Gestationsdiabetes: Zweifel am Nutzen einer frühen Intervention

Bei mildem Gestationsdiabetes haben weder Mutter noch Kind einen Nutzen davon, dass durch eine frühe Diagnose in der 24. bis 26. Schwangerschaftswoche die Behandlungsdauer während der Schwangerschaft verlängert wird. Um bei leichtem Gestationsdiabetes den Zusammenhang zwischen einem frühen Therapiebeginn und dessen Einfluss auf den Gesundheitszustand von Mutter und Kind zu überprüfen, werteten Gynäkologen um Dr. Anna Palatnik unter anderem von der Northwestern University in Chicago nachträglich Daten einer randomisierten Studie zum Gestationsdiabetes des National Institute of Child Health aus (NEJM 2009; 361 (14): 1339–1348). Ziel der randomisierten Studie mit fast 1000 Schwangeren war zu prüfen, ob durch eine Therapie bei mildem Gestationsdiabetes perinatale Komplikationen und Komplikationen während der Entbindung reduziert werden. Studie kein Freibrief für die Verlagerung der Therapie "nach hinten" Die Studienteilnehmerinnen befanden sich in der 24. bis 30. Schwangerschaftswoche (SSW) (plus sechs Tage). Als milder Gestationsdiabetes wurde ein Nüchternblutzuckerwert (NBZ) von weniger als 95 mg/dl definiert sowie ein Glukosewert bei mindestens zwei Glukosesuchtests von über 180 mg/dl eine Stunde danach sowie über 155 mg/dl zwei Stunden und über 140 mg/dl drei Stunden später. Patientinnen mit einem normalen Ergebnis beim oralen Glukosetoleranztest und einem NBZ von mindestens 95 mg/dl waren von der Studie ausgeschlossen. Abhängig vom Gestationsalter wurden die Schwangeren je nach Therapiebeginn fünf Gruppen zugewiesen: 24. bis 26. SSW, 27. SSW, 28. SSW, 29. SSW und ≥ 30. SSW. Von 958 Frauen wurden 485 der Therapiegruppe mit Ernährungsberatung und entsprechender Ernährung sowie – falls erforderlich – einer Insulintherapie zugeordnet. In der Kontrollgruppe mit 455 Schwangeren erfolgte ausschließlich die ansonsten übliche Pränatalversorgung. Nach Angaben von Palatnik und ihren Kollegen konnte mithilfe der statistischen Auswertung der Daten kein Zusammenhang zwischen einer frühen therapeutischen Intervention und einem verbesserten Therapieergebnis bei Mutter und Kind festgestellt werden. Frauen, bei denen die Behandlung früh begonnen wurde, schnitten bei den Parametern perinatale Mortalität, Hypoglykämie, Hyperbilirubinämie, neonatale Hyperinsulinämie sowie Geburtstraumata nicht schlechter ab als Teilnehmerinnen, die erst spät während der Schwangerschaft mit der Therapie begannen. Auch bei den sekundären Endpunkten Kaiserschnitt und Aufnahme auf der neonatalen Intensivstation gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen dem frühen und dem späten Therapiebeginn. Die US-Ärzte weisen ausdrücklich darauf hin, dass dieses Studienergebnis kein Freibrief dafür sein solle, bei Schwangeren mit mildem Gestationsdiabetes den Therapiebeginn nach früher Diagnose „nach hinten“ zu verlagern. Zudem träfen die Ergebnisse nicht zwingend auf Frauen mit einem schwereren Verlauf des Gestationsdiabetes zu. Möglicherweise profitierten diese Patienten eher durch eine frühe Diagnose und Therapie.

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