Plötzlicher Herztod in der Familie: Diese Untersuchungen sind bei Angehörigen Pflicht

Nach dem plötzlichen Herztod eines Familienmitglieds ist eine Untersuchung der Angehörigen auf familiäre Herzerkrankungen unerlässlich. In der Herzgenetik-Ambulanz der LMU München wird dazu ein Algorithmus eingesetzt, der Anamnese, klinische und molekulargenetische Untersuchungen umfasst. Wenn ein junger Mensch plötzlich an einer kardialen Ursache verstirbt, kommt es im Interesse der Angehörigen auf die möglichst genaue Klärung der Diagnose an. Familiäre Arrhythmiesyndrome zählen zu den häufigsten Ursachen des plötzlichen Herztodes in jungem Alter. Bestätigt sich ein entsprechender Verdacht, können durch geeignete Präventionsmaßnahmen „sehr wahrscheinlich viele weitere frühzeitige Todesfälle in der Familie vermieden werden“, so Dr. Britt-Maria Beckmann, München. Seit 2004 untersucht und berät die Kardiologin in der „Spezialambulanz für familiäre Arrhythmiesyndrome“ der LMU Angehörige von mutmaßlich an einem plötzlichen Herztod Verstorbenen. Vorsicht mit Interpretation genetischer Befunde! Seit 2012 wird dabei auch das „Next Generation Sequencing“ eingesetzt. „Es ist aber nicht so, dass man einen Gentest macht und dann die Diagnose hat!“, betonte Beckmann. Vorsicht mit der Interpretation der genetischen Befunde sei in jedem Fall angebracht, denn bekanntermaßen trügen alle Menschen seltene Genvarianten. „Wenn Sie von einer falschen ursächlichen Variante ausgehen, können Sie bei den Familien großen Schaden anrichten!“, warnte die Expertin. Selbst wenn eine prädisponierende Genvariante bei einem Familienmitglied gefunden werde, heiße das noch lange nicht, dass die betreffende Person daran erkranken müsse. Die genetische Untersuchung dürfe grundsätzlich „nur im Kontext mit der klinischen Untersuchung der Angehörigen erfolgen.“ Algorithmus hilft bei der Abklärung In der Spezialambulanz wird zur Identifizierung familiärer Herzerkrankungen ein eigens entwickelter Algorithmus eingesetzt. Demnach sollte zunächst eine sorgfältige Anamnese erfolgen, die sich in der Familie über möglichst drei Generationen erstreckt. Darüber hinaus empfohlen werden laut Beckmann ein 12-Kanal-EKG (24-h-EKG), eine Ergometrie sowie eine Echokardiografie. Diese Untersuchungen können im Einzelfall ergänzt werden durch ein Herz-MRT (zur Abklärung z. B. einer arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie, ARVC) sowie durch einen Ajmalintest (wenn es gilt, ein Brugada-Syndrom zu demaskieren). Weisen die Ergebnisse auf ein familiäres Arrhythmiesyndrom hin, wird eine entsprechende molekulargenetische Untersuchung anberaumt. Der daraus resultierende Befund muss dann noch auf seine Plausibilität geprüft werden, wobei geschaut wird, ob Genotyp und Phänotyp innerhalb der Familie korrelieren. Bleibt die Diagnose auch danach unklar, sollte eine Nachbeobachtung erfolgen. Studie mit 63 betroffenen Familien Mit diesem Vorgehen konnten Beckmann und ihr Team in einer Studie mit 63 betroffenen Familien immerhin mehr als ein Drittel (37%) der zuvor ungeklärten Herztodesfälle aufklären. Das mittlere Alter bei Todeseintritt lag bei 23 Jahren; in 53 Fällen lag ein - unauffälliger oder unspezifischer - Obduktionsbefund vor. In fünf Fällen wurde ein Long-QT-Syndrom (LQTS) identifiziert, in ebenfalls fünf Fällen eine AVC/ARVC und in drei Fällen eine katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT). In zwei weiteren Fällen handelte es sich um die familiäre Form einer dilatativen Kardiomyopathie bei Laminopathie. Bei den Kindern bis zehn Jahre lag in allen Fällen ein primäres Arrhythmiesyndrom (Ionenkanaldefekt) zugrunde, bei den Über-40-Jährigen handelte es sich ausschließlich um strukturelle arrhythmogene Erkrankungen. In den Altersgruppen dazwischen hielten sich die beiden Entitäten jeweils die Waage. Risikopersonen unverzüglich therapieren! Von den insgesamt 279 untersuchten Angehörigen wurden 103 „Risikopersonen“ identifiziert. Diese wurden entsprechend beraten, wobei die therapeutischen Maßnahmen von allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen (z. B. Fiebersenkung, Meidung bestimmter Medikamente) bis hin zur Implantation eines Defibrillators reichten. Die jeweils indizierte Therapie sollte, so Beckmann, „gegebenenfalls unverzüglich begonnen werden.“ Basierend auf: Beckmann B.M.: „Postmortale Evaluierung plötzlicher Herztodesfälle in jungem Alter – Befunde einer Spezialambulanz für Herzgenetik und plötzlichen Herztod“, 98. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM), 17.–21. 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