte- und Apothekerschaft bzgl. der Ersterstellung und Fortschreibung des BMP müssen klar geregelt werden – Verfahrensanweisungen sind zu konkretisieren.
-
Der BMP muss in die Primärsoftware (Apothekenverwaltungssystem, Krankhausinformationssystem und Praxisverwaltungssystem) integriert sein.
-
Für den BMP müssen einheitliche Qualitätsstandards und -anforderungen, v. a. an die Software, festgelegt werden.
-
Eine verpflichtende Beteiligung der Apotheken sowohl bei der Ersterstellung als auch bei Fortschreibung des BMP ist notwendig.
-
Eine Papierversion des BMP für die Patientinnen und Patienten wird weiterhin gewünscht.
-
Eine Integration des BMP in eine elektronische Patientenakte als vollintegraler Bestandteil mit entsprechender Zugriffsverwaltung ist zur lückenlosen Dokumentation essenziell. Parallelitäten und dadurch verursachte Differenzen von Medikationsinformationen zwischen einer elektronischen Gesundheitskarte, Patientenakte und dem Notfalldatensatz müssen vermieden werden.
-
In zukünftigen elektronischen BMP sollen auch Therapie- und AMTS-relevante Diagnosen sowie die Historie unerwünschter Arzneimittelwirkungen hinterlegbar sein.
-
Die Kliniken müssen lückenlos in den Medikationsprozess integriert werden. Idealerweise erhält jeder Patient mit einer Krankenhauseinweisung einen aktuellen BMP oder eine Aktualisierung des bestehenden BMP durch den Einweiser.
-
Eine hohe Qualität des BMP/eMP (elektronischer Medikationsplan) ist nur durch eine zeitlich aufwendige und intellektuelle Auseinandersetzung mit der Medikation eines Patienten bei angemessener Aufwandsentschädigung realisierbar.
-
Der Betreuungsprozess ist entsprechend den individuellen Anforderungen der Patientinnen und Patienten zu etablieren.
-
Der Nutzen des BMP, der zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekerinnen und Apothekern auf Basis einer Medikationsanalyse (z. B. Brown-Bag-Verfahren) abgestimmt wird, und v. a. der Nutzen dieses Prozesses müssen der Zielgruppe besser bekanntgemacht und vermittelt werden.
-
Der Patient darf nicht Bittsteller eines BMP sein, wie im § 31a SGB V, E‑Health Gesetz vorgesehen, sondern der BMP sollte jedem Patienten, der Anspruch darauf hat, aktiv durch den Arzt oder Apotheker angeboten werden.
Vorschläge zur Weiterentwicklung des BMP
Vorschlag 1: Implementierung einer codierten Wirkstoffverordnung
Vorschlag 2: Definition von Standardprozessen und Zuständigkeiten im Rahmen der Ersterstellung und kontinuierlichen Pflege von BMP bzw. eMP
-
Wer darf bzw. muss den Medikationsplan wann und wie ändern? Wann soll beispielsweise ein neues Medikament eingetragen werden – sobald es die Hausärztin/der Hausarzt verordnet oder erst wenn die Patientin/der Patient das Rezept (Tage später) in der Apotheke auch tatsächlich einlöst? Wer trägt die Medikation ein, welche die Patientin/der Patient ohne ärztliche Verordnung in der Apotheke erwirbt?
-
Wie sieht es bei der Ersterstellung des Medikationsplans mit Angaben der Patientin/des Patienten zur Medikation durch Fachkolleginnen/-kollegen aus? Tragen die Hausärztin/der Hausarzt diese direkt ein (oder ggf. nach welcher Form von Überprüfung)?
-
Wie intensiv muss/kann eine fortschreibende Ärztin oder ein fortschreibender Arzt, die/der einen Wirkstoff ergänzt, prüfen, ob der Medikationsplan bezüglich der anderen Medikamente vollständig und aktuell ist? Hier klaffen die in der klinischen Versorgung praktizierte Verordnungsroutine und die notwendige analytische Sorgfalt oft auseinander, was es sinnvoll macht, auch haftungsrechtliche Verantwortlichkeiten zu klären.
-
Entstehen Gesundheitsschäden durch fehlerhafte Einträge, mangelnde Vollständigkeit oder ignorierte Medikationsfehler? Der Apothekerin/dem Apotheker fällt beispielsweise anhand neuer Informationen ein Medikationsfehler in der Medikation der Hausärztin/des Hausarztes auf. Wie und ggf. wie schnell sind Hausärztin/Hausarzt und Patientin/Patient zu informieren, was ist aktuell bezüglich der Medikation zu tun, wenn der Hausarzt nicht erreichbar ist? Wer haftet, wenn der Fehler nicht zügig behoben wird?