LSD-unterstützte Psychotherapie lindert Ängste

Eine psychotherapeutisch betreute LSD-Therapie kann offenbar starke Angststörungen anhaltend lindern. Auch Depressionen gehen zurück. Die Effekte halten teilweise über ein Jahr hinweg an. Das Interesse der Psychiatrie an Psychedelika ist zurück – in den vergangenen Jahren gab es viele zumeist kleinere Studien mit hohen Effektstärken, die auf eine gute Wirksamkeit halluzinogener Substanzen bei Ängsten und Depressionen deuten. Überwiegend wurde dabei Psilocybin verwendet, doch auch der „Klassiker“ LSD wird weiterhin untersucht, vor allem Forschungsgruppen in der Schweiz sind hier aktiv – dort ist es deutlich einfacher als in Deutschland, Genehmigungen für solche Studien zu bekommen. Auf dem DGPPN-Kongress in Berlin stellte Privatdozent Felix Müller von der Universität Basel Daten einer kleinen Phase-2-Studie vor, in der sich starke Ängste mithilfe von LSD anhaltend lindern ließen. Vorausgegangen waren kleinere Phase-1- und Dosisfindungsstudien, an denen bislang über 180 Personen teilgenommen und LSD in psychotherapeutisch begleiteten Sitzungen eingenommen haben. Dabei ergaben sich die höchsten Plasmakonzentrationen in der Regel eineinhalb Stunden nach der Einnahme, die maximalen psychedelischen Effekte nach zweieinhalb Stunden. Allerdings, so Müller, ist die Varianz bei den einzelnen Personen recht hoch, was sich mit unterschiedlichen Cytochrom-P450-Varianten erklären lässt. Eine weitere Erkenntnis aus diesen Studien: Bei 100 Mikrogramm LSD wird in der Regel ein Cieling-Effekt erreicht, eine höhere Dosis führt meist zu keinen stärkeren Effekten. Auch sind die Erlebnisse unter LSD nicht immer positiv, etwa 30% berichten über unangenehme Erfahrungen, für jede zehnte Person sind sie überwiegend negativ, für solche Menschen sei die Behandlung eher ungeeignet, erläuterte der Psychiater. Leichte Flashbacks wurden ebenfalls bei etwa jeder zehnten Person am Behandlungstag beobachtet. Deutliche Angstreduktion nach der ersten LSD-Sitzung In der nun vorgestellten Phase-2-Studie hat ein Team um Müller das Psychedelikum randomisiert-kontrolliert bei 44 Personen mit Angststörungen geprüft. Rund die Hälfte hatte die Ängste aufgrund einer terminalen körperlichen Erkrankung, zumeist Krebs, die übrigen wiesen rein psychische Diagnosen auf, etwa eine generalisierte Angststörung oder Phobien. Geplant war ein Cross-over-Design: Ein Teil bekam zweimal 200 Mikrogramm LSD im Abstand von sechs Wochen, die übrigen erhielten zunächst ein inaktives Placebo. Nach einem halben Jahr wurden die Rollen getauscht, insgesamt dauerte die Studie ein Jahr. Die LSD-Behandlung war in eine Psychotherapie mit rund 14 Sitzungen über ein Jahr hinweg eingebettet. In der Gruppe, die zuerst LSD bekam, sank der Wert auf dem State-Trait-Angstinventar (STAI) von anfangs 105 auf etwa 80 Punkte und blieb dann bis zum Studienende auf diesem Niveau. Der Effekt war bereits nach der ersten LSD-Sitzung zu beobachten, die zweite führte nur noch zu einer geringen Reduktion. Kopfschmerzen, Übelkeit und Wahn als Nebenwirkung Bei den Teilnehmenden mit Placebo schwankten die STAI-Werte zunächst um 120 Punkte und brachen dann in der zweiten Studienhälfte unter LSD ebenfalls um etwa 25 Punkte ein. Die Veränderungen zwischen beiden Gruppen in der ersten Studienphase waren signifikant, später nicht mehr, da die STAI-Werte dann in beiden Gruppen konstant niedrig lagen. Ein ähnliches Bild ergab sich für die Depressivität: Der HAMD-21-Wert sank unter LSD um etwa 10 Punkte, stieg im Laufe eines halben Jahres aber wieder leicht an. Tendenziell schienen die Betroffenen mit somatisch begründeten Ängsten am stärksten von der Therapie zu profitieren, so Müller. Insgesamt ergab sich eine recht hohe Effektstärke (Cohen’s d) von 0,9 für Ängste und 1,1 für Depressionen. Drei Personen entwickelten unter LSD starke Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Ängste – bei ihnen wurde die zweite Dosis auf 100 Mikrogramm reduziert. Für eine Person war die Erfahrung so unangenehm, dass sie aus der Studie ausschied. Eine Person entwickelte starke Ängste und Wahnvorstellungen am Therapietag – sie musste mit Lorazepam und Olanzapin behandelt werden. Ein Problem der Studie war die fehlende Verblindung – praktisch alle wussten anhand der psychedelischen Effekte, ob sie LSD bekommen hatten. Auch schien die Dosis für einige etwas zu hoch zu sein. Das Team um Müller hat inzwischen eine weitere Phase-2-Studie mit 60 Teilnehmenden abgeschlossen, hier wurde auf ein Cross-over-Design verzichtet, stattdessen gab es als aktives Placebo 25 Mikrogramm LSD. Zudem erhielten die Patientinnen und Patienten bei der ersten Verumdosis nur 100 Mikrogramm, mit der Option, bei der zweiten Anwendung die Dosis zu verdoppeln. Die Resultate sollen in Kürze veröffentlicht werden. Empfehlung der Redaktion Berichte vom hybriden DGPPN-Kongress Das Dossier zum DGPPN-Kongress 2022 Vom Psychoterror der Diktaturen, Biomarkern für Depression und LSD gegen Ängste – auf dem diesjährigen Kongress der DGPPN referierten Fachleute zu neuen Therapien und auch dunklen Kapiteln der psychiatrischen Medizingeschichte. Und in der Diskussion um die aktuelle Reform der Suizidassistenz ist vor allem eins gefordert: Klarheit. Diese und weitere Highlights haben wir für Sie zusammengefasst. Quelle: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin 23.–26.11.2022. Symposium 073: Auf dem Weg zu einem evidenzbasierten Einsatz von Psychedelika in der Psychiatrie.

Springer Medizin

LSD-unterstützte Psychotherapie lindert Ängste

Weiterführende Themen

Neu in den Fachgebieten Neurologie und Psychiatrie

Demenzkranke durch Antipsychotika vielfach gefährdet

Parkinson-Therapie im Wandel – aktuelle Leitlinie im Fokus

Weniger postpartale Depressionen nach Esketamin-Einmalgabe

Auf diese Krankheiten bei Geflüchteten sollten Sie vorbereitet sein