Terminale Niereninsuffizienz: Dialyseboom am Lebensende begrenzen!

Inzwischen ist die größte Altersgruppe bei Dialysepatienten die der über 75-Jährigen – Tendenz steigend. Das mag für fitte Betroffene ein Segen sein. Für viele Ältere bedeutet Dialyse allerdings weder ein längeres Leben noch mehr Lebensqualität, warnt ein Nephrologe beim DGIM-Kongress. In Deutschland entwickeln jährlich 13 000 Menschen ein behandlungsmögliches Nierenversagen. Als Behandlungskonzepte stehen Hämodialyse, die in Deutschland wenig verbreitete Peritonealdialyse oder eine Transplantation zur Verfügung. Neu diskutiert wird aber auch ein konservatives Management, berichtete Professor Peter M. Rob, Nephrologe aus Lübeck, beim Symposium „Gibt es ein Ende ohne Schrecken?“ beim DGIM-Kongress in Wiesbaden. Die Inzidenz der über 75-jährigen Dialysepatienten stieg innerhalb von zehn Jahren von 350 auf 900 pro eine Million Einwohner an. Bis 2040 wird ein Anstieg Dialysepflichtiger allgemein von 20 bis 23 Prozent prognostiziert, bei Bewohnern von stationären Pflegeeinrichtungen von 37 bis 44 Prozent. Manchmal mehr Schaden als Nutzen? Dabei hatte bereits im Jahr 2009 eine Studie die Dialyse bei älteren Menschen mit funktionellen Einschränkungen infrage gestellt, betonte Rob. Der funktionelle Status nahm bei Alten- und Pflegeheimbewohnern nach Dialyse rasch ab und nach einem Jahr waren etwa 75 Prozent der mit Dialyse behandelten Menschen gestorben. Aktuellere Daten aus Boston bestätigten die hohe Mortalität im Jahr nach Dialysebeginn bei älteren Patienten. In der deutschen ELDERLY-Studie zeigte sich allerdings, dass die Lebenserwartung von über 75-jährigen Menschen bei Dialyse nur leicht unter der Gleichaltriger ohne Dialyse liegt. Ein Jahr mag heute im Allgemeinen der durchschnittlichen Lebenserwartung vieler Bewohner in Alten- und Pflegeheim entsprechen, meinte Rob. Das Versprechen, die Dialyse verlängere das Leben und es gehe den Menschen damit besser, könne aber jedenfalls in dieser Patientengruppe nicht eingehalten werden. Für wen ein konservatives Management? Bereits 2009 kam die Forderung auf, die konservative Therapie nicht nur als allerletzte Option zu verstehen, die dann zum Einsatz kommt, wenn nichts mehr getan werden kann. Sie sollte früher mit Patientinnen und Patienten beziehungsweise deren Angehörigen diskutiert werden. Dabei spielt die starke Pflegebedürftigkeit und hohe Komorbidität eine entscheidende Rolle. Bei Hochrisikopatienten mit ausgeprägter Pflegebedürftigkeit ist die Entscheidung für oder gegen eine Dialyse bei terminalem Nierenversagen ohne Einfluss auf die Lebenserwartung. Menschen mit mehreren Komorbiditäten scheinen von einem konservativen Management bei terminaler Niereninsuffizienz womöglich zu profitieren und länger zu leben. Dagegen sind bei wenig Komorbiditäten Nierenersatzverfahren auch bei Über-75-Jährigen vorteilhaft. Prognose anzusprechen fällt schwer Die Option der konservativen Therapie ist also eine Option für einen relevanten Teil der alten Menschen mit terminaler Niereninsuffizienz, ohne dass es sich dabei um eine „Rationierung“ handelt. Allerdings wird mit den Betroffenen und ihren Angehörigen die Prognose viel zu selten besprochen, sagte Rob. Dabei wurden Alten- und Pflegeheimbewohner, die ein solches Gespräch hatten und ein Advanced Care Planning oder eine Patientenverfügung verfasst haben, seltener stationär oder auf einer Intensivstation behandelt, erhielten weniger invasive Maßnahmen und hatten eine bessere Lebensqualität. Mit den Betroffenen und ihren Angehörigen wird die Prognose bei terminaler Niereninsuffizienz viel zu selten besprochen. Professor Peter M. Rob, Nephrologe aus Lübeck Rob empfahl die Verwendung von Scores für die Risikokalkulation (touchcalc.com/calculators/sq). Ist die Wahrscheinlichkeit, aufgrund anderer Grunderkrankungen zu sterben, höher als die eines Progresses zum terminalen Nierenversagen, steht der palliativmedizinische Ansatz mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität und der Symptomlinderung im Vordergrund. Dieses Vorgehen wird unterstützt durch eine aktuelle Metaanalyse auf Basis von elf Studien. Laut Rob gibt es damit eine ganze Reihe von Daten – wenn auch nicht aus großen prospektiven Studien – die daraufhin weisen, dass die konservative Therapie eine lebbare Behandlungsoption für alte gebrechliche Menschen mit terminaler Niereninsuffizienz ist. Sie schränkt nicht wie die Dialyse ihre Lebensqualität ein und verlegt nicht den Sterbeort ins Krankenhaus. Wünschenswert wäre, die Frage Dialyse oder konservatives Management deutlich vor der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie anzusprechen, um Präferenzen zu klären und Vorausverfügungen niederzulegen. Alle Beiträge vom DGIM-Kongress finden Sie im DGIM-Kongressdossier 2022. Quelle: Ärzte Zeitung

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Terminale Niereninsuffizienz: Dialyseboom am Lebensende begrenzen!

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Neu im Fachgebiet Innere Medizin

Parodontalbehandlung verbessert Prognose bei Katheterablation

Antihypertensiva schützen auch alte Menschen noch vor Demenz

Stereotaktische Radiatio schlägt konventionelle Bestrahlung

Denken Sie bei starker Blutung auch an die Hemmkörper-Hämophilie

Update Innere Medizin