Schlechtes Sehvermögen – verkürzte Lebenserwartung

Ist die Sehschärfe von Typ-2-Diabetikern bei der Diagnose schlecht, deutet dies auf eine ungünstige Prognose. In einer Langzeitstudie war die Gesamtsterberate dann deutlich erhöht. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Eine Retinopathie macht bekanntlich vielen Diabetikern zu schaffen, weltweit hat die Zahl von Patienten mit diabetesbedingten Sehproblemen in den vergangenen 30 Jahren um rund zwei Drittel zugenommen, berichten Gesundheitsforscher um Volker Siersma von der Universität in Kopenhagen. Nimmt das Sehvermögen von Diabetikern ab, hat das mitunter gravierende Auswirkungen: Die Betroffenen werden unselbstständiger, stürzen häufiger, ziehen sich zurück, verlieren vielleicht ihren Job und sind nicht mehr so gut in der Lage, ihre Blutzuckerspiegel zu kontrollieren und der Diabetestherapie zu folgen. All das könnte sich auf das Sterberisiko auswirken. Gleichzeitig ist eine Retinopathie ein Zeichen für einen ungünstigen Verlauf des Diabetes und damit vielleicht ein Marker für eine erhöhte Mortalität. In einer Langzeitstudie wollten die Forscher um Siersma schauen, wie deutlich die Sterberate mit der Sehfähigkeit korreliert. Dazu analysierten sie Angaben der Studie „Diabetes Care in General Practice“ (DCGP), an der sich 474 Allgemeinarztpraxen in Dänemark beteiligten. Einbezogen wurden Patienten im Alter von über 40 Jahren, bei denen in den Jahren 1989 bis 1992 ein Typ-2-Diabetes in den teilnehmenden Praxen diagnostiziert worden war. Alle Patienten wurden nach der Diagnose zu einem Augenarzt geschickt, welcher die Sehschärfe nach bestmöglicher optischer Korrektur anhand der Snellen-Tafel bestimmte und in logMAR-Werte (Logarithm of the Minimum Angle of Resolution) umrechnete. Diese reichen von –0,30 (beste Auflösung) bis 3,00. Normal sind Werte unter 0,5; von einer Erblindung wird bei Werten über 1,3 im bestsehenden Auge ausgegangen. Zur Verdeutlichung: Ein Wert von 0 entspricht einer Auflösung von einer Winkelminute. Um 50% erhöhte Sterberate Die Forscher fanden 1241 Patienten mit einer Sehschärfenmessung unmittelbar nach der Diagnose. Von diesen hatten 5,4% bereits eine moderate bis schwere Sehbehinderung, knapp 1% war blind. Patienten mit Sehschwäche waren im Schnitt 78 Jahre alt, solche ohne 64 Jahre. Sechs Jahre später wurde bei den Überlebenden erneut gemessen. Dann zeigten bereits 6,7% eine deutliche Sehbehinderung, 2,4% waren blind. Eine diabetische Retinopathie attestierten die Ärzte zu Beginn 4,1%, nach sechs Jahre 13,7% der Patienten. Die Studienärzte berechneten nun die Sterberate bezogen auf die ersten sechs und die folgenden 13 Jahre. Wurden alle bekannten Begleitfaktoren wie Alter, Geschlecht, Laborwerte und Begleiterkrankungen berücksichtigt, ergab sich für jede Verschlechterung des logMAR-Werts um 1,00 Punkte bei der Diabetesdiagnose eine um 51% erhöhte Gesamtsterberate für die folgenden sechs Jahre. Die diabetesbezogene Sterberate war dagegen nur in den nicht adjustierten Daten erhöht, nach Berücksichtigung der Begleitfaktoren zeigte sich keine signifikante Korrelation mehr zur Sehschärfe. Schauten die Forscher auf das Intervall zwischen der zweiten Messung und den folgenden 13 Jahren, waren sowohl die Gesamtsterberate als auch die Diabetessterberate nur nach den nicht adjustierten Daten erhöht. Danach ist ein schlechtes Sehvermögen nur bei der Diagnose ein unabhängiger Indikator für eine verkürzte Lebenserwartung, später dominieren offenbar andere Faktoren. Ein ähnliches Bild ergab sich für Stürze und Frakturen: Diese traten bei solchen Patienten unabhängig von anderen Faktoren gehäuft auf, die bei der Diagnose schlecht sahen, nicht aber bei solchen mit einer schlechten Sehschärfe sechs Jahre später. Der fehlende Effekt zu späteren Zeitpunkten lässt sich schlicht damit erklären, dass das zweite Intervall doppelt so lange dauerte und die Patienten dann deutlich älter waren. Wer alte Menschen lange genug nachbeobachtet, wird feststellen, dass irgendwann alle sterben, unabhängig von ihrer Ausgangslage. Immerhin, so die Forscher um Siersma, ist eine Sehschwäche bei der Diabetesdiagnose ein schlechtes Zeichen und sollte bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hängen Sehschärfe bei Diabetikern und Sterberisiko zusammen? Antwort: Je schlechter das Sehvermögen bei der Diabetesdiagnose, je häufiger stürzen und umso früher sterben die Patienten. Bedeutung: Ein schlechtes Sehvermögen könnte über eine erhöhte Sturz- und Frakturrate einen frühen Tod bedingen. Einschränkung: Kleine Fallzahlen

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