Ärztlich-assistierter Suizid: Eine individuelle Gewissensentscheidung

Suizidhilfe ist keine ärztliche Aufgabe, jedoch eine rechtlich zulässige Tätigkeit. Wie Ärztinnen und Ärzte dem Wunsch nach assistiertem Suizid entsprechen können, erläuterte der Medizinethiker Prof. Alfred Simon aus Göttingen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) vom Februar 2020, dass das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig ist, beschäftigt auch die Ärzteschaft. Wichtig war es Prof. Alfred Simon, Leiter der Akademie für Ethik in der Medizin e.V. aus Göttingen, zu betonen, dass kein Arzt und keine Ärztin zur Suizidhilfe verpflichtet werden kann. Wie aber können Ärzte dem Wunsch entsprechen, wenn sie um einen assistierten Suizid gebeten werden und sie die Entscheidung des Patienten nachvollziehen können? In anderen Ländern, in denen es eine geregelte Praxis der Suizidhilfe gibt, wird den Patientinnen und Patienten ein Barbiturat verschrieben. Noch ist unklar, ob dies auch in Deutschland möglich ist, da die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) berücksichtigt werden müssen. „Ärzte, die ein Barbiturat zum Zweck der Selbsttötung verschreiben, laufen aktuell Gefahr, wegen eines Verstoßes gegen das BtMG ein Verfahren zu bekommen“, gab Simon zu bedenken. Wie verhält sich die Ärzteschaft gegenüber diesen Fragen? Lange galt bei der Bundesärztekammer der Grundsatz: „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe.“ Im Jahr 2011 kam eine (Muster-)Berufsordnung heraus, die besagte, dass Ärztinnen und Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen. Im Mai 2021 beschloss der Deutsche Ärztetag jedoch vor dem Hintergrund des Urteils des BVG, diesen Satz zu streichen. Das berufsrechtliche Verbot sei verfassungsmäßig nicht haltbar. Gerade seit dem Urteil des BVG werden Ärztinnen und Ärzte vermehrt mit Wünschen zum assistierten Suizid konfrontiert. Deshalb ist es wichtig, auch unabhängig von einer gesetzlichen Regelung – die noch aussteht – zu entscheiden, wie mit einem solchen Wunsch umzugehen ist. Die Bundesärztekammer hat dazu im Deutschen Ärzteblatt Empfehlungen abgegeben und zunächst einmal definiert, was ärztliche Aufgaben sind. Dazu gehören zum einen vertrauensvolle Gespräche über Suizid- und Todeswünsche. „Wenn man den Patienten mit seinem Wunsch nicht ernst nimmt, dann drängt man ihn ja erst recht zu diesem Schritt“, sagte Simon. Anlass, Motive und Hintergründe für den Wunsch zu sterben sollten herausgefunden werden. Zum anderen wird empfohlen, auch auf mögliche Alternativen, wie psychotherapeutische oder palliative Angebote, einzugehen. Bin ich grundsätzlich dazu bereit? Die eigentliche Mitwirkung an einer Selbsttötung könnte etwa beinhalten, eine konkrete Anleitung zum Suizid weiterzugeben, eine Suizidhilfeorganisation zu vermitteln, ein Medikament zu verordnen beziehungsweise zu überlassen oder ein Gutachten für eine Sterbeorganisation zu verfassen. Jeder Arzt müsse sich fragen: Bin ich grundsätzlich dazu bereit? Falls ja: Nur bei meinen Patienten, die ich schon längere Zeit kenne? Nur im Falle schwerer, infauster Erkrankungen? Welche Art von Suizidhilfe würde ich leisten? „Ich persönlich begrüße die Entscheidung des BVG. Es hat deutlich gemacht, was es heißt, wenn wir das Selbstbestimmungsrecht des Menschen ernst nehmen“, erklärte Simon. „Ärztlich-assistierter Suizid ist eine individuelle Gewissensentscheidung, die keiner berufsrechtlichen Einschränkung unterliegen sollte.“ Empfehlung der Redaktion DGHO 2021 – das Kongressdossier Auf der Jahrestagung der deutschsprachigen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie 2021 ging es einerseits um die großen Fragen der Onkologie. Andererseits auch um spezifische Fragestellungen. Neben der Debatte über angemessene Molekulardiagnostik wurde auch über ärztlich assistierten Suizid gesprochen. Im Dossier finden Sie unsere gesammelten Highlights vom Kongress. basierend auf: Session Der assistierte Suizid: eine ärztliche Aufgabe?, DGHO-Jahrestagung 2021, 1.-4.10.2021; Session

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