Der nephrologische Blick auf die Intensivmedizin

Adäquate Strategien bei Überwässerung und praktische Probleme beim Einsatz von Albumin waren zentrale intensivmedizinischen Aspekte auf dem DGfN-Kongress 2021. Blockiertes Albumin Prof. Dr. med. Steffen Mitzner (Uniklinik Rostock) verweist darauf, dass beim fortgeschrittenen Nierenversagen selbst Furosemid seine Wirkung verliert. Wie andere Medikamente auch, gelangt das Diuretikum nur über die Transportkapazität des Albumins an den Wirkort. Doch in der Urämie blockieren die Retensionstoxine bereits dessen Bindestellen. Eine Situation in der Albumin substituiert werden sollte. Doch für diese Indikation fehlt bisher ein valider Laborparameter. Erste Studien zeigen, das die 3-carboxy-4-methyl-5-propyl-2-furanpropanoic acid (CMPF) im Serum aufgrund theoretischer Überlegungen ein solcher Biomarker zur Quantifizierung der freie Albumintransportkapazität sein könnte (1). Seine klinische Evaluierung steht allerdings noch aus. Sinnlose Albuminkonzentrate Intensivmediziner geben in dieser Situation gerne Albuminkonzentrate, unter der Vorstellung, die freie Bindungskapazität für Medikamente zu steigern. Diese Idee scheitert meist in der Realität, so Mitzner. Um die Konzentrate haltbar zu machen, werden Konservierungsmittel und Stabilisatoren zugesetzt. Doch die verhalten sich genauso wie Medikamente und blockieren die Transportkapazität des Albumins, gibt Mitzner, zu bedenken (2). Das ist für ihn der Grund, warum die Gabe von Albuminkonzentraten bei dieser Indikation bis heute in ihrer Wirksamkeit nicht belegt ist. Gefrierplasma als Albuminersatz Die klinische Alternative zum Albuminkonzentrat, ist für Mitzner der Einsatz von Fresh Frozen Plasma (FFP). Da die FFPs durch Kühlung haltbar gemacht werden, sind keine Konservierungsmittel notwendig. Zu bedenken sei aber, dass der Albumingehalt pro FFP relativ gering ist. Zusätzlich kommt es so zu einer Volumenbelastung für den Patienten. Ein Aspekt, der in der Intensivmedizin zunehmend kritisch gesehen wird. Gefährliche Volumenüberlastung In punkto Volumentherapie in der Intensivmedizin deutet sich ein Paradigmenwechsel an. Nicht selten wird im intensivmedizinischem Alltag eine Zunahme des Körperwassers um 10-20 Liter toleriert, bevor die Indikation zur Dialyse gestellt wird, berichtet Prof. Dr. med. Philipp Kümpers (Uniklinik Münster). Angesichts der aktuellen Datenlage sei diese Praxis nicht mehr vertretbar. Richtungsweisend ist für ihn die DoReMIFA-Studie (n= 1743, ITS-Patienten), die klare Daten lieferte: Jedes Prozent der maximal gemessenen Flüssigkeitsüberladung (MOF) potenziert per se das kurzzeitige Mortalitätsrisiko um 4% (1,04 adjustierte OR) (3). Fakten, die für den frühzeitigen Einsatz der Dialyse sprechen, so Kümpers. Beatmung und Volumentherapie Die Volumenüberladung verzögert zudem bei Beatmungspatienten eine angestrebte Extubation, gibt Kümpers zu bedenken. Richtungsweisend sei hier der FACT-Trial (4). Dialysepflichtige die »trocken gefahren wurden« konnten deutlich schneller extubiert werden. Eine Subanalyse fand für Betroffene mit akutem Nierenversagen einen eklatanten Zusammenhang zwischen Volumenüberladung und Kurzzeitmortalität. Jeden täglich akkumulierten Liter an Volumenexzess steigerte das Mortalitätsrisiko (60 Tage) in der Größenordnung von 60% (OR 1,6/Liter). Fokus auf Bilanzierung Die Flüssigkeitsbilanz ist in der Intensivmedizin zu sehr in den Hintergrund getreten. Das muss sich ändern, konstatiert Hagmann. Die aktuelle Datenlage bestätigt, dass nicht nur die Vermeidung einer Volumenüberladung, sondern auch die Genauigkeit der Bilanz das Mortalitätsrisiko beeinflussen. Für die Praxis wichtig hält er die Störfaktoren im Auge zu behalten, die einer exakten Bilanzierung im Wege stehen. Probleme gehen zwar auch von der Patientensituation aus (SOFA-Score). Und die Bilanz wird unübersichtlicher, je länger die Betroffenen an der Dialyse sind. Letztendlich ist für ihn aber der Faktor Mensch das zentrale Problem. Umfragen belegen, das nur 20 % der Intensivmediziner die genaue Bilanzierung ihrer Patienten als Handlungsziel definieren. Die Dialyse wird erst dann eingesetzt, wenn sich der klinische Zustand verschlechtert. Doch das sei eindeutig das falsche Kriterium, gibt der Münsteraner Nephrologe zu bedenken. Die Dialyse sei bereits im Anfangsstadium einer Volumenüberladung indiziert. Literatur 1.) SAKAI, Toshiaki, Akira Takadate, and Masaki Otagiri. "Characterization of binding site of uremic toxins on human serum albumin." Biological and Pharmaceutical Bulletin 18.12 (1995): 1755-1761. 2.) Klammt, S., et al. "Albumin binding capacity (ABiC) is reduced in commercially available human serum albumin preparations with stabilizers." Zeitschrift für Gastroenterologie 39.S 2 (2001): 24-27. 3.) Garzotto, F., et al. "The dose response multicentre investigation on fluid assessment (DoReMIFA) in critically ill patients." Critical care 20.1 (2016): 1-14. 4.) Liu, Kathleen D., and Michael A. Matthay. "Advances in critical care for the nephrologist: acute lung injury/ARDS." Clinical Journal of the American Society of Nephrology 3.2 (2008): 578-586. Mehr vom Nephrologie 2021-Kongress finden Sie in unserem Kongressdossier. Quelle: 13. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie 23.–26. September 2021, Rostock, Veranstaltung: Intensivnephrologie/AKI.

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