Akute Pankreatitis: Entscheidend ist die Prognose

In der S3-Leitlinie zur Pankreatitis [1] sind die Empfehlungen zur akuten Pankreatitis gegenüber der Vorgängerversion deutlich erweitert worden. Je nach voraussichtlicher Prognose ist die Therapie stationär heimatnah möglich oder sollte in einem spezialisierten Pankreas-Zentrum erfolgen. Nach der Atlanta-Klassifikation werden akute Pankreatitiden nach den Parametern Organversagen, lokale und systemische Komplikationen und Letalität in mild, moderat oder schwer eingeteilt. Diese Klassifikation ist aber erst im Nachhinein möglich und hilft bei der prognostischen Einordnung von Patientinnen oder Patienten, die sich mit akuter Pankreatitis vorstellen, nicht, erklärte Dr. Georg Beyer, Erstautor der Leitlinie von der Medizinische Klinik und Poliklinik II der Ludwig-Maximilians-Universität München, anlässlich des Internistenkongresses 2022. Prognose abschätzen Die Leitlinie nennt als prognostisch wichtige Faktoren Alter und Komorbiditäten sowie die SIRS-Kriterien und Laborparameter wie C-reaktives Protein (CRP) und Harnstoff [2]. Ein SIRS (Abkürzung für engl. Systemic Inflammatory Response Syndrome) hat eine besonders große Bedeutung, sagte Beyer. Es liegt vor, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien zutreffen: Körpertemperatur > 38 °C oder 90 Schläge pro Minute, Atemfrequenz ≥ 20 Atemzüge/Minute oder CO2-Partialdruck von 10 % unreife Leukozyten Bei einem SIRS bei Aufnahme des Patienten/der Patientin ins Krankenhaus ist mit einer Sensitivität von 85-100% von einem schweren Verlauf auszugehen, ein SIRS über mehr als 48 Stunden prädiziert einen schweren Verlauf mit einer Genauigkeit von 76-100%. Ist ein schwerer Verlauf wahrscheinlich und/oder tritt Organversagen auf, empfiehlt die S3-Leitlinie die Verlegung des Betroffenen in ein spezialisiertes Zentrum. In Studien war das Volumen eines Zentrums mit der Krankenhausmortalität assoziiert, betonte Beyer [2] Initiale Volumentherapie Die kontrollierte Volumentherapie soll initial vorwiegend mit Ringer-Laktat-Lösung erfolgen. Empfohlen wird in Abhängigkeit von der Komorbidität ein Volumen von etwa 200 – 250 ml/Stunde für maximal 24 Stunden. Beyer betonte, dass die Volumengabe immer unter Überwachung und Reevaluation erfolgen sollte. Sie muss die klinischen Ziele wie Blutdruck, Herzfrequenz, Diurese und Sauerstoffbedarf/Atemfrequenz gleichermaßen berücksichtigen. Ernährung früh oral oder enteral Im Gegensatz zu früheren Empfehlungen gilt jetzt, so früh wie möglich eine orale oder enterale Ernährung einzuleiten, erklärte Beyer. Bei milder Pankreatitis kann die orale Ernährung schon am ersten Krankenhaustag beginnen. Eine total parenterale Ernährung wird in dieser Situation explizit nicht empfohlen. Bei schwerem Verlauf soll laut Leitlinie zumindest so früh wie möglich mit der enteralen Ernährung begonnen werden. Nach einer Metaanalyse reduziert der frühzeitige Beginn einer enteralen Ernährung Mortalität und Organversagen deutlich [3]. Nekrosen nicht gleich entfernen Eine neue Zurückhaltung gibt es laut Dr. Beyer bei infizierten (peri)pankreatischen Nekrosen, die bei 20-40% der schweren akuten Pankreatitiden auftreten. Das vorrangige Behandlungsziel ist dann die Prävention oder Kontrolle des Organversagens, nicht die Entfernung der Nekrose. Empfohlen wird das Verfahren mit der geringstmöglichen Invasivität. Ein stufenweiser Ansatz wäre, mit einer Antibiose zu beginnen, gefolgt von einer Ableitung mit kleinlumigem Katheter, dann großlumigem Katheter und erst als letzter Schritt kommt die Nekrosotomie zum Einsatz. In einer randomisierten Studie zeigte sich, dass bei diesem Vorgehen 39% der Patienten gar keine Intervention, sondern nur eine Antibiose benötigten [4]. basierend auf: 128. Kongress der DGIM vom 30. April – 3. Mai 2022 in Wiesbaden, Symposium: „Neue Leitlinien in der Gastroenterologie“ am 3. Mai 2022 Alle Beiträge vom DGIM-Kongress finden Sie im DGIM-Kongressdossier 2022.

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