Bei organischen Psychosen Autoantikörper so früh wie möglich entfernen

Psychosen und Schizophrenie-ähnliche Symptome können nicht nur psychischer, sondern auch organischer Natur sein und beispielsweise durch Autoantikörper verursacht werden. Die Prognose ist dann meist gut, sofern die Immuntherapie rechtzeitig erfolgt. Immer mehr antineuronale Autoantikörper werden entdeckt, die mit antikörpervermittelten Enzephalitiden und Psychosen in Verbindung gebracht werden können. Zu den klinisch wichtigsten zählen Autoantikörper gegen den NMDA-Rezeptor. Diese können eine schwere Form der Autoimmunenzephalitis mit ausgeprägten Psychosen, Bewusstseinsstörungen und häufig auch Intensivpflichtigkeit auslösen, betroffen sind vor allem junge Frauen, wie Professor Harald Prüß, Oberarzt an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité Universitätsmedizin Berlin, auf dem diesjährigen virtuellen DGPPN-Kongress beschrieb. „Diese Antikörper zeigen uns, dass es sich dabei nicht um eine Erkrankung der Seele handelt, sondern um eine klare organische Autoimmunerkrankung, die auch als solche diagnostiziert und behandelt werden sollte“, betonte der Neurologe. Dass Autoantikörper tatsächlich als ursächlich für Enzephalitiden gesehen werden können, zeigen unter anderem Zellkulturexperimente und Tiermodelle. So bewirkt die Bindung von anti-NMDA-Antikörpern etwa, dass der NMDA-Rezeptor internalisiert und intrazellulär abgebaut wird. Infolgedessen kommt der Ca2+-Einstrom, der über diese Rezeptoren vermittelt wird, nahezu zum Erliegen [1]. Und injiziert in Mäuse können anti-GABAA-Rezeptor-Antikörper aus Enzephalitis-Patienten in den Tieren typische Krankheitszeichen wie Katatonie und epileptische Anfälle auslösen. „Wir müssen die Antikörper also in jedem Fall aus dem Körper der Patienten entfernen, am besten durch eine Immuntherapie“, so Prüß. Hierbei sei der Zeitfaktor entscheidend: Eine frühe Immuntherapie sei maßgeblich für die gute Prognose. Autoimmune Psychosen wahrscheinlich noch unterdiagnostiziert Zur Therapie der anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis stehen als Mittel der ersten Wahl die Plasmapherese, Steroide sowie intravenöses Immunglobulin G (IVIG) zur Verfügung, zudem auch die B-Zell-Depletion mittels Rituximab, um den Nachschub an B-Zellen und verhindern. Sollte das nicht ausreichen, kämen auch Chemotherapien in Betracht. Empfehlung der Redaktion Schizophrenie oder schizotypische und wahnhafte Störungen – Themenseite Zu den häufigsten Diagnosen, vor allem im stationären Bereich der Psychiatrie, gehört die Schizophrenie. Aber auch die schizotype Störung, anhaltende wahnhafte und akut vorübergehende psychotische Störungen zählen zu dieser Gruppe von Erkrankungen. Auf der Themenseite finden vielfältige Beiträge zum Thema. Klinische Besserung wurde auch durch Therapien beobachtet, die vor allem auf Plasmazellen abzielen, etwa mit dem Proteasominhibitor Bortezomib oder dem anti-CD38-Antikörper Daratumumab [2]. Prüß vermutet, dass autoimmune Psychosen wahrscheinlich noch immer unterdiagnostiziert und unterbehandelt sind. Als „red flags“ nannte er einen subakuten Beginn, Katatonie sowie entzündlichen Liquor. Denkbar sei zudem, dass in den nächsten Jahren noch mehr antikörpervermittelte neurologische Erkrankungen bekannt würden, so der Neurologe. Es konnte etwa gezeigt werden, dass anti-NMDA-Rezeptor-Antikörper im Serum nicht erkrankter Schwangerer mit späteren neurobiologischen Entwicklungsstörungen wie Autismus, Tourette-Syndrom oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen bei den Kindern assoziiert sind. Denkbar sei daher, überlegte Prüß, dass Autoantikörper plazentagängig sind und das Gehirn des Embryos schädigen. Im Mausmodell konnte das bereits gezeigt werden [3]. „Vielleicht handelt es sich um eine prinzipiell behandelbare Form lebenslanger psychiatrischer Morbidität durch Autoantikörper, übertragen in der Schwangerschaft“, so Prüß. Und auch angesichts der derzeitigen Corona-Pandemie seien antineuronalen Autoantikörper von Interesse: Diese wurden, so Prüß, auch in der Zerebrospinalflüssigkeit von Patienten mit Neuro-COVID nachgewiesen. „Möglicherweise ist das Virus selbst Ursache für die Bildung der Autoantikörper, wie wir das auch beim Guillain-Barré-Syndrom kennen. Es bleibt abzuwarten, ob wir eine Erklärung finden, warum Patienten mit long-COVID oder post-COVID daran leiden“, resümierte Prüß. Empfehlung der Redaktion Berichte vom virtuellen DGPPN-Kongress Das Dossier zum Psychiatrie-Kongress In unserem Dossier zum DGPPN-Kongress erwarten Sie u.a. Beiträge zu der Evidenz von Cannabinoiden bei psychiatrischen Erkrankungen. Und sie lesen von ersten Erfahrungen mit Ketamin bei therapieresistenten Depressionen oder wie Kognitionstraining bei affektiven Störungen helfen kann. basierend auf: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), virtuell, 26.11.– 28.11.2020. Symposium S-076 "Autoimmune Psychosen – erster internationaler Konsensus zur Diagnostik und Behandlung“

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