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20.03.2019 | Tuberkulose | Kongressbericht | Nachrichten

Latente Tuberkulose: Wen testen? Wen behandeln?

verfasst von: Dr. med. Peter Stiefelhagen

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Nur ganz wenige Personen erkranken nach einer Infektion mit Tuberkelbakterien. Doch die Erreger verharren in der Lunge und können bei einer Schwächung des Immunsystems reaktiviert werden. Deshalb gilt es, diejenigen Patienten zu identifizieren und chemopräventiv zu behandeln, die ein erhöhtes Risiko für eine manifeste Tuberkulose haben. 

Nur fünf Prozent der mit dem TB-Erreger Infizierten entwickeln primär eine behandlungsbedürftige Tuberkulose. Bei den anderen wird der Erreger vom Immunsystem, genauer gesagt von den T-Lymphozyten und den Zytokinen insbesondere von TNF-alpha „in Schach gehalten“. Sie schlummern dann in fibrosierten Granulomen, die in Form eines zufällig entdeckten Tuberkuloms radiologisch in Erscheinung treten können. In solchen Fällen spricht man von einer latenten Tuberkulose (LTBI), d.h. diese Personen sind nicht krank und auch nicht infektiös. „Doch wenn das Immunsystem aus irgendwelchen Gründen schwächelt, werden die Erreger reaktiviert und es bildet sich ein verkäsendes Granulom“, so Dr. Pia Hartmann vom Institut für Mikrobiologie der Uniklinik Köln. Erhält ein solches Anschluss an einen Bronchus, so entwickelt sich eine offene Tuberkulose, d.h. der Patient wird dann infektiös. 

Intention to screen is intention to treat

Doch wann sollte man wen im Hinblick auf das Vorliegen einer latenten Tuberkulose screenen? „Grundsätzlich sollte man nur dann testen, wenn man bei einem positiven Ergebnis auch behandelt, und nicht einfach so, um die Neugierde zu befriedigen“, so Hartmann. „Intention to screen is intention to treat“. Getestet werden sollten daher nur Personen, die ein erhöhtes Risiko tragen, eine Tuberkulose zu entwickeln, mit anderen Worten der Infektionsdiagnostik muss immer eine Risikoeinschätzung vorausgehen. Ziel der Testung ist, durch eine gezielte präventive Therapie eine Reaktivierung von persistierenden Tuberkulose-Bakterien und die daraus resultierende manifeste Tuberkulose zu verhindern.

Womit testen?

Für die Testung stehen zwei immunologische Tests zur Verfügung, der Interferon-gamma-Test (IGRA) und der Tuberkulin-Hauttest (THT). Bei Kindern unter 5 Jahren wird der THT empfohlen, bei Kindern zwischen 5 und 14 Jahren können beide Tests verwendet werden und bei Jugendlichen ab 15 Jahren und Erwachsenen  sollte bevorzugt IGRA eingesetzt werden. Doch bevor man eine solche Testung durchführt, muss eine manifeste Tuberkulose mittels Röntgen-Thorax ausgeschlossen sein. Auch muss man bedenken, dass falsch positive Resultate möglich sind und ein positiver Test nicht zwingend eine latente Infektion beweist. 

Soll-, Sollte- und Kann-Indikationen

Eine strenge Indikation, also eine Soll-Empfehlung für die Testung und eine etwaige Chemoprävention besteht bei:

  • Personen mit engem Kontakt zu einem kulturell oder molekularbiologisch gesicherten, an Lungentuberkulose erkrankten Indexfall,
  • Patienten vor Einleitung bzw. unter einer Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren,
  • Patienten mit einer HIV-Infektion.

„Doch nicht nur TNF-alpha-Inhibitoren, sondern auch andere Basistherapeutika, die bei der rheumatoiden Arthritis eingesetzt werden wie Leflunomid, Ciclosporin und Methotrexat, gehen mit einem deutlich erhöhten TB-Risiko einher“, so Hartmann. 

Eine Indikation nach einer individuellen Risikoabwägung, also eine Sollte-Empfehlung besteht bei:

  • Patienten mit einer schwerwiegenden Grunderkrankung wie Diabetes mellitus, malignen Lymphomen, Leukämien, Kopf-Hals-Karzinomen oder vorbestehender Silikose.
  • Schwangeren, wenn eine kurz zurückliegende Infektion (Kontakt zu ansteckendem Indexfall) oder eine definierte Immunsuppression, vor allem eine HIV-Infektion vorliegt.
  • Patienten vor einer geplanten bzw. nach einer Organ- oder hämatologischen Transplantation und zwar wegen der iatrogenen Immunsuppression. 

Erwägen i. S. einer Kann-Indikation sollte man darüberhinaus eine Chemoprävention auch bei:

  • Dialysepatienten insbesondere dann, wenn eine weitere Grunderkrankung neben einer Niereninsuffizienz vorliegt,
  • Personen mit einer i.v.-Drogenabhängigkeit.

Dazu kommen besondere Personengruppen, bei denen eine Chemoprävention ebenfalls erwogen werden sollte, nämlich:

  • Personen, bei denen erfahrungsgemäß eine erhöhte Reaktivierungstendenz besteht, z.B. Personen aus Hochinzidenzländern,  
  • Personen, die in Justizvollzugsanstalten untergebracht sind,
  • Obdachlose.

Chemoprävention bei Kindern immer

Empfohlen werden eine Monotherapie mit INH oder Rifampicin (RMP) bzw. die Kombinationen INH + RMP oder INH + Rifapentin. „Für letztere Kombination spricht vor allem im Hinblick auf die Adhärenz, dass sie nur einmal wöchentlich eingenommen werden muss und insgesamt nur über zwölf Wochen“, so Hartmann.

Im Unterschied zu Erwachsenen sollte bei Kindern mit nachgewiesener LTBI immer eine Chemoprävention durchgeführt werden. Die Rationale für diese Empfehlung ist das höhere Progressionsrisiko, das meist kürzere Zeitintervall zur Primärinfektion, das geringere Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen und der langfristige Nutzen durch eine frühzeitige Erregereliminierung. Empfohlen wird die Kombination INH + RMP p.o. für 3 Monate oder eine Monotherapie mit INH p.o. für 9 Monate. „Screening und Chemoprävention sind besonders wichtig bei asylsuchenden Kindern wegen der hohen Progressionsrate“, so Hartmann.

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