Erschienen in:
08.07.2021 | Übersichten
Der Mann aus dem Eis
Lebensszenario und Pathologische Befunde aus 30 Jahren Forschung an der Gletschermumie „Ötzi“
verfasst von:
Prof. Dr. Andreas G. Nerlich, Eduard Egarter Vigl, Angelika Fleckinger, Martina Tauber, Oliver Peschel
Erschienen in:
Die Pathologie
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Ausgabe 5/2021
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Zusammenfassung
Die umfassende Untersuchung der ausgezeichnet erhaltenen Mumie des „Eismanns“ Ötzi und seiner Ausrüstung haben seit seiner Auffindung vor 30 Jahren zahlreiche Informationen zum Leben und Leiden des spätneolithischen Individuums liefern können. So konnte nicht nur seine Herkunft aus einer lokalen südalpinen Bevölkerung, sein Aufwachsen in den Gebirgstälern südlich des Alpenkamms und seine ebenfalls lokalen Wanderungsbewegungen ermittelt werden. Seine Ernährung war balanciert pflanzlicher und tierischer Herkunft, er bewegte sich viel im bergigen Gelände und war athletisch und muskelstark. Dabei litt der Eismann an arthrotischen Gelenkveränderungen im rechten Hüftgelenk sowie geringgradig der zervikalen und lumbalen Wirbelsäule, an geringgradigen, fokalen (für das Lebensalter vorzeitigen) arteriosklerotischen Gefäßveränderungen, einer Anthrakose und evtl. geringen Silikose der Lunge, mutmaßlich abgelaufener Pleuritis (evtl. postspezifisch?), intestinalen Infektionskrankheiten durch eine Helicobacter-pylori-Infektion des Magens und einen Trichuris-trichiura(Peitschenwurm)-Befall des Darms, einer leichten Osteomalazie des Knochens und diversen Pathologien der Zähne mit Karies und Periodontitis sowie Haaranomalien. Eine Borreliose wird noch diskutiert. Dabei hatte der Eismann gegen die Parasitose durchaus wirksame „Heilmittel“ bei sich: den Pilz Birkenporling und ein Farnkraut mit anthelmintischer Wirkung. Tätowierungen wurden ebenfalls mit therapeutischen Effekten in Verbindung gebracht. Die Analyse der letzten Tage und Stunden des Eismanns zeigen (durch die Ernährung bestimmbar) einen Abstieg aus großer Höhe und Wiederaufstieg in den Gletscherbereich mit mindestens 2 Angriffen, dabei zunächst einer Schnittverletzung an der Hand mehrere Tage vor dem Tod und einen terminal letalen Pfeilschuss mit Verletzung der Arteria subclavia links, die letzten Tage des Ötzi kennzeichneten.