Psychosomatisch erkrankte Patienten besser im Zusammenspiel versorgen

Körperliche und psychische Erkrankungen hängen oft zusammen. Beim DGIM-Kongress werben Psychosomatiker für neue Versorgungskonzepte, die neben der somatischen Therapie auch eine psychosomatische Behandlung beinhalten. Psychosomatische Medizin verlangt nach Konzepten der Integration der Psychosomatik in die Therapie körperlicher Krankheiten in Kliniken und Praxen. Wie das möglich wird, zeigte eine Veranstaltung am Samstag beim 129. Kongress der Deutschen Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden. Der Bedarf für die Integration der Psychosomatik sei auf jeden Fall da, betonte Professor Matthias Rose, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik an der Charité in Berlin, in seinem Vortrag zur stationären Psychotherapie bei körperlich Kranken. Der naturwissenschaftlichen Medizin verdanke man heut ein langes Leben, sagte Rose: „Aber heute stirbt man weniger etwa an Infektionskrankheiten, sondern an NCDs, den non communicable diseases, den nicht ansteckenden Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder psychischen Krankheiten. Das heißt: Die Aufgabe hat sich verändert“, erklärte Rose. Es gehe heute nicht nur darum, das Leben zu verlängern, sondern darum, das Leiden zu vermindern. Andernfalls würde man womöglich mit dem Leben auch das Leiden verlängern. „Gemeinsames Geschehen“ „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass 25 Prozent der kardiometabolischen Patienten auch eine Depression mitbringen“, sagte Rose. Nach Daten aus dem DMP-Programm der AOK Hessen haben sogar 38 Prozent der 4,8 Millionen Diabetespatienten in dem Programm auch eine Depression. Rose sprach hier von Zivilisations-assoziierte Erkrankungen. Die Patienten „haben Depressionen aber auch ein bisschen Adipositas“ oder Diabetes. Beide Erkrankungen ließen sich nicht trennen, sondern seien „ein gemeinsames Geschehen.“ betonte der Psychosomatiker. So sei etwa die Wahrscheinlichkeit für Patienten mit einer kardiovaskulären Krankheit umso höher an ihrer Erkrankung zu sterben, je mehr Symptome einer Depression er auch aufweise. Also behandelt man auf Roses Station die Patienten zugleich internistisch und psychotherapeutisch. Die meisten Ärztinnen und Ärzte haben eine entsprechende Doppelqualifikation. Was zählt, ist der erweiterte Blick. „Ein Internist würde versuchen, die Schmerzen eines Patienten irgendwie medizinisch zuzuordnen. Für den Psychotherapeuten indessen können sie auch Ausdruck von Zurückweisungserlebnissen der Patienten sein“, berichtete Rose beim DGIM-Kongress. „Wir behandeln alle möglichen Patienten mit unserem integrierten Ansatz, auch solche, die auf anderen Stationen vielleicht als etwas schwierig gelten“, sagte Rose. Mit den etwas verlängerten Liegezeiten und der Möglichkeit, dass die Patienten das Team kennenlernen, mache man auf der integrierten Station der Charité so etwas wie „Allgemeinmedizin de luxe.“ „Wir brauchen auch komplexe Versorgungsmodelle“ Dr. Eva Krauß-Köstler, leitende Oberärztin an der psychosomatischen Klinik am Klinikum Nürnberg, will an der Schnittstelle von psychosomatischer Akutversorgung und somatischem Setting die Versorgung und zugleich die Behandlerzufriedenheit verbessern. Auch Krauß-Köstler verwies auf den engen Zusammenhang körperlicher und psychischer Erkrankungen. 40 Prozent der COPD Patienten haben eine klinisch relevante Depression und 37 Prozent eine klinisch relevante Angst oder Panikstörung. „Für diese komplexen Patienten brauchen wir auch komplexe Versorgungsmodelle“, sagte Krauß-Köstler. Deshalb habe man in ihrer Klinik vor zehn Jahren mit acht Betten in der Onkologie eine integrierte klinische psychosomatische Komplexbehandlungseinheit etabliert. Hier werden Patienten versorgt, die schwerer erkrankt sind, aber eine mehrwöchige Psychotherapie bewältigen können, berichtet Krauß-Köstler. „Das Charmante an der Sache ist, dass die Betten auf der Station bleiben und aus der DRG und internistischen Versorgung in die psychosomatische Versorgung rutschen, die dann nach dem Psych-Entgelt-Tagessatzsystem bezahlt wird.“ Psychosomatiker und Internisten arbeiten zusammen Die Patienten erhalten internistische Pflege und Visiten sowie dreimal in der Woche psychosomatische Visiten und die passende psychosomatische Behandlung. Und was hat der Internist davon? Bessere Auslastung, kürzere Verweildauer und ein geringeres Risiko einer baldigen Wiederaufnahme, sagte Krauß-Köstler. In dem Programm arbeiten die Psychosomatiker und Internisten zusammen. Mit Erfolg. Die Evaluation ergab im Vergleich von Aufnahme und Entlassung, dass Angst, Stress und somatische Symptome signifikant reduziert werden konnten, besonders die Angst. Anhaltende psychische Probleme bei vielen Patienten Auch in der Hausarztpraxis stellt sich die Frage, wie psychosomatisch erkrankte Patienten versorgt werden können. Der Allgemeinmediziner Dr. Markus W. Haun, Geschäftsführender Oberarzt in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik am Klinikum Heidelberg, hat sich dieser Patientengruppe gewidmet. Der Bedarf an psychosomatischer Versorgung ist auch hier offenbar enorm: Bei einem von fünf Patienten in der Praxis sei von anhaltenden psychischen Belastungen auszugehen, so Haun. Um diese Patienten psychosomatisch versorgen zu können, setzt Haun ganz auf die Online-Sprechstunde. „Wenn die Patienten nicht zu den Spezialisten kommen können, dann kommen die Spezialisten über eine Echtzeit-Videokonsultation zum Patienten“, erklärte Haun. Dazu kommen die Patienten in die Hausarztpraxis und erhalten hier in einem besonderen Raum eine Online-Sprechstunde mit Psychosomatikern und Psychotherapeuten. „Die Frage war, ob dieses Modell der Standardbehandlung überlegen ist“, sagte Haun. Das hat er in der PROVIDE-C-Studie mit 189 Patienten in der Interventionsgruppe und 189 in der Kontrollgruppe geklärt. Danach habe sich die Symptomlast bei ängstlichen und depressiven Patienten der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant verkleinert. „Wir haben eine große Generalisierbarkeit der Ergebnisse gesehen“, sagte Haun am Ende seines Vortrags. „Aus unserer Sicht ist das Modell mittel- und langfristig überlegen.“ Alle Beiträge vom DGIM-Kongress 2023 finden Sie im Kongressdossier 2023. Quelle: Ärzte Zeitung

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