Wie viel Überwachungstechnik gehört in den Kreißsaal?

Sind computergestützte Analysesysteme die Zukunft? Das ist mangels aktueller Daten aus prospektiven Studien schwer zu beurteilen. Doch die technologische Machbarkeit schreitet schnell voran. „Der intrapartale Fetaltod ist aus vielen Teilen Europas fast verschwunden“, berichtet Prof. Diogo Ayres-de-Campos, Gynäkologie und Geburtshilfe, Uni Lissabon. In Regionen mit hohem medizinischen Qualitätsstandard liege die Rate bei etwa 3-4/10.000 Lebendgeburten. An einigen Zentren habe man, so Ayres-de-Campos, auch einen Rückgang fetaler Hypoxien und hypoxisch-ischämischer Enzephalopathien festgestellt. Bei normal entwickelten, zeitgerecht entbundenen Föten könne man heute erwarten, dass sie lebend auf die Welt kommen. Augen zu ist keine Lösung Wer peripartale Überwachungsstrategien bewerten will, stößt Ayres-de-Campos zufolge auf das Problem, dass die randomisiert-kontrollierten Studien, die die CTG (Kardiotokografie) mit intermittierender Auskultation verglichen haben, mindestens ein Vierteljahrhundert alt sind. Es sei schwer zu beurteilen, wie die Ergebnisse dieser Studien zur heutigen klinischen Praxis ins Verhältnis zu setzen sind. „Die Lösung kann aber nicht sein, Geburtshelfenden Informationen vorzuenthalten, um übermäßige Intervention zu vermeiden“, warnt Ayres-de-Campos. Es sei vielmehr notwendig, die Registrierung und Analyse sicherheitsrelevanter Parameter sowie das daran orientierte Komplikationsmanagement weiter zu verbessern. Zusatzableitungen und zentrale Überwachung Ayres-de-Campos deklarierte als Interessenkonflikt, dass er als Entwickler eines computergestützten CTG-Analysesystems Lizenzgebühren bezieht und beratend für eine Firma tätig war, die solche Systeme vertreibt. Ein besonders wichtiges Ziel ist es laut Ayres-de-Campos, über den gesamten Geburtsverlauf eine gute CTG-Signalqualität zu gewährleisten. Transabdominale EKG- und Elektromyografie-Ableitungen sieht er als viel versprechende Hilfsmittel für die nicht-invasive CTG. Die vor kurzem von der WHO herausgegebenen Konsensusempfehlungen bewertet Ayres-de-Campos als hilfreichen Ansatz, die Interpretation von Komplikationszeichen zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Zentrale Überwachungseinheiten, bei denen das CTG-Signal in jedem Raum der Entbindungsstation auf einem Monitor sichtbar ist, erhöht nach Ayres-de-Campos’ Einschätzung die Wahrscheinlichkeit, dass relevante Ereignisse bemerkt werden. Computerisierte Analysesysteme mit Echtzeitalarmfunktionen könnten dann notwendige Untersuchungen und Behandlungen auslösen. Regelmäßiges Training Ayres-de-Campos hält solche Überwachungstechnologien für geeignet, um Unsicherheiten bei der Erkennung pathologischer Signalmuster und bei der Entscheidungsfindung zu überwinden. Schließlich könnten viele Komplikationen in der Geburtshilfe durch angemessenes Handeln vermieden werden. Um die dafür notwendige Kompetenz aufrechtzuerhalten, sei ein regelmäßiges Training aller Geburtshelfenden – besonders in Bezug auf seltene Komplikationen – notwendig. Basierend auf: Wissenschaftliche Sitzung: „Peripartale Überwachung“, 62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Berlin, 31.10 bis 3.11.2018 Empfehlung der Redaktion Kongress DGGG 2018 Alle Berichte von dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) 2018 finden Sie in diesem Dossier. Ein Highlight in diesem Jahr war das Thema "Psychosomatik in der Geburtshilfe". Dabei wurden neben der Rolle werdender Väter im Kreißsaal und Konzepten zur Nachbesprechung der Geburt auch die Ängste und Traumatisierungen der Geburtshelfer selbst in den Mittelpunkt gerückt.

Springer Medizin

Wie viel Überwachungstechnik gehört in den Kreißsaal?

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Gynäkologie und Geburtshilfe

ICI-Therapie in der Schwangerschaft wird gut toleriert

Weniger postpartale Depressionen nach Esketamin-Einmalgabe

Bei RSV-Impfung vor 60. Lebensjahr über Off-Label-Gebrauch aufklären!

Harnwegsinfektprophylaxe: Es geht auch ohne Antibiotika

Update Gynäkologie