Individualisierte Chirurgie bei Darmkrebs: Wann zählen Genmarker?

Im Tumorboard werden Chirurgen mit vielen molekularen Markern konfrontiert, die beim kolorektalen Karzinom (CRC) für Prognose und Chemotherapie von Bedeutung sind. Doch hat das Auswirkungen auf das chirurgische Vorgehen? „Die Antwort ist ein klares Jein“, meinte Dr. Stefan Fichtner-Feigl, ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg. Einen klaren Einfluss auf die chirurgische Therapie haben beispielsweise APC-Mutationen bei familiärer adenomatöser Polyposis. Laut Fichtner-Feigl sei dann nicht nur das tumorragende Segment zu entfernen, sondern auch eine Proktokolektomie und eine Mukosektomie durchzuführen und – für den Funktionserhalt seiner Ansicht nach die günstigste Variante – eine ileoanale Pouch-Anastomose anzulegen. Diese Fälle seien aber selten und sollten eigentlich aufgrund der endoskopischen Überwachungsstrategien kaum noch zu sehen sein. K-RAS- und BRAF-Mutationen Andere Marker sind prognostisch hochrelevant und definieren das Ansprechen auf eine Chemotherapie, beeinflussen die Operationsstrategie aber in der Regel nicht. So finden sich bei 30 bis 45% der CRC aktivierende K-RAS-Mutationen und bei 5 bis 15% aktivierende BRAF-Mutationen, wobei beide kaum gemeinsam auftreten. Der Nachweis einer RAS-Mutation ermöglicht eine entsprechende zielgerichtete systemische Therapie. Das kann in der neoadjuvanten Therapie, z.B. bei irresektablen synchronen Lebermetastasen genutzt werden, um die Metastasen einer chirurgischen Therapie zugänglich zu machen. Beim Primarius selbst gibt es je nach Lokalisation Unterschiede. „Insbesondere im linksseitigen Hemikolon ist das Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Antikörpertherapie deutlich besser, beim rechtsseitigen sollte man das dagegen unterlassen“, erläuterte Fichtner-Feigl. Die BRAFV600E-Mutation ist ein unabhängiger ungünstiger prognostischer Faktor beim CRC, insbesondere, wenn es sich um mikrosatellitenstabile Tumore (MSS) im distalen Kolon handelt. Dagegen gleicht der günstige prognostische Effekt einer Mikrosatelliteninstabilität (MSI) in etwa den ungünstigen Effekt dieser BRAF-Mutation aus. Mikrosatellitenstabilität testen Die MSS bzw. MSI ist immer zu testen, betonte Fichtner-Feigl. Bei 80% handelt es sich dabei um ein epigenetisches Silencing von DNA-Mismatch-Repair-Genen, bei 20% um eine Keimbahnmutation von Mismatch-Repair-Genen – das Lynch-Syndrom. MSI-Tumore haben eine bessere Prognose als MSS-Tumore, insbesondere im rechtseitigen Kolon. Es reduziert sich dadurch aber auch das Ansprechen auf 5-Fluorouracil (5-FU), während zum Ansprechen auf moderne Kombinations-Chemotherapien noch Daten guter Evidenz fehlen. MSS bzw. MSI sind auch relevant bei Kolonkarzinomen des Stadiums II: Bei MSI kann von einem Niedrigrisiko-Tumor ausgegangen werden, der keine adjuvante Chemotherapie, sondern nur eine Überwachung als Nachsorgestrategie bedeutet, so Fichtner-Feigl. Dagegen muss man bei MSS von einem aggressiveren Tumor ausgehen und je nach weiteren Markern(z.B. pT3 oder pT4 oder Genexpressionssignatur) über die adjuvante Chemotherapie entscheiden. CIMP-Relevanz noch unklar Auch der CpG Island Methylator Phänotyp (CIMP) weist auf eine „Sidedness“ hin, also auf Unterschiede von Tumoren im rechts- und linksseitigen Kolon hin, erklärte Fichtner-Feigl. CpG-Inseln in Promotorregionen führen über eine Methylierung zum Abschalten von Protoonkogenen oder Supressorgenen. Im proximalen Kolon sind 30% bis 40% der Tumoren CIMP-positiv, im distalen Kolon und Rektum nur 5% bis 15%. Bisher ist das aber noch kein prognostischer Marker für Überleben und Therapieansprechen. Das Next Generation Sequencing eröffnet immer weitere Möglichkeiten der molekularen Charakterisierung von Tumoren, ist aber derzeit nichts für die Routine, betonte Fichtner-Feigl. Und für die Chirurgie stellte er fest: Grundvoraussetzung für ein gutes onkologisches Ergebnis ist und bleibt primär die perfekte onkologische Chirurgie. Basierend auf: Symposium: Aktuelle Fragen zum Kolon- und Rektum-Karzinom am 21. März 2017. 134. Kongress Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, 21.-24. März 2017 in München

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