Die transkranielle Magnetstimulation führt in Deutschland noch immer ein Schattendasein. Dabei ist die Wirksamkeit bei anhaltenden Depressionen oft besser als eine medikamentöse Augmentation. Neue Studien sollen nun die Einsatzmöglichkeiten erweitern.
„Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) sollte bei therapieresistenten Depressionen angeboten werden.“ So steht es jedenfalls in der 2022 aktualisierten „Nationalen Versorgungsleitline unipolare Depression“. In Deutschland werde im Gegensatz zu vielen anderen Ländern jedoch recht wenig Gebrauch von dieser Art der Depressionstherapie gemacht, erläuterte Professor Andreas Fallgatter, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Tübingen. Ein Grund sei die restriktive Erstattung: Oft zahlten die Kassen nur bei stationärer oder teilstationärer Behandlung und bei einer schweren therapieresistenten Episode. Immerhin seien die privaten Krankenkassen hier etwas flexibler, so der Psychiater auf dem DGPPN-Kongress in Berlin. Dabei habe die rTMS gegenüber medikamentösen Verfahren einige Vorteile: So ließen sich praktisch kaum Nebenwirkungen feststellen – die Abbruchraten unter der rTMS seien in Studien nicht höher gewesen als unter einer Scheinstimulation. Die Wirksamkeit lasse sich ferner auch biologisch gut begründen: So ist bei Depressiven oft die Aktivität im linken dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC) vermindert, eine hochfrequente rTMS kann die Aktivität wieder erhöhen. Durch die Magnetfeldimpulse kommt es zu einer Depolarisation der Neuronen in den obersten zwei Zentimetern der Hirnrinde, diese soll die neuronale Plastizität und damit letztlich auch die Aktivität in diesem Bereich deutlich erhöhen.
Gut belegte Wirksamkeit
Die Wirksamkeit des Verfahrens konnte in den vergangenen 20 Jahren in etlichen Studien belegt werden. Fallgatter verwies auf eine US-Studie, in der 301 Personen mit therapieresistenter Depression entweder per rTMS oder Scheinstimulation über dem linken DLPFC behandelt wurden: Mit der aktiven Stimulation gingen die Werte auf der Hamilton-Depressionsskala (HAMD-17) um rund 5 Punkte zurück, mit der Scheinstimulation um 3 Punkte. Response- und Remissionsraten waren mit der aktiven Stimulation rund doppelt so hoch wie unter der Scheinstimulation (OʼReardon et al; Biol Psychiat 2007). Eine Metaanalyse von 42 zumeist älteren Studien kam auf eine moderate Effektstärke von 0,5 (Hedgesʼ g) im Vergleich zur Scheinstimulation.
Neuere Studien zielen nun verstärkt auf einen Vergleich mit medikamentösen Strategien bei Therapieresistenz. In einer Publikation aus diesem Jahr verglichen Forschende die rTMS bei 89 Depressiven, die zwei erfolglose medikamentöse Therapieversuche hinter sich hatten (Dalhuisen et al, Am J Psychiatry 2024). Rund die Hälfte bekam die rTMS, die übrigen erhielten einen erneuten Wechsel des Antidepressivums, alle zusätzlich zu einer Psychotherapie. In der Gruppe mit rTMS sank der HAMD-Wert von anfangs 22 Punkten auf 12 Punkte, in der Gruppe mit Switch nur auf etwa 17 Punkte. Eine Response erzielten jeweils 38% und 15%, eine Remission 27% und 5%.
Eine weitere Studie aus diesem Jahr verglich bei 278 Personen mit therapieresistenter Depression drei Strategien: einen Switch auf Venlafaxin oder Duloxetin, die Augmentation mit Aripiprazol sowie die Augmentation mit rTMS (1). Mit dem Switch erzielten 36% eine Response gemäß der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS), mit Aripiprazol 38% und mit rTMS 52%. Ein ähnliches Bild ergab sich bei den Remissionsraten: je 25% mit Switch und Aripiprazol, 34% mit der rTMS. Letztlich war nur die Augmentation per rTMS einem Switch überlegen.
Studie mit verbessertem Verfahren
Bislang wird die rTMS in der Regel nur bei therapieresistenter Depression eingesetzt, Fallgatter verwies jedoch auf eine gerade in Tübingen begonnene Studie, die das Verfahren auch in der Erstbehandlung gegen SSRI prüft. Solche Studien dürften die Wahlmöglichkeiten erweitern: Die Betroffenen könnten sich dann für Medikamente, eine Psychotherapie oder eben die rTMS entscheiden.
Schließlich wird auch versucht, das Verfahren selbst zu verbessern, etwa per Theta-Burst-Stimulation (TBS). Diese ermöglicht eine kürzere Stimulationsdauer und führt ersten Studien zufolge zu länger anhaltenden Effekten. Das Verfahren verkürzt nicht nur die Therapiezeiten, sondern ermöglicht auch eine Behandlung beider Hemisphären in einer Sitzung: aktivierend über dem linken, inhibierend über dem rechten DLPFC. In einer deutschen Studie wird die TBS derzeit in sieben Zentren bei 236 Depressiven gegen eine Scheinstimulation geprüft. Anhand diverser Biomarker (strukturelles MRT, Genetik) soll zudem evaluiert werden, welche Menschen am besten von dem Verfahren profitieren. Die Studie ist schon fast abgeschlossen, Fallgatter erwartet erste Ergebnisse im kommenden Jahr.
Alle Beiträge vom Psychiatriekongress finden Sie im DGPPN-Kongressdossier 2024.
basierend auf: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Berlin, 27.–30.11.2024. Symposium S 037: Entwicklungen in der Behandlung der unipolaren Depression mit Fokus auf schwer zu behandelnden Depressionen. Andreas Fallgatter: Neurostimulationsverfahren.