Erfolgsfaktoren der Psychotherapie bei Zwangsstörungen

Die kognitive Verhaltenstherapie überzeugt mit hohen Effektstärken in der Behandlung von Zwangsstörungen [1]. Dennoch liegen die Remissionsraten nur bei etwa 50% – auch in der klinischen Routine. Möglichen Erfolgsfaktoren spürte ein Symposium anlässlich des DGPPN-Kongresses 2019 nach. Mit Effektstärken von 1,0 und mehr zeigt die KVT mit Exposition Effektstärken, die zu den größten in der Psychotherapieliteratur gehören, betonte Prof. Norbert Kathmann vom Institut für Psychologie der Humboldt-Universität in Berlin. Das ließ sich im Rahmen der Berliner OCD Effectiveness Studie auch für Routinebedingungen zeigen. In RCT wie in der Berliner Studie liegen die Remissionsraten allerdings unter 50%. Die Analyse möglicher Prädiktoren ergab in der Berliner Studie nur eine schwache Aussagekraft für Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Symptomschwere zu Beginn oder Symptome des Hortens als negative Prädikatoren oder die Einnahme einer Medikation als möglichen Einflussfaktor für eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Remission. Eine besondere Bedeutung scheint die Erwartungsverletzung in der Exposition mit Reaktionsmanagement zu sein. Je größer insbesondere in der ersten Exposition der Unterschied zwischen Erwartung und tatsächlichem Erleben ist, umso wahrscheinlicher ist das Erreichen einer Remission am Therapieende, wie sich laut Kathmann in einer laufenden Studie mit 89 ambulanten Patienten mit Zwangsstörungen gezeigt hat. Man müsse daher gerade die erste Exposition besonders sorgfältig planen, ist seine Schlussfolgerung. Rolle der therapeutische Beziehung neu definiert Prof. Dr. Ulrich Voderholzer, Ärztlicher Direktor der Schön Klinik Roseneck in Prien, nannte eine Reihe von weiteren Prädiktoren für ein Ansprechen auf die KVT bei Zwangsstörungen (siehe nachfolgende Tabelle). Prädiktoren für Ansprechen auf KVT bei Zwangsstörungen Positive Prädiktoren Geringe Komorbidität Gute Einsicht Hohe Motivation Negative Prädiktoren Sehr früher Beginn Zahl stationärer Vorbehandlungen Borderline-Störung PRSD Psychose Tic-Störung Symmetriezwänge Ausgeprägtes magisches Denken, geringe Einsicht Kein Prädiktor oder uneinheitliche Befunde Geschlecht Depressivität Dauer der Erkrankung Die Wirkfaktoren der Psychotherapie nach Grawe – therapeutische Beziehung, Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung, motivationale Klärung und Problembewältigung – sind auch für die Psychotherapie von Zwangsstörungen wichtig [2]. Voderholzer kritisierte allerdings, dass es dazu keine störungsspezifischen Untersuchungen gebe. Seine Untersuchungen zeigen, dass die therapeutische Beziehung bei Zwangsstörungen eine wichtige Voraussetzung für die Therapie und die Bereitschaft, sich auf eine Exposition einzulassen, ist, im Prozess aber keinen wesentlichen Wirkfaktor darstellt. Belege gibt es für den Einfluss von kognitiven Wirkfaktoren, insbesondere von dysfunktionalen Annahmen über Zwänge wie Perfektionismus und Intoleranz für Unsicherheit, sowie die Veränderungsmotivation [3]. Bei stationär behandelten Patienten mit Zwangsstörungen fand sich zudem eine Korrelation der zunehmenden Selbstwert- und Bewältigungserfahrungen mit dem Therapieerfolg [4]. Selbst-Exposition wichtig Nicht nur die Häufigkeit der therapeutengeleiteten Expositionen ist ein positiver Prädiktor für das Therapieergebnis. In einer weiteren eigenen Studie fand Voderholzer mit seiner Arbeitsgruppe heraus, dass gerade auch die selbstgeleiteten Expositionen einen Effekt auf die Symptomschwere haben und durch den Anstieg in der Selbstwirksamkeit vermittelt werden. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass Patienten selbst üben. Um sich auf die Exposition, insbesondere auch im häuslichen Umfeld, einzulassen, ist eine dezidierte Entscheidung des Patienten wichtig. Voderholzer riet, vom Patienten ein schriftliches Commitment mit Stichtagsregelungen zu fordern. Wenn Exposition verweigert wird Nicht alle Patienten mit Zwangsstörungen sind bereit, sich auf eine Exposition einzulassen. Dann könnte ein metakognitives Training eine mögliche Option der Psychotherapie darstellen. Wie Prof Dr. Lena Jelinek vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf berichtete, waren an sie viele Patienten herangetreten, die sich eine therapeutische Begleitung zu dem entsprechenden Selbsthilfemanual [5] wünschten. In einer Pilotstudie zeigte sich beim Transfer in ein Gruppensetting mit vier Sitzungen, dass es möglich war, durch kreative Übungen kognitive Verzerrungen und funktionale Bewältigungsstrategien zu vermitteln. Die Teilnehmer kritisierten allerdings, dass es zu viel Information in zu kurzer Zeit gegeben habe. Subjektiv gaben sie eine Verbesserung der Symptome an, die sich auch objektivieren ließ. Eine noch nicht publizierte randomisiert kontrollierte Studie verglich daraufhin ein metakognitives Training mit acht Modulen und einer Erweiterung hinsichtlich Grübeln und Depression mit einer KVT mit Exposition und Reaktionsmanagement. Wie Jelinek berichtete, konnten 79 Patienten randomisiert werden, wobei etwa die Hälfte in beiden Gruppen auch eine Antidepressiva-Therapie erhielt. 77 % der Patienten – vergleichbar viele in beiden Gruppen – schlossen die Therapie ab. Die Wirksamkeit der KVT erreichte das metakognitive Training nicht, musste Jelinek eingestehen. Nur 19 % der Patienten zeigten eine Reduktion des Symptomscores Y-BOCS um mindestens 35 %. 38 % erreichten einen Y-BOCS-Wert ≤ 14, der als Remission definiert war. Einen Vorteil sieht Jelinek dennoch für das metakognitive Training: Es ist leicht zu verbreiten und bietet die Möglichkeit, Patienten eine Psychotherapie anbieten zu können, die eine Exposition ablehnen. Empfehlung der Redaktion Berichte aus Berlin Das Dossier zum Psychiatrie-Kongress Was unterscheidet Absetzsymptome von Rebound-Effekten beim Beenden einer Psychopharmaka-Therapie und welche Strategie bei Depressionen ist zielführender – Psychotherapie oder Antidepressiva? Im Kongressdossier bekommen Sie zudem einen Ausblick auf die kommende S3-Leitlinie zu medikamentenbezogenen Störungen. basierend auf: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin, 27.11.– 30.11.2019. Symposium: Psychotherapieforschung bei Zwangsstörungen – neue Studienergebnisse

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