Geriatrische Urologie: Wie es sich mit Dauerkatheter lebt

Die Lebensqualität von dauerkatheterisierten Personen ist nicht so schlecht, wie vielfach angenommen. Eine Ventilversorgung scheint keine Vorteile zu bringen. Das waren nicht die einzigen überraschenden Ergebnisse einer Studie. Die dauerhafte Urinableitung über Katheter hat großen Einfluss auf die tägliche Arbeit mit älteren und geriatrischen Patientinnen und Patienten. Dennoch ist die Qualität des Lebens mit Dauerkatheter ein Thema, „das in der Urologie bislang völlig unterbelichtet war“, so die selbstkritische Feststellung von Professor Andreas Wiedemann vom Evangelischen Krankenhaus in Witten. „Wenn wir Patienten beraten, dass sie lebenslang eine Harnableitung mit einem transurethralen oder suprapubischen Katheter bekommen sollen, dann sagen wir vieles über Komplikationen wie Blutungen, Infektionen oder Darmverletzungen. Wir sagen ihnen aber nichts über ihr Leben, wie es später sein wird“, monierte Wiedemann beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) in Hamburg. Validierter Fragebogen: Überraschende Ergebnisse Der Urologe leitet den Arbeitskreis Geriatrische Urologie der DGU und hat mit seinen Kollegen bei 355 dauerkatheterisierten Männern und Frauen mit suprapubischen und transurethralen Kathetern die Lebensqualität gemessen. Dazu war ein validierter Fragebogen genutzt worden. Die Ergebnisse fielen teils überraschend aus. So war die Lebensqualität mit einem Gesamtscore von im Median 4,4 von insgesamt 5 Punkten nur moderat eingeschränkt. Als beeinträchtigend werden vor allem die Angst vor Uringeruch, Undichtigkeit und vor Harnwegsinfektionen genannt. Geäußert werden die Sorge, nicht ausreichend zu Trinken oder Probleme bei der Kleiderauswahl. Einige Patienten geben an, Angst vor schmerzhaften Katheterwechseln zu haben. Die bisherige Annahme, suprapubische Katheter seien besser zu tragen als transurethrale Katheter, bestätigt sich in der Studie nicht. „In der statistischen Analyse ergab sich insgesamt kein Unterschied“, sagte Wiedemann. Frauen betrachten ihre Lebensqualität mit suprapubischem Katheter sogar signifikant schlechter als mit transurethralem Dauerkatheter. Der Grund dafür sind trotz Katheter auftretende transurethrale Urinverluste, gefolgt von Nässe und Hautproblemen. Jüngere Frauen beurteilen erwartungsgemäß ihre Lebensqualität mit Dauerkatheter schlechter als ältere. Ventilversorgung ohne Vorteile? Für Diskussionen sorgte der Befund, dass die Nutzung eines Ventils statt eines Urinbeutels scheinbar keinen Einfluss auf die Lebensqualität hat, egal welche Katheter betrachtet werden. Auch zwischen Männern und Frauen ergab sich in diesem Punkt kein statistischer Unterschied. Mehrere Diskutanten äußerten Zweifel, da im Alltag positive Erfahrungen mit Ventilen gemacht werden, unter anderem zur Sturzprävention, weil sich die Patienten dann weniger mit dem Schlauchsystem verheddern. Die Zahl der Stürze war allerdings ebenfalls nicht verschieden und insgesamt nicht wesentlich erhöht. Das Fazit Wiedemanns: Bei der Entscheidung für den einen oder anderen Dauerkatheter zur Harnableitung sollte verstärkt auf die Indikation und das Alter geachtet werden. Frauen sollten womöglich eher keinen suprapubischen Katheter erhalten. Empfehlung der Redaktion Der DGU-Kongress 2022 – alle Highlights Die 74. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie fand unter dem Motto "Gemeinsam Zukunft Gestalten" als Präsenzkongress in Hamburg statt. Diskutiert wurde zum Beispiel, wie es sich mit Dauerkatheter lebt, warum eine asymptomatische Bakteriospermie einen Kinderwunsch vereiteln kann oder welche Entwicklungen in der rekonstruktiven Urologie vielversprechend sind. Quelle: Berichte der Ärzte Zeitung zum 74. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), 21.–24.9.2022, Hamburg

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