Bei Neuropathie immer auch an Sjögren denken

Eine sorgfältige Differenzialdiagnostik bei Polyneuropathien (PNP) sei, so Dr. Tabea Seeliger, Neurologie, Medizinische Hochschule Hannover (MHH), wichtig, besonders auch um die oft gut behandelbaren immunvermittelten Neuropathien rechtzeitig zu erkennen. Dabei solle man immer auch an ein Sjögren-Syndrom denken. Dass PNP und Sjögren - zumindest unter den Patienten einer neurologischen Uniklinik - keineswegs eine seltene Konstellation ist, zeigt eine von Seeliger und Mitforschenden durchgeführte, retrospektive Fallkontrollstudie. In die Analyse eingeschlossen waren 184 Patienten mit PNP und Paresen, die in den Jahren 2015 bis 2018 in der MHH stationär behandelt worden waren. Das mediane Alter der Patienten betrug 63 Jahre, die Geschlechterverteilung war 1:1. Knapp ein Viertel dieser Patienten erfüllten die aktuellen ACR/EULAR-Klassifikationskriterien [1] für ein Sjögren-Syndrom. Das heißt, sie erreichten mindestens 4 Punkte anhand der folgenden vier Kriterien: Xerophthalmie (Sicca-Syndrom der Augen): 1 Punkt Xerostomie (Sicca-Syndrom des Mundes): 1 Punkt Anti-SSA(Ro)-Antikörper: 2 Punkte Fokale Sialadenitis (Speicheldrüsenbiopsie): 3 Punkte Hohe Treffsicherheit dank Speicheldrüsenbiopsie Bei 91% wurde anhand des Schirmertests eine Xerophthalmie nachgewiesen, bei 44% anhand des Saxon-Tests (Kauen auf einem Mulltupfer, der davor und danach abgewogen wird) eine Xerostomie. Eine wichtiger Baustein zur Diagnosesicherung ist die Bestimmung von Anti-SSA(Ro)-Antikörpern. Im beschriebenen Patientenkollektiv war dieser Test allerdings nur in weniger als der Hälfte der Sjögren-Fälle positiv. Eine pathologische Speicheldrüsenbiopsie, das heißt einen Focus-Score von mindestens 1 wiesen dagegen mehr als drei Viertel aller Sjögrenpatienten auf. „Die Patienten haben vor diesem letztlich harmlosen Eingriff großen Respekt“, berichtet Seeliger. Es lohne sich aber, im Interesse einer höheren diagnostischen Treffsicherheit, diesen nur geringfügig invasiven Test bei allen Patienten durchzuführen, bei denen man die Diagnose noch nicht anderweitig sichern konnte, zumindest aber ein positiver Schirmer- oder Saxontest vorliege. Bei fehlendem Nachweis von SSA(Ro)-Antikörpern, zusammen mit negativen Schirmer- und Saxonttestergebnissen könne man ein Sjögren-Syndrom praktisch ausschließen. Bei jedem Zehnten nur motorische Symptome In 93% der Fälle wurde das Sjögren-Syndrom erst im Verlauf der neurologischen Symptomatik diagnostiziert. Als initiale Symptome wurden in 39% der Fälle sensible Missempfindungen berichtet, davon mehr als ein Drittel mit Paresen. Ein weiteres Viertel aller Patienten hatte als erstes neurologisches Symptom eine Parese. Weniger häufige Initialsymptome waren Gangstörungen, Muskelkrämpfe, Blasenfunktionsstörungen und Atemnot. Bei 89% der Patienten war die Parese chronisch fortschreitend. Bei 11% trat sie akut innerhalb weniger Tage auf. Die Abgrenzung zum Guillain-Barré-Syndrom sei dann wichtig, betonte Seeliger. Bei 11% der Patienten lagen ausschließlich motorische Symptome vor. Neurografische Untersuchungen und Liquordiagnostik zeigten kein einheitliches Muster. So waren primär axonale, primär demyelinisierende und gemischte Läsionsmuster zu fast gleichen Anteilen vertreten. Mehr als die Hälfte der Patienten erfüllten die Diagnosekriterien einer Chronisch inflammatorisch demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie (CIDP). Das zeige, so Seeliger, wie schwierig deren Abgrenzung zum Sjögren-Syndrom sein könne. Empfehlung der Redaktion DGN 2019 – das Kongressdossier Der Einsatz von CGRP-Antikörpern bei Clusterkopfschmerz, das richtige Blutdruckmanagement nach Subarachnoidalblutung und therapeutische Ansätze auf Grundlage der Darm-Hirn-Achse sind nur einige der Themen, die auf der 92. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie diskutiert wurden. basierend auf: DGN-Kongress 2019 vom 25.-28. September 2019 in Stuttgart, Symposium

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