Personalmangel gefährdet Intensivstationen

Es gibt in Deutschland nicht zu wenig Intensivbetten, sondern Fachpersonal, das diese betreibt. Ein bekanntes Problem, das dann aber in der Corona-Pandemie voll durchschlug. Die Belegung der Intensivstationen in den deutschen Krankenhäusern war eine Zeit lang ein viel beachteter Parameter bei der Beurteilung der Corona-Pandemie – und zur Ableitung von Schutzmaßnahmen. Unter welchen Bedingungen dies geschah und geschieht berichteten drei Fachleute beim BDI-Symposium „Intensivstationen in der Pandemie“ am Montag auf dem DGIM-Kongress. Professor Uwe Janssens, von 2019 bis 2020 Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), erinnerte dabei immer wieder an das Hauptproblem in den Kliniken: den Personalmangel. „Deutschland ist Weltmeister in Krankenhausbetten und Intensivbetten – wir haben die Betten, wir haben alles, aber es fehlt das Personal.“ Der Chefarzt am St. Antonius-Hospital Eschweiler verwies auf eine Erhebung bereits aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 bei der von knapp 2500 Intensivpflegekräften ein Drittel berichtete, in den kommenden zwei Jahren ihren Arbeitsanteil verringern zu wollen. Sogar 37 Prozent wollten den Beruf in den kommenden fünf Jahren verlassen. Bestehende Pläne missachtet Nach Janssens Ansicht hätte Deutschland weit besser auf die Pandemie vorbereitet sein können, denn seit 2012 hätten ausgearbeitete Katastrophenpläne vorgelegen. Umgesetzt worden sei davon jedoch nichts. Positiv hob er die Versorgungsstruktur in Hessen hervor, wo mit einem Krankenhausplanungsstab und der Einteilung in sechs Versorgungsgebieten mit jeweils einem koordinierenden Krankenhaus eine beispielhafte Struktur geschaffen worden sei. Lob spendete er auch dem Berliner Konzept „Save-Berlin@COVID-19“, bei dem Senatsverwaltung, Notfallkrankenhäuser, Universitätsmedizin und Krankengesellschaft ein Drei-Ebenen-Konzept für die Kliniken entwickelt hätten. Spott hingegen für die im Frühjahr 2020 errichtete „Corona-Klinik“ auf dem Messegelände der Hauptstadt. Abgesehen davon, dass dort kein einziger Patient behandelt worden sei – „mit welchem Personal hätte man diese Klinik betrieben?“ Janssens warb zudem für den Ausbau des DIVI-Intensivregisters zur Erfassung von Intensivbettenkapazitäten und Patientenzahlen dort. „Das ist das einzige robuste Register, wir haben keine anderen Daten.“ Schwierige Triage Dr. Stephanie Stecher vom LMU-Klinikum in München stellte die Herausforderungen der Triage während der Pandemie vor. Eine Intensivtherapie sei nicht indiziert, wenn der Sterbeprozess unaufhaltsam begonnen habe, die Therapie als medizinisch aussichtslos eingeschätzt werde, weil keine Besserung oder Stabilisierung zu erwarten sein oder ein Überleben an den dauerhaften Aufenthalt auf der Intensivstation gebunden wäre. Die Priorisierung müsse zudem immer alle Patienten einschließen, die der Intensivbehandlung bedürften. Nicht vertretbar sei eine Bevorzugung nur innerhalb der COVID-19-Patienten oder aufgrund Alter, sozialer Merkmale, Grunderkrankungen oder des Impfstatus gegen SARS-CoV-2. Die Entscheidung sollte im Mehraugenprinzip erfolgen, also mindestens zwei intensivmedizinisch erfahrener Ärzte, möglichst einem Vertreter seitens der Pflegekräfte und gegebenenfalls klinischen Ethikern. Reformvorschläge für Intensivmedizin Professor Reimer Riessen vom Universitätsklinikum Tübingen stellte aus der Betrachtung von Organisation und Finanzierung der Intensivmedizin kommend konkrete Reformvorschlägen für Selbige vor. So bedürfe es einer Neudefinition von dreistufigen Strukturkriterien für Intensivstationen im Zuge einer Reform der Krankenhausplanung und -finanzierung sowie eine Anbindung an die drei Versorgungsstufen der Notfallmedizin (Basis-Versorgung, Erweiterte sowie Umfassende Versorgung). Zusätzlich bedürfe es neuer Instrumente zur Erfassung des Personalbedarfs, der Zahl der benötigten Behandlungsplätze und zur Darstellung der Vorhaltekosten. Die intensivmedizinische Sachkosten-Vergütung müsste vereinfacht und Fehlanreize vermieden werden. Zudem seien Qualitätsanreize und angemessene Abschläge bei Nichterfüllung beispielsweise von Personalvorgaben nötig. Der Personalanteil an den Kosten der Intensivstationen betrage zwei Drittel, berichtete der Leiter der Internistischen Intensivstation am Uniklinikum Tübingen, also versuche man dort zu sparen. „Viele Intensivstationen waren aber schon vor Corona ausgequetscht“, sagte Reimers – womit er den Bogen zu seinem Vorredner Janssens und dessen Hinweisen zu den Personalproblemen geschlagen hatte. Alle Beiträge vom DGIM-Kongress finden Sie im DGIM-Kongressdossier 2022. Quelle: Ärzte Zeitung

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