Mit „Faktensandwich“ gegen Skeptiker und Verschwörungstheoretiker

Was sollten Ärztinnen und Ärzte in der Kommunikation mit Impfskeptikern und Verschwörungsfanatikern beachten? Beim DGIM-Kongress gaben ein Psychologe, eine Kommunikationsexpertin und ein Hausarzt Tipps. Ja, es ist möglich, mit Wissenschaftsleugnern im Sprechzimmer konstruktiv umzugehen. Ob Impfskeptiker oder Corona-Leugner - strukturierte und sachliche Aufklärung hilft. Das sagte der Psychologe Dr. Philipp Schmid vom Institute for Planetary Behaviour der Uni Erfurt am Samstag beim 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden. Und Aufklärung tut Not. So zählte man in Südafrika mehr als 300.000 Tote zusätzlich, weil der Präsident des Landes AIDS mit Kartoffelsuppe kurieren wollte, erinnerte Schmid. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist wegen der Leugnung des Klimawandels in den Jahren 2030 bis 2050 mit jährlich 250.000 Toten zusätzlich zu rechnen. Immer noch seien 80 Prozent aller Lungenkrebsfälle auf das Rauchen zurückzuführen. Und UNICEF schätzte schon 2014, dass 1,5 Millionen Kinder im Jahr sterben, weil sie keinen Impfschutz hatten. Nonkonformität wird Teil der Persönlichkeit Grund sei unter anderem die manchmal ins Absurde gesteigerte Verschwörungsmentalität der Skeptiker, so Schmid. So glaubten Verschwörungsfanatiker, dass die bei einem Autounfall ums Leben gekommene englische Prinzessin Diana noch lebe. Und je größer die Gewissheit war, dass sie verstarb, umso mehr glaubten die Skeptiker daran, dass Diana ermordet worden sei. „Es geht den Skeptikern nicht um den Wahrheitsgehalt, sondern darum, der etablierten Meinung entgegenzutreten“, erklärte Schmid. Nonkonformität wird zum Teil der Persönlichkeit. Aber auch Phobien, wie die „Angst vor der Nadel“, können zum allgemeinen Ablehnen etwa von Impfungen führen. So wird schließlich mit Pseudoargumenten gegen Impfungen gearbeitet, nur „um die Angst zu vertuschen“, sagte Schmid. Die Strategien der Skeptiker Skeptiker setzen immer auf die gleichen Strategien: Sie zitieren falsche Experten, wecken falsche Erwartungen („Eine Impfung muss zu 100 Prozent sicher sein“) oder fahren ad hominem-Attacken, indem sie zum Beispiel die Argumente der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg ignorieren und stattdessen Thunbergs Jugend zum Argument machen gegen ihre Sachargumente. Wer sich dagegen wehren will, wird die Leugner nicht überzeugen können, so Schmid. Aber ihr Publikum. So kann man zum Beispiel unmögliche Erwartungen demaskieren, etwa so: Kein Schmerzmittel und keine Herz-Operation liefern garantiert 100-prozentige Ergebnisse. „Studien zeigen: Ein solches Vorgehen funktioniert“, erklärt Schmid. „Wenn man gut korrigiert, glauben die Menschen seltener an Falschinformationen als wenn man nicht korrigiert.“ Mit Fakten beginnen und enden Konkret schlägt Schmid ein „Faktensandwich“ vor, ein Werkzeug der kognitiven Psychologie, um Skeptiker und Verschwörungstheoretiker zu enttarnen: Zuerst nennt man einfach, knapp und klar die Fakten, erklärt Schmid: „Eine Grippeimpfung schützt vor Grippe“. Dann folgt die Warnung vor Falschinformationen: „Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, die Impfung könnte Grippe auslösen.“ Darauf folgt die Erklärung, wie die Falschinformation in die Irre führt: „Eine Infektion durch die Impfung ist ausgeschlossen, weil sich im Impfstoff keine vollständigen Erreger finden. Bei Patienten, die geimpft wurden, kann es manchmal zu Fieber kommen. Aber das zeigt nur, dass das Immunsystem im Körper aktiv wird.“ Am Schluss steht noch einmal die mehrfache Nennung der Fakten, „damit sich das Gegenüber später an die Fakten erinnert und nicht an die Falschinformationen“, so Schmid. Aber nicht zu sehr auf Fakten setzen Konkrete Tipps für die Patientenkommunikation gab auch Dr. Nina Harbers, Geschäftsführerin der Schweizer PONTEA AG. So sollten Ärztinnen und Ärzte für eine gute Patientenkommunikation die eigene Wahrnehmung schärfen, sagte Harbers. Wird im Gespräch etwa generalisiert? Etwa so - Arzt: „Nie nehmen Sie ihre Medikamente!“ - Patient: „Nie erhalte ich die Medikamente, die ich brauche!“ Setzt der Arzt vielleicht zu sehr auf Fakten, sollte er daran denken, dass erst die Emotionen den Patienten zum Handeln bringen, so Harbers. Ein dritter Aspekt berührt die Autorität der Ärztinnen und Ärzte. „Früher bekamen sie die Berechtigung, den Patienten etwas zu einem Thema zu sagen, geschenkt“, sagte Harbers. Heute müssten sie selbst die Berechtigung vom Patienten erbitten. Die Patienten brauchen im Arztkontakt vor allem das Gefühl, verstanden zu werden und auf Augenhöhe mit der Ärztin oder dem Arzt kommunizieren zu können. Hierarchische Kommunikation von oben (Ärzte) nach unten (Patienten) sei ebenso schädlich wie der Versuch mancher Medizinerinnen und Mediziner, den umgekehrten Weg zu gehen. Kommunikation besonders für Hausärzte wichtig Wie eine verbesserte Kommunikation ihren Weg in die Fort- und Weiterbildung von Hausärztinnen und Hausärzten finden kann, legte Hausarzt Dr. Simon Schwill in seinem Vortrag „Feedbacktraining in der fachärztlichen Weiterbildung am Beispiel der Allgemeinmedizin“ dar. Gerade Hausärztinnen und Hausärzte haben besonders viele Pfade, auf denen sie kommunizieren müssen – zu den Patienten, zum Team, zu Fachärzten und Krankenhäusern, zum „Physio“ und zur Pflege. „Kommunikation ist für Hausärztinnen und Hausärzte entscheidend - aber wie gut kommuniziert wird, ist oft unklar“, sagte der Hausarzt. Immerhin werde es inzwischen im Medizinstudium seit den 2000er Jahren - oft mit Schauspielpatienten – gelehrt: Überbringung schlechter Nachrichten, Anamnesegespräch oder das Aufklärungsgespräch. Aber auch gestandene Hausärzte, die die Kommunikation nicht im Studium erlernt haben, können in der ärztlichen Fortbildung ihre Fertigkeiten trainieren. Das Lernen lohnt sich. „Denn wir wissen, dass eine gute Kommunikation die Adhärenz bei der medikamentösen Therapie ebenso fördert, wie bei der nicht medikamentösen Therapie“, sagte Schwill. Alle Beiträge vom DGIM-Kongress finden Sie im DGIM-Kongressdossier 2023. Quelle: Ärzte Zeitung

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