Macht Liquid Biopsy die Bildgebung bald überflüssig?

Mit Liquid Biopsy (Flüssigbiopsie) hat ein neues Zeitalter der Diagnostik begonnen. Auf welchem Stand das Verfahren ist und ob es die herkömmliche Bildgebung zukünftig überflüssig macht, erläutert der Molekularbiologe Prof. Dr. Edgar Dahl. Das „Stethoskop für die nächsten 200 Jahre“ hat Eric Topol, Professor für Genomik am Scripps Research Institute in Kalifornien, die Flüssigbiopsie (Liquid Biopsy) genannt, von „Game-Changer“ sprach Victor Velculescu, Professor für Onkologe an der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland. Auch Pathologen und Molekularbiologen sind vom künftigen Potenzial dieser Methoden längst überzeugt. Weltweit werden Milliarden US-Dollar in diese Forschung gesteckt. Der Flüssigbiopsie-Boom ist vor allem Technologie-getrieben mit Methoden wie digitale PCR (Polymerasekettenreation), Next Generation Sequencing (NGS) und Einzelzellanalyse. Verstanden wird unter „Flüssigbiopsie“ die Analyse von im Blut zirkulierenden Tumorzellen, von etwa 100 nm großen Exosomen, die informationstragende Tumorzellbestandteile enthalten, sowie vor allem von zellfreier DNA (cfDNA). Zellfreie DNA, die aus apoptotischen oder nekrotischen Tumorzellen stammt, wird als ctDNA bezeichnet. „Die Mengen der diagnostisch relevanten Analyte zur Gewinnung der DNA sind sehr gering“, erläuterte Prof. Dr. Edgar Dahl, Molekularbiologe am Institut für Pathologie der Uniklinik RWTH Aachen. 20 bis 100 ng zellfreie DNA hat jeder Mensch pro Milliliter Blut, bei Krebskranken ist ein Teil davon ctDNA. Um diese finden zu können brauche man „extrem sensitive Methoden“, sagte Dahl. ctDNA-Menge im Blut schwankt erheblich Künftig möchte man mit Hilfe von Hochdurchsatz-Analysen tumorspezifische Alterationen identifizieren und für die Krebsfrüherkennung nutzen. Da meist nur drei bis vier Milliliter Blut erforderlich sind, könnte dies, so die Hoffnung, die Compliance in der Bevölkerung für Krebsfrüherkennungsuntersuchungen deutlich erhöhen. Doch soweit ist die Wissenschaft noch nicht. Aus bislang unbekannten Gründen schwankt zum Beispiel die Menge von ctDNA selbst in großen, homogenen Kolorektalkarzinom-Kollektiven um das 1000- bis 10.000-Fache. Bei metastasierten Nieren- oder Prostatakrebs ist in teils weniger als der Hälfte der Patienten mutierte ctDNA nachweisbar. In 30% der Proben von Lungenkarzinom-Patienten findet sich keine einzige Treibermutation. Statt Einzelmarkeranalysen möchte man für die Krebsfrüherkennung ganze Paletten genetischer Marker prüfen, um zum Beispiel acht wichtige Tumorentitäten abzudecken. Bislang waren entsprechende Tests noch nicht sensitiv genug. Amazon-Chef Jeff Bezos und Microsoft-Gründer Bill Gates unterstützen die Wissenschaftsinitiative GRAIL mit riesigen Longitudinal-Studien, in die 165.000 Probanden eingeschlossen werden sollen, um Fortschritte auf diesem Gebiet zu erzielen. Vor einem Jahr waren beim amerikanischen Krebskongress ASCO vielversprechende Ergebnisse der Initiative zur Früherkennung von Lungenkarzinomen mit einer Spezifität von 98% und einer Sensitivität von 89% für die Studien IIIB-IV vorgestellt worden. „Hingegen scheint die Früherkennung des Mammakarzinoms besonders schwierig zu sein“, erklärte Dahl. Geeignet ist die Flüssigbiopsie auch zur Verlaufsbeobachtung bekannter Krebserkrankungen. So ließ sich in einer Studie ein Brustkrebsrezidiv im Mittel acht Monate früher vorhersagen als mit bildgebenden Verfahren. Kombination von Biodatenbanken Dahl geht davon aus, dass künftig Imaging-Biodatenbanken mit Gewebe-/Liquid-Biodatenbanken verknüpft werden, um möglichst wenig invasive, synergistische Tests für das Screening, die Diagnostik und Verlaufskontrolle zu entwickeln. Vor allem die ctDNA-Diagnostik verfüge über ein großes Potenzial, die herkömmliche Diagnostik zu ergänzen. „Von den drei derzeitigen Hauptanwendungsbereichen der Liquid Biopsy - Therapiestratifizierung, Monitoring, Screening - ist die blutbasierte Früherkennung am weitesten von der Anwendung entfernt.“ basierend auf: 100. Deutscher Röntgenkongress, 29. Mai – 1. Juni 2019 in Leipzig 13.06.2019 | Deutscher Röntgenkongress 2019 | Kongressbericht | Online-Artikel Ganzkörper-MRT: Screening-Werkzeug zur Prävention? 12.06.2019 | Deutscher Röntgenkongress 2019 | Kongressbericht | Online-Artikel Macht Liquid Biopsy die Bildgebung bald überflüssig? 11.06.2019 | Deutscher Röntgenkongress 2019 | Kongressbericht | Online-Artikel Notfall-CT: Heterogene Praxis in Deutschland 11.06.2019 | Deutscher Röntgenkongress 2019 | Kongressbericht | Online-Artikel Intraossäre Kontrastmittelgabe bei Notfall-CT möglich 11.06.2019 | Deutscher Röntgenkongress 2019 | Kongressbericht | Online-Artikel Exotische Befunde in der Bildgebung 11.06.2019 | Deutscher Röntgenkongress 2019 | Kongressbericht | Online-Artikel Künstliche Intelligenz: Revolution oder Konkurrenz für den Radiologen? 07.06.2019 | Deutscher Röntgenkongress 2019 | Kongressbericht | Online-Artikel Warnung: Selbst kleine Pankreaszysten verändern sich – lebenslang Alle Kongressberichte vom Deutschen Röntgenkongress der letzten Jahre finden Sie in unserem Dossier zum Deutschen Röntgenkongress.

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Macht Liquid Biopsy die Bildgebung bald überflüssig?

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Radiologie

Fünf Dinge, die im Kindernotfall besser zu unterlassen sind

Wie toxische Männlichkeit der Gesundheit von Männern schadet

Studie bestätigt Potenzial von KI in der Radiologie

Quantitative Angiografie könnte IVUS-Alternative darstellen

Update Radiologie