Wem und wie viel nützt das Diabetesscreening?

Screening auf Diabetes führt auf die gesamte Bevölkerung bezogen nicht zu geringeren Raten an Mortalität und kardiovaskulären Komplikationen. Diejenigen, die eine Diabetesdiagnose erhalten, scheinen dennoch einen Nutzen aus dem Screening zu ziehen. Seit bald 30 Jahren können sich gesetzlich Versicherte in Deutschland ab einem Alter von 35 Jahren alle zwei Jahre dem Check-up 35 unterziehen. Dabei wird auch der Blutzuckerwert bestimmt, um etwa einem noch nicht erkannten Diabetes auf die Spur zu kommen. Wie sich ein Screening auf Diabetes mellitus mit Blick auf die Mortalitätsrate und die Häufigkeit kardiovaskulärer Zwischenfälle auswirkt, haben Forscher der Universität Cambridge in drei Studien untersucht, deren Ergebnisse kürzlich auf den Onlineseiten der Fachzeitschrift Diabetologia veröffentlicht worden sind. Zwei der Publikationen stammen aus der Feder einer Forschergruppe um die Epidemiologin Rebecca Simmons. In der ersten hatten die Wissenschaftler die Daten von gut 150.000 Patienten ohne bekannten Diabetes analysiert, denen ein Fragebogen zum Diabetesrisiko zugeschickt worden war. Hatte ein mäßiges bis hohes Risiko bestanden, waren sie zu einem Arztbesuch eingeladen worden, um den Diabetesverdacht abzuklären und das kardiovaskuläre Risiko abzuschätzen. Als Kontrollgruppe dienten mehr als 1,7 Millionen Personen, die kein solches Screening durchlaufen hatten. Nutzen für Diabetiker, aber nicht auf Populationsebene Im untersuchten Zeitraum von 2001 bis 2012 ergab sich dabei kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen, Mortalität oder kardiovaskuläre Komplikationen betreffend. Die Sterblichkeitsrate betrug 8,29/1000 Personenjahre mit und 8,87/1000 Personenjahre ohne Diabetesscreening. Die Rate an kardiovaskulären Ereignissen (Herztod, nichttödliche kardiale Ischämien, Schlaganfälle) belief sich auf 13,28/1000 bzw. 13,76/1000. In ihrer zweiten Studie verglichen Simmons und Kollegen dann jene Teilnehmer aus beiden Gruppen, bei denen ein Diabetes diagnostiziert worden war. Und hier änderte sich das Bild: Die Diabetiker aus der Screeninggruppe hatten nach Adjustierung von Störgrößen wie Alter, Geschlecht, Ausbildungsstand und Begleitkrankheiten eine um 21% geringere Mortalität und auch eine um 16% niedrigere Rate an kardiovaskulären Komplikationen als die ungescreenten Kontrolldiabetiker. Die unbereinigten Quoten lagen bei 18,2/1000 vs. 24,6/1000 (Mortalität) bzw. 33,1/1000 vs. 40,8/1000 (Komplikationen). Die Ergebnisse waren bei engen Konfidenzintervallen signifikant. Zu beachten ist dabei, dass die Diagnose von Diabetikern in der Screeninggruppe nur in einem von neun Fällen aufgrund des Screenings gestellt worden war. „Für Diabetiker scheint das Screening nützlich zu sein, unabhängig davon, wie die Diagnose schließlich zustande gekommen ist“, kommentiert Simmons das Ergebnis. Der Nutzen sei allerdings zu klein, um sich auf der Ebene der Gesamtpopulation mit Blick auf Herzerkrankungen, Schlaganfälle und frühen Tod bemerkbar zu machen. Vorteile nach Screeningdiagnose, aber ... Eine Ergänzung erfahren die Resultate von Simmons et al. durch eine dritte Studie unter Führung von Adina Feldman, die ebenfalls als Epidemiologin an der Universität Cambridge tätig ist. Feldman und ihre Mitarbeiter haben untersucht, ob Patienten mit Diabetes, der im Screening entdeckt wurde, eine bessere Prognose haben als Patienten mit klinisch auffällig gewordenem Diabetes. Die Antwort der Wissenschaftler: Ja, aber … Einerseits nämlich war beispielsweise die Mortalität im untersuchten Zeitraum von 1992 bis 2013 bei klinisch diagnostizierten Diabetikern doppelt so hoch wie bei den im Screening erkannten Patienten – wobei solche, die nie an einem Screening teilgenommen hatten noch schlechter dran waren als Patienten, die zwar klinisch diagnostiziert, davor aber gescreent worden waren (Hazard Ratio 2,31 vs. 1,70). Andererseits waren die im Screening diagnostizierten Patienten im Schnitt 4,6 Jahre jünger als die Patienten der Vergleichsgruppe. Ob der günstigere Verlauf der Screeningfälle der früheren Behandlung zu verdanken oder doch auf eine systematische Verzerrung zurückzuführen war – Stichworte: Healthy-User-, Lead-Time- und Length-Time-Bias –, wäre daher erst noch zu klären.

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