Welche MS-Medikamente bei Corona abgesetzt werden sollten

Mit immundepletierenden Therapien sollten Ärzte jetzt etwas vorsichtiger sein, viele Immunmodulatoren können aber noch während einer SARS-CoV-2-Infektion eingesetzt werden. Ein Überblick. Seit Beginn der Pandemie wird darüber diskutiert, welchen Einfluss Immunmodulatoren und -suppressiva auf das SARS-CoV-2-Infektionsrisiko und den COVID-19-Krankheitsverlauf haben. Bisherige Erkenntnisse deuten auf ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe unter Lymphozyten-depletierenden Antikörpern, vor allem unter Rituximab, verglichen mit Basistherapeutika. Für andere Medikamente wurde bislang kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf festgestellt, einige Untersuchungen deuten sogar auf einen Vorteil von Immunmodulatoren. Möglicherweise werde dadurch eine überschießende Immunreaktion mit einem gewebeschädigenden Zytokinsturm vermieden, sagte Professor Sven Meuth von der Universität Düsseldorf beim virtuellen DGN-Kongress. Derzeit werden sogar Fingolimod und der Komplement-Hemmer Eculizumab gegen schwere COVID-19-Verläufe bei Patienten ohne Autoimmunerkrankungen in Studien geprüft. Eine gewisse Hilfestellung bei der Therapie von Patienten mit MS und anderen neuroimmunologischen Erkrankungen gibt die im August erschienene S1-Leitlinie „Neurologische Manifestationen bei COVID-19“. Sie empfiehlt etwa Behandlungen mit klassischen Immunsuppressiva wie Azathioprin und Methotrexat fortzusetzen und im Falle einer Infektion zu pausieren. Empfehlung der Redaktion Aktuelle News & Übersichten Themenseite Multiple Sklerose Auf der Themenseite Multiple Sklerose halten wir Sie über die häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung bei jungen Erwachsenen auf dem Laufenden. Cyclophosphamid und Mitoxantron sollten bei langjährigem stabilem Verlauf reduziert oder abgesetzt werden, auch hier legt die Leitlinie einen Therapiestopp im Falle eine Infektion nahe. Teriflunomid, Dimethylfumarat und Mycophenolat-Mofetil können ebenfalls problemlos fortgeführt werden, und das auch noch während einer Infektion, jedenfalls solange keine ausgeprägte Lymphopenie vorliegt. Zyklusverzögerungen empfohlen Mehr Vorsicht ist mit Lymphozyten-depletierenden Antikörpern geboten. „Bei einer stabilen Erkrankung empfiehlt man hier eher die nächste Gabe etwas zu verzögern“, so Meuth. Dies könne man vom B-Zell-Status abhängig machen. Sind die Zellzahlen niedrig, sollten Ärzte mit der nächsten Infusion noch etwas warten. Für Cladribin wird ebenfalls eine Zyklusverzögerung empfohlen. All diese Arzneien sollten Ärzte während einer Infektion aussetzen. Dies ist bei Fingolimod, Siponimod und Natalizumab nicht nötig. „Auch bei Natalizumab haben wir den Eindruck, dass es einen sehr geringen Einfluss auf die allgemeine Immunität hat“, berichtete Meuth. Hier ist laut Leitlinie allenfalls eine Zyklusverzögerung zu erwägen. Relativ entspannt können Patienten mit Interferonen und Glatirameracetat sein – hier gibt es weder außerhalb noch während einer Infektion Einschränkungen. Dies gilt auch für die drei Arzneien gegen Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen Tocilizumab, Satralizumab und Eculizumab. Plasmapherese unproblematisch Dagegen müsse man sowohl die gepulste Therapie als auch die Dauerbehandlung mit Glukokortikoiden hinterfragen, sagte Meuth. „Bei einem akuten Schub würde ich mich immer dafür aussprechen, das Kortikoid zu geben. Bei stabiler Erkrankung, wenn jemand rekurrierend Kortisonpulse bekommt, dann würde ich in der aktuellen Situation lieber den Zyklus verzögern.“ Während einer Infektion sieht die Leitlinie hier ein Aussetzen oder zumindest eine Dosisreduktion vor. Für unproblematisch hält die Leitlinie eine Plasmapherese, und auch eine IVIG-Behandlung kann noch während einer Infektion weitergeführt werden, hier ist allenfalls eine Zyklusverlängerung zu erwägen. Empfehlung der Redaktion DGN 2020 – das Kongressdossier Neue Ansätze in der Alzheimertherapie und prädiktive Marker, ein Ausblick auf die neue Klassifikation chronischer Schmerz im ICD-11 und was Neurologen zu neuen Krebstherapeutika wissen sollten – zu diesen und weiteren Themen lesen Sie in unseren Berichten vom virtuellen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Quelle: Ärzte Zeitung

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