Hilft Kortisonspray gegen Alzheimer?

Könnten topisch applizierte Glukokortikosteroide den Krankheitsprozess bei Alzheimer Demenz verlangsamen? Registerstudien geben Anlass für diese Hypothese. Erste Versuche an transgenen Mäusen verliefen demnach positiv. Neben Fehlfaltung und Aggregation von Beta-Amyloid und Tau-Protein scheinen nach neueren Erkenntnissen auch inflammatorische Prozesse eine wichtige Rolle bei Entstehung und Fortschreiten der Alzheimer Krankheit zu spielen. Daher liegt es laut Prof. Anja Schneider, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Bonn, nahe, bereits zugelassene antiinflammatorische Medikamente wie Glukokortikosteroide auf potenziell alzheimerprotektive Eigenschaften zu evaluieren. Schneider berichtete aus einer eigenen Studie, die ihre Arbeitsgruppe zusammen mit Forschenden der Uni Rostock durchführte. Anhand von Krankenkassendaten zeigte die Studie, dass die Inhalation oder nasale Anwendung von Glukokortikosteroiden, etwa zur Behandlung von Asthma oder allergischer Rhinitis, mit einem reduzierten Demenzrisiko einherging [1]. Zu ähnlichen Ergebnissen war bereits eine taiwanesische Registerstudie gekommen, die bei Asthmaerkrankten unter anderem den Zusammenhang zwischen inhalativen Glukokortikoiden und Demenzrisiko evaluierte [2]. Kortikosteroide: Schaden oder Nutzen für das Gehirn? Systemische Glukokortikoide kommen Schneider zufolge eigentlich nicht für die Prävention oder Therapie von Demenz infrage, da sie sich ungünstig auf die Kognition auswirken. Bei chronischem Stress schaden erhöhte Kortisolkonzentrationen nachweislich dem Gehirn. Sie reduzieren beispielsweise das Hippocampusvolumen. Bei der nasalen Applikation erreiche der Wirkstoff das Gehirn, ohne sich in größeren Mengen über den Blutkreislauf zu verteilen und zu entsprechenden Nebenwirkungen in anderen Organen zu führen. Ob das ein möglicher Ansatz ist, die negativen Wirkungen von Glukokortikosteroiden auf die Kognition zu umgehen, bleibt unklar. Schneider und Mitforschende erprobten daher inhalativ und nasal appliziertes Budesonid zunächst nur in einem Mausmodell der familiären Alzheimererkrankung. Die 5xFAD (Familiar Alzheimer Disease)-transgenen Mäuse tragen Mutationen im APP(Amyloid-Präkursor-Protein)695-Gen und im Presinilin 1-Gen, mit der Folge einer sich schnell fortschreitenden, schweren Amyloid-Pathologie und kognitivem Leistungsabfall. Erhalt von kognitiver Leistung und Hirnvolumen Man habe, so Schneider, bei den Mäusen, die Budesonid inhalierten, im Vergleich zur technisch komplizierteren nasalen Applikation niedrigere aber immer noch ausreichende Wirkstoffkonzentrationen im Gehirn erreicht, bei viel niedrigeren Serumkonzentrationen. Die 5xFAD-Mäuse schnitten in einer Reihe kognitiver Tests schlechter ab als die Wildtypmäuse. Die Inhalation von Budesonid neutralisierte diese negativen Effekte weitgehend, das heißt, die 5xFAD-Mäuse unter Budesonid schnitten in den Tests besser ab als die unbehandelten 5xFAD-Mäuse und etwa gleich gut wie die unbehandelten oder behandelten Wildtypmäuse. Budesonid hatte keinen Einfluss auf die Bildung der Amyloid-Plaques, verlangsamte aber den Neuronenverlust. Dem entsprechend hatten die behandelten 5xFAD-Mäuse ein höheres Gehirngewicht als die unbehandelten und einem vorläufigen Trend zufolge auch ein größeres Hippocampusvolumen und eine höhere Synapsendichte. Budesonid reduzierte zudem alzheimertypische inflammatorische Marker wie den Mikrogliamarker IBA1, den Astrozytenmarker GFAP und das Transmembranprotein TSPO. Die Durchflusszytometrie zeigte eine Zunahme der wahrscheinlich alzheimerprotektiv wirkenden MHCII-positiven und der CD11b-positiven Mikroglia. Daten aus der Einzelzellanalyse stehen Schneider zufolge noch aus und könnten wertvolle Zusatzinformationen zu möglichen Wirkmechanismen des Glukokortikoids auf das Gehirn liefern. Der nächste Schritt sei dann, die Effekte von topisch appliziertem Budesonid in klinischen Studien zu diesem neuen potenziellen Indikationsgebiet zu evaluieren. Empfehlung der Redaktion DGN 2022 – das Kongressdossier Fünf Tage ging die diesjährige Neurowoche und bot wieder spannende Themen: Die Pandemie erlaubte Forschenden Einblicke in die entzündlichen Prozesse neurodegenerativer Erkrankungen und Expertinnen und Experten debattierten über die Indikation von Thrombektomien beim Basilarisverschluss. Außerdem stellt sich bei Komorbiditäten MS-Erkrankter die Frage, wo der Therapiefokus liegen sollte. Quelle: Vortrag Anja Schneider: Antiinflammatorische Therapie der Alzheimer-Pathologie. Neurowoche 2022 vom 1.-5. November 2022 in Berlin/digital, Symposium: "Neuroinflammation bei neurodegenerativen Demenzen" am 04. November 2022. Onlineversion auf www.dgnvirtualmeeting.org

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