Dialyse und Diabetes mellitus Typ 2: off-label-use und therapeutische Unsicherheiten

Die Behandlung von Dialysepatienten mit Typ-2-Diabetes ist komplex und erfordert maßgeschneiderte Therapieansätze. Trotz vielversprechender Daten fehlen belastbare Evidenzen und klare Therapieziele. Dialysepatienten mit Typ-2-Diabetes stellen Nephrologen vor besondere Herausforderungen, erklärt Prof. Dr. med. Carsten A. Böger (Traunstein) auf der 16. Jahrestagung der DGfN in Berlin. Er betont, dass kardiovaskuläre und renale Endpunkte stärker in die Therapie integriert werden müssen. „Herz und Niere bilden ein Organtandem, das wir gleichzeitig behandeln sollten“, so Böger. Unzuverlässiges HbA1c Böger unterstreicht die Notwendigkeit eines individuell festgelegten HbA1c-Ziels, besonders bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz (GFR < 15 ml/min/1,73 m²) oder unter Dialyse. In diesen Fällen sei die HbA1c-Messung oft ungenau [1]. Daher empfiehlt er den vermehrten Einsatz von kontinuierlichen Glukose-Monitoring-Systemen (CGM). Obwohl deren Endpunktrelevanz bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion noch unzureichend untersucht ist, könnten sie eine bessere Beurteilung der glykämischen Kontrolle ermöglichen. Insgesamt bleibt die Datenlage zur glykämischen Situation bei Dialysepatienten unbefriedigend. Medikamentöse Optionen und kardiovaskuläre Risiken Während GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT-2-Inhibitoren bei Patienten mit normaler oder leicht eingeschränkter GFR gut untersucht und teilweise zugelassen sind, herrscht bei terminaler Niereninsuffizienz und Dialyse Unsicherheit. Böger weist darauf hin, dass nur Tirzepatid als GLP-1-Rezeptoragonist für Dialysepatienten zugelassen ist, während für andere Medikamente dieser Substanzklasse und für alle SGLT-2-Inhibitoren keine Zulassung besteht. Auch Metformin ist ab einer GFR < 30 ml/min/1,73 m² kontraindiziert. Positive Daten – dennoch off-label Eine retrospektive Analyse an 771 Dialysepatienten zeigte, dass SGLT-2-Inhibitoren die Mortalität und kardiovaskulären Ereignisse signifikant senken [2]. Das Mortalitätsrisiko wurde in dieser Gruppe halbiert (aHR 0,49). Trotz dieser positiven Datenlage bleibt der Einsatz von SGLT-2-Inhibitoren sowie anderen GLP-1-Rezeptoragonisten off-label und somit rechtlich und therapeutisch unsicher. Es fehlt weiterhin an belastbaren Daten für Dialysepatienten. „Wir wissen nicht, welche Medikamente unseren Dialysepatienten tatsächlich kardiovaskuläre Vorteile bieten“, fasst Böger die Problematik zusammen. Unklare Leitlinienempfehlungen Die American Diabetes Association (ADA) empfiehlt prinzipiell GLP-1-Rezeptoragonisten zur Blutzuckersenkung und zum kardiovaskulären Schutz auch bei Patienten mit niedrigerer GFR, weist jedoch auf eine mögliche Dosisanpassung hin [3]. Diese Empfehlung basiert jedoch auf einer narrativen Übersichtsarbeit, die keine Endpunktstudien enthält, kritisiert Böger. Trotzdem wurde diese Empfehlung auch von der KDIGO übernommen. Die schwache Datenlage ist besonders bedauerlich, da GLP-1-Rezeptoragonisten unter dem Aspekt der Gewichtsreduktion eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung von Dialysepatienten auf eine Transplantation spielen, erklärt der Traunsteiner Nephrologe Böger. Empfehlung der Redaktion DGfN 2024 Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie 2024 Unter dem Motto "Neue Nephrologie" diskutierten die Teilnehmenden der 16. Jahrestagung der DGfN in Berlin Innovationen in der Diagnostik und Therapie nephrologischer Erkrankungen. Ob Möglichkeiten, die Nieren vor ihrem Funktionsverlust zu schützen, Nierenersatzverfahren oder Infektionskrankheiten – die Themen waren vielseitig. Unsere Highlights vom Nephrologie-Kongress 2024 finden Sie hier im Kongressdossier. basierend auf: Diabetes – Komplikationen, Referat: Diabetes und Dialyse: was ist zu beachten? Prof. Dr. med. Carsten A. Böger (Traunstein) / Nephrologie-Kongress (16. Jahrestagung der DGfN), 27. bis 29.9.2024, Berlin

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