Strongyloides stercoralis – längst kein harmloses Reisemitbringsel

Er trägt einen „Zwerg“ im Namen, doch ein Befall mit Strongyloides stercoralis, dem Zwergfadenwurm, kann sich bei Immunsuppression zu einer lebensbedrohlichen Katastrophe auswachsen. Der Zwergfadenwurm ist weltweit verbreitet, vor allem in Westafrika, Südamerika und Südostasien. Auch in Europa ist mit Erkrankungen zu rechnen. Das Tückische: Ein Befall mit Strongyloides stercoralis kann jahrelang asymptomatisch verlaufen – bis eine Immunsuppression ins Spiel kommt. Welche Gefahr dann von dem Parasiten ausgeht, wurde beim 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) deutlich. „Man muss daran denken“ und „unter gar keinen Umständen Glukokortikoide geben“ sind wohl die wichtigsten Botschaften, die die in Berlin niedergelassene Mikrobiologin und Internistin Dr. Anne-Sophie Endres und Privatdozentin Dr. Eva Schwaneck, Rheumatologie, Asklepios Klinik Altona, Hamburg, den Zuhörern bei der Sitzung des Arbeitskreises Tropenmedizin des Berufsverbandes Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) mit auf den Weg gaben. Beide Kolleginnen präsentierten eine Patientengeschichte mit letalem Ausgang. In beiden Fällen konnte der Strongyloidesbefall nicht rechtzeitig gesichert werden. Schwere Colitis bei HIV-Patientin Endres‘ Patientin, eine seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Kenianerin, HIV-positiv, mit metabolischem Syndrom, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und Zustand nach Morbus Hodgkin, stellte sich erstmals im Herbst 2017 wegen einer exazerbierten COPD in der Notaufnahme vor. Sie erhielt Antibiotika – und Prednisolon. Einen Monat später erlitt sie einen proximalen mechanischen Dünndarmileus und im Dezember eine Lungenembolie. Ende Januar 2018 stellte sie sich mit allgemeiner Schwäche, Kurzatmigkeit, Gewichtsverlust, Hämatemesis und rektalem Blutabgang vor. Das CRP war erhöht. Eine Eosinophilie war nicht nachweisbar, wohl aber eine Anämie. Endoskopisch sahen die Kollegen eine Duodenitis und eine Pankolitis. Als schließlich der histopathologische Befund einer erosiven Colitis mit Eosinophilen-Infiltration und 50 Mikrometer langen, fadenförmigen Mikroorganismen in den Krypten einging, war der Allgemeinzustand der Patientin schon so schlecht, dass sie mit einer Escherichia-coli-Sepsis und intubiert auf der Intensivstation lag und schließlich starb. Häufigste Wurmerkrankung überhaupt Die Darmentzündung war Ausdruck eines schweren Strongyloides-Befalls – laut Endres „die häufigste Wurmerkrankung, die es gibt“: „100 Millionen sind weltweit infiziert.“ Infizierte gibt es folglich auch in Europa. Wenn man Menschen aus Risiko-Herkunftsländern mit Glukokortikoiden oder sonst immunsuppressiv behandelt, ist das zu berücksichtigen. Der komplette Lebenszyklus Wurm-Larve-Wurm erfolgt eingeschlechtlich im Menschen. Enders: „Die vermehren sich total super.“ Laut Schwaneck infizieren sich Menschen unter schlechten sanitären Bedingungen über Hautkontakt zu kontaminierter Erde oder fäkal-oral. Die Erkrankung kann Husten, Juckreiz und Urticaria hervorrufen. Milde gastrointestinale Symptome bei chronischem Befall können zur Fehldiagnose einer Colitis ulcerosa führen. Zur Diagnosesicherung bedarf es, neben der positiven Serologie eines Larvennachweises in Hautbiopsaten, Stuhl, Ascites, oder mittels bronchioalveolärer Lavage. Strongyloides-Hyperinfektionssyndrom meist tödlich 70 Prozent der Patienten haben eine Eosinophilie – wie auch der seit 2018 in Deutschland lebende Mann aus Nigeria aus Schwanecks Klinik, der nach fulminantem Krankheitsverlauf schließlich an einer überschießenden Immunreaktion mit Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) an Multiorganversagen starb. So ein Strongyloides-Hyperinfektionssyndrom endet nach Angaben der Rheumatologin in 70 bis 100 Prozent letal. Immerhin hatten die Ärzte eine mögliche Strongyloides stercoralis-Infektion bereits auf dem Schirm: Die Serologie war positiv, ebenso wie die für Toxocara und Echinoccus multilocularis. Außerdem hatte der Patient eine Hepatitis A, B sowie eine EBV- und CMV-Infektion durchgemacht. Der HIV-Test war negativ. In die Glukokortikoid-Falle tappten die Kollegen somit zwar vorerst nicht. Doch nachdem die Gabe polyvalenter Immunglobuline – „aus Verzweiflung“ – keine Besserung brachte, blieb ihnen angesichts des MAS nichts anderes übrig, als Prednisolon und Anakinra zu verabreichen. Da der Patient zuvor streckenweise die Diagnostik verweigert hatte, kam auch hier die diagnosesichernde Detektion der Fadenwurmlarven zu spät. Therapie der Wahl ist Ivermectin. Laut Enders wirkt es auch gegen andere Filarien, wie Wucheria bancrofti, ferner gegen Onchozerkose, Larva migrans und Krätze. Seit der COVID-19-Pandemie kommt man inzwischen bestens an das Medikament heran. „Ivermectin gibt es jetzt überall.“ Alle Beiträge vom DGIM-Kongress 2023 finden Sie hier im Dossier zur Veranstaltung. Quelle: Ärzte Zeitung

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