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Erschienen in: Der Urologe 1/2013

01.01.2013 | Geschichte der Urologie

Der Ulmer Steinschneider Johannes Palm und seine Familie

Am Höhepunkt der Steinschnittkunst: ein Beitrag zur Urologie des 19. Jahrhunderts

verfasst von: P. Kraus, Prof. Dr. Dr. H.J. Winckelmann

Erschienen in: Die Urologie | Ausgabe 1/2013

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Zusammenfassung

Neben den örtlichen Chirurgen operierten in Ulm auch fahrende Steinschneider, also Wundärzte, die von Stadt zu Stadt zogen. Von überregionaler medizinhistorischer Bedeutung war der Ulmer Stadtphysikus Johannes Scultetus (1595-1645), der mit seinem posthum erschienenem Werk „Wundartzneyisches Zeughauß“ einen Meilenstein der chirurgischen Literatur setzte und darin auch den Steinschnitt beschrieb. Im 19. Jahrhundert galt Ulm als Endemiegebiet der Urolithiasis – und einige Ärzte aus dem Ulmer Raum zählten zu den erfahrensten Steinschneidern. Am Ende der Ulmer Steinschnittgeschichte stehen verschiedene Ärzte der Familie Palm, worunter Johannes Palm besondere Beachtung verdient. Die im 19. Jahrhundert üblichen Methoden des Steinschnittes unterscheiden sich in erster Linie durch ihren Zugang zur Blase. An die alten Steinschneider erinnert heute nur die klassische Steinschnittlagerung im Operationssaal.
Fußnoten
1
Exemplarisch sei hier Johann Andreas Eisenbarth (1663–1727) aufgeführt, der entgegen dem (Spott-) Lied „Ich bin der Doktor Eisenbart“ ein überdurchschnittlich guter – und höchst erfolgreicher – Arzt und auch Steinschneider war.
 
2
Stadtarchiv Ulm A 3531, Nr 8 folio 147 v[erso].
 
3
Stadtarchiv Ulm G1 1750 3 S. 754f.
 
4
Stadtarchiv Ulm G 1 1750 3 S. 755.
 
5
Von diesem lateralen Zugang rührt der Name Seitensteinschnitt her. Er löste ab dem 18. Jahrhundert die Methode nach Celsus mit medianen Schnitt ab (vgl. Abb. 1).
 
6
Dieser Zugang setzt heutige Urologen „nicht wenig in Erstaunen: Eine Inzision der Blasenwand, der Prostata und der Urethra membranacea (Sphinkternähe!) durch die vordere Rektumwand hindurch mit Spaltung des Sphincter ani(!); dies alles wirkt auf uns fast wie ein Alptraum“ [2].
 
7
Man beachte, dass Johannes Palm und der Großteil der Steinschneider seiner Generation sogar den transrektalen Zugang zur Blase der Lithotripsie vorzogen.
 
8
Jean Civiale (1792–1867), erste erfolgreiche Lithotripsie 1824.
 
9
Wilhelm Palm führte in den 1870iger Jahren einen 5 h (!) dauernden Steinschnitt durch. Die lange Dauer erklärt sich aus der Tatsache, dass „der Stein […] wie eingemauert war. […] Zum Glück war ein Schreiner in dem Dörfchen, dessen Werkstatt Hammer und Stechmeißel entlehnt werden konnten. Und nun ging es an ein regelmäßiges Steinmeißeln, -schlagen und –brechen. […] Die Steintrümmer wogen […] 2.700 g, einige weitere 100 g dürften während der Operation verloren gegangen sein“ [6].
 
Literatur
1.
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Metadaten
Titel
Der Ulmer Steinschneider Johannes Palm und seine Familie
Am Höhepunkt der Steinschnittkunst: ein Beitrag zur Urologie des 19. Jahrhunderts
verfasst von
P. Kraus
Prof. Dr. Dr. H.J. Winckelmann
Publikationsdatum
01.01.2013
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Die Urologie / Ausgabe 1/2013
Print ISSN: 2731-7064
Elektronische ISSN: 2731-7072
DOI
https://doi.org/10.1007/s00120-012-2996-1

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