So könnte die Heilung bei chronischer Hepatitis B gelingen

Wissenschaftler bemühen sich intensiv um Lösungen zur Heilung bei chronischer Hepatitis B. Dies werde nur funktionieren, wenn das Immunsystem ins Therapiekonzept eingebunden wird, heißt es beim DGIM-Kongress. Bislang können chronisch mit Hepatitis-B-Viren (HBV) infizierte Menschen nicht geheilt werden. Mit pegyliertem Interferon-alpha sowie den Nukleosid-/Nukleotidanaloga (NUCs) Entecavir und Tenofovir gelingt es lediglich, die Virusreplikation zu hemmen und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Die Heilung bei chronischer Hepatitis B ist jedoch nicht nur deshalb wünschenswert, weil dies die lebenslange medikamentöse Behandlung unnötig machen würde – verbunden mit Kosten und Adhärenzproblemen. In der Medizin wird zunehmend mit Immunsuppressiva gearbeitet, was eine HBV-Reaktivierung auslösen kann. Und schließlich ist auch unter chronischer Anti-HBV-Therapie und bei guter Adhärenz das Leberkrebsrisiko keineswegs Null, sondern weiterhin erhöht. Deutliche Reduktion der HBsAg-Last wird angestrebt „Wenn wir das Leberkarzinomrisiko tatsächlich deutlich reduzieren wollen, müssen wir das Virus loswerden“, sagte Professor Amir Shlomai aus Petach Tikwa, Israel, beim DGIM-Kongress in Wiesbaden. Der Haken bei den derzeit verfügbaren NUCs ist, dass sie erst spät im viralen Replikationsprozess eingreifen. „Solange cccDNA existiert, werden auch virale Proteine produziert. Und sobald die NUC-Therapie stoppt, kann das Virus sich wieder von Zelle zu Zelle ausbreiten“, so Shlomai. cccDNA (covalently closed circular DNA) ist jene ringförmige DNA-Struktur, die während der Vermehrung der HB-Viren im Zellkern auftritt, von cccDNA erfolgt die Transkription der viralen mRNA. Solange dort kein Angriff erfolgt, wird die Genexpression von HBV nicht beeinflusst. Die cccDNA bildet damit das „Resistenzreservoir“ von HBV im Zellkern von Hepatozyten und kann sich ins Wirtsgenom integrieren. Es ist versucht worden, mit Genscheren die cccDNA aufzubrechen. Im Tierversuch hat das funktioniert. Allerdings müssten befallene Zellen zu 100 Prozent erreicht werden, um die Eradikation von HBV sicherzustellen. Bereits ein Restmolekül reicht aus, um erneut die Replikation in Gang zu setzen. Außerdem besteht das Risiko, in der menschlichen DNA unerwünschte, potenziell karzinogene Mutationen auszulösen. Ein realistisches Ziel, so Shlomai, sei daher die funktionelle Heilung. Dabei macht man sich die Eigenschaft von HBV zunutze, aus der Zelle ins Plasma zu gelangen. Die hohen HBsAg-Spiegel im Blut verhindern, dass die Virus-spezifische adaptive Immunantwort wiederhergestellt wird. Bei chronischer HBV-Infektion besteht also im Körper eine Balance aus Virus-Replikation und HBsAg-Produktion einerseits und der immunologischen Antwort des Wirts andererseits. Befindet sich sehr viel HBsAg im Blut, erschöpft sich die Immunantwort. Mit verschiedenen Wirkstoffen wird deshalb gegenwärtig versucht, die HBsAg-Last deutlich zu reduzieren. Das soll das körpereigene Immunsystem wieder in die Lage versetzen, HBV zu kontrollieren. Sobald das eigene Immunsystem die Kontrolle übernimmt, wäre eine medikamentöse Dauertherapie nicht mehr erforderlich. Hemmung der viralen Genexpression Ein Ansatz ist, die virale Genexpression auf Transkriptionsebene mit kleiner interferierender RNA (siRNA) zu hemmen. Derzeit befinden sich viele siRNAs in klinischen Tests. Weiterhin soll mit Anti-sense-Oligonukleotiden die Genexpression von HBsAg sowie weiteren viralen Proteinen supprimiert werden. Kürzlich ist eine Phase-2b-Studie publiziert worden, in der es mit dem Anti-sense-Oligonukleotid Bepirovirsen innerhalb von 24 Wochen gelungen war, bei bis zu 10 Prozent der Patienten mit chronischer Hepatitis B die HBsAg- und virale DNA-Produktion anhaltend zu hemmen (N Engl J Med 2022; 387:1957-1968). Eine andere Option sind Nukleinsäurepolymere (NAPs, Nucleic Acid Polymers), die in Kombination mit Peg-Interferon die HBs-Ag-Sekretion inhibieren. Bei bis zu 50 Prozent der Teilnehmer einer Phase-2-Studie konnte die Serokonversion erreicht werden (Gastroenterol 2020; 158: 2180-2194). An weiteren potenziellen Zielmolekülen für funktionell heilende anti-HBV-Therapien wird geforscht. Bis diese Therapiewerkzeuge zur Verfügung stehen gelte es im klinischen Alltag drei Dinge zu beachten, sagte Shlomai: bevor eine immunsuppressive Therapie begonnen wird, den Patienten auf HBsAg zu untersuchen, Hochrisiko-Populationen zu screenen und sich daran zu erinnern, dass die beste anti-HBV-Strategie die Impfung ist. Alle Beiträge vom DGIM-Kongress 2023 finden Sie hier im Dossier zur Veranstaltung. Quelle: Ärzte Zeitung

Springer Medizin

So könnte die Heilung bei chronischer Hepatitis B gelingen

Weiterführende Themen

Magen-Darm-Erkrankungen in der Hausarztpraxis

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Magen-Darm-Erkrankungen in der Hausarztpraxis