Negative Effekte der Psychotherapie – größtenteils noch unerforscht

Unerwünschte Effekte bei einer Psychotherapie sind keine Randerscheinung, wie auf dem DGPPN-Kongress vorgestellte Studien zeigen. Doch in welchem Ausmaß sie bei einer Psychotherapie auftreten können, ist noch erstaunlich wenig erforscht. Nur wenige Studien haben sich bisher mit den Nebenwirkungen von Psychotherapie befasst. Einige aktuell laufende Untersuchungen wurden im Rahmen des diesjährigen virtuellen DGPPN-Kongresses vorgestellt. Prof. Dr. Bernhard Strauss vom Universitätsklinikum Jena berichtete über Ergebnisse des HARMS-Projekts, in dem die Erfassung negativer Effekte in Psychotherapiestudien untersucht wurde. In die Analyse wurden 115 randomisiert-kontrollierte Studien zur psychotherapeutischen Behandlung von Depression, Angst, posttraumatischer Belastungsstörung und Persönlichkeitsstörung eingeschlossen. Es fand sich, dass in 67% der Studienprotokolle sicherheitsrelevante Aspekte explizit erwähnt wurden, in 27% wurden die Aspekte indirekt genannt (beispielsweise Nonresponse oder Symptomverschlechterung). Eine systematische Erfassung der negativen Effekte war nur in 34% der Protokolle vorgesehen. Strauss fiel dabei auf, dass die Definitionen der negativen Effekte in den Studienprotokollen oft nicht zur Psychotherapie passten, sondern aus pharmakologischen Studien übernommen worden waren (z.B. Geburtsfehler). In einer kürzlich durchgeführten Befragung von 131 niedergelassenen PsychotherapeutInnen gaben die Befragten bei etwa einem Drittel ihrer PatientInnen Nebenwirkungen der Therapie an, schilderte Prof. Dr. Michael Linden, Charité, Berlin. Im Vordergrund standen familiäre und soziale Probleme sowie eine Verschlechterung der Symptome. Auch Schwierigkeiten bei der Krankheitsverarbeitung oder -bewältigung und Therapieabhängigkeit wurden genannt. Linden zufolge bekräftigt dies, dass Psychotherapienebenwirkungen keine Randerscheinung sind. Ähnliches ergab ein Pilotprojekt der Universitätsklinik Jena, in dem 244 Personen, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre in psychotherapeutischer Behandlung befunden hatten, telefonisch zu ihren Erfahrungen befragt wurden. Über die Hälfte (57%) berichteten von mindestens einem durch die Therapie hervorgerufenen negativen Effekt, meist ein Wiedererleben unangenehmer Erinnerungen. Die Thematik werde in Studien bisher nicht angemessen diskutiert, schloss Strauss. Es bedürfe dringend einer evidenzbasierten Definition und einer gezielten Erfassung negativer Psychotherapieeffekte. Empfehlung der Redaktion Berichte vom virtuellen DGPPN-Kongress Das Dossier zum Psychiatrie-Kongress In unserem Dossier zum DGPPN-Kongress erwarten Sie u.a. Beiträge zu der Evidenz von Cannabinoiden bei psychiatrischen Erkrankungen. Und sie lesen von ersten Erfahrungen mit Ketamin bei therapieresistenten Depressionen oder wie Kognitionstraining bei affektiven Störungen helfen kann. basierend auf: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), virtuell, 26.11.– 28.11.2020. Symposium S-079 "Nebenwirkungen und unerwünschte Effekte von Psychotherapie"

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