Ayahuasca zur sanften Psychedelika-Therapie

Forschende aus Zürich wollen den psychedelischen Pflanzensud Ayahuasca medizinisch nutzbar machen. Sie haben die beiden Hauptwirkstoffe isoliert und in einer ersten Studie bei gesunden Probanden erfolgreich geprüft. Wer die Erleuchtung mit Ayahuasca anstrebt, braucht einen gesunden Magen: Der im Amazonasbecken von indigenen Völkern verwendete Pflanzensud schmeckt mitunter faulig-bitter und führt nicht selten zu Übelkeit und Erbrechen. Dennoch erfreut sich Ayahuasca einer steigenden Beliebtheit bei ausländische Touristen, die sich in sogenannten „Heilungszentren“ von Schamanen oder neoschamanistischen Heilern auf eine spirituelle Reise führen lassen. Das „Ticket“ für eine solche Reise besteht in der Regel aus psychedelisch wirkenden Tryptaminderivaten der Pflanze Chacruna (Psychotria viridis) sowie die Wirksamkeit verlängernden Harmin-Alkaloiden aus der Ayahuasca-Liane (Banisteriopsis caapi). Für Ayahuasca interessieren sich aber nicht nur Schamanen und ihre Anhänger, sondern mittlerweile auch westliche Medizinmänner und -frauen, welche darin eine potenzielle Therapie gegen Ängste und Depressionen sehen. Eingebettet in eine Psychotherapie könnte Ayahuasca ähnlich wie Psilocybin dysfunktionale neuronale Regelkreise durchbrechen, erläuterte Dr. Milan Scheidegger von der Psychedelischen Forschungs- und Therapieentwicklung an der Universität in Zürich. Da sich ein Pflanzensud aber kaum für eine standardisierte Therapie eignet, haben Scheidegger und Mitarbeiter zunächst die Hauptkomponenten isoliert: So gewannen sie das mit Psilocin verwandte N,N-Dimethyltryptamin (DMT) aus der Wurzelrinde von Mimosa hostilis. DMT wirkt wie die meisten Halluzinogene über den Serotonin-Rezeptor 5-HT2A, bindet aber auch an die Varianten 1A und 1C sowie an den Sigma-1-Rezeptor. Harmin verlängert über die MAO-A-Blockade die Wirkdauer von DMT und hat zusätzlich dopaminerge Effekte. Traumähnliche Wahrnehmungsveränderungen In einer Dosisfindungsstudie mit zehn jungen Männern erwies sich die Kombination von 100 mg Harmin (buccal) plus 100 mg DMT (intranasal) als vielversprechend. Diese untersuchten die Psychiater weiter placebokontrolliert bei 34 jungen Männern in einem Cross-over-Design: Die Probanden bekamen einmal beide Wirkstoffe, einmal Harmin plus Placebo und einmal nur Placebo. Die Behandlungen erfolgten jeweils im Abstand von einem Monat in einem Versuchsraum mit angenehmer Atmosphäre. Die DMT-Dosis wurde dabei in 15-Minuten-Schritten über zwei Stunden hinweg eindosiert, um über längere Zeit konstante Wirkspiegel zu erzielen. Harmin erreichte nach etwa eineinhalb Stunden seinen Plasmapeak, DMT etwas später. Mit Harmin alleine ergaben sich praktisch keine psychotropen Effekte, unter der Harmin-DMT-Kombination fluteten solche Effekte langsam an, erreichten nach 60 Minuten ihr Maximum und schwollen nach drei Stunden wieder ab. Übelkeit und Erbrechen wurden nicht beobachtet, ebenso wenig ein massiver Kontrollverlust. Nach der Sitzung, so Scheidegger, seien die Probanden recht schnell wieder funktionsfähig gewesen. Durch die intranasale Applikation seien die Effekte zudem gut steuerbar. Berichtet wurden traumähnliche Wahrnehmungsveränderungen, darunter Synästhesien, ein Eintauchen in die innere Phantasiewelt, empathische Wirkungen wie emotionale Offenheit und Verbundenheit, intensivierte Gefühle sowie die Reflexion vergangener Erlebnisse. „Wir waren überrascht, dass wir keine Angstzustände gesehen haben“, erläuterte der Psychiater. Dies habe vermutlich auch an der langsamen Eindosierung gelegen. Nach den DMT-Sitzungen waren die Probanden zumeist positiv und optimistisch gestimmt und vorübergehend weniger neurotisch. Das Präparat sei daher gut für Studien zur Psychedelika- unterstützten Psychotherapie geeignet, vor allem auch für vulnerable Personen, die eine sanfte Herangehensweise benötigten, so Scheidegger. Empfehlung der Redaktion Berichte vom hybriden DGPPN-Kongress Das Dossier zum DGPPN-Kongress 2022 Vom Psychoterror der Diktaturen, Biomarkern für Depression und LSD gegen Ängste – auf dem diesjährigen Kongress der DGPPN referierten Fachleute zu neuen Therapien und auch dunklen Kapiteln der psychiatrischen Medizingeschichte. Und in der Diskussion um die aktuelle Reform der Suizidassistenz ist vor allem eins gefordert: Klarheit. Diese und weitere Highlights haben wir für Sie zusammengefasst. Quelle: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin 23.–26.11.2022. Symposium 073: Auf dem Weg zu einem evidenzbasierten Einsatz von Psychedelika in der Psychiatrie.

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