Viele Mädchen mit Typ-1-Diabetes im Schlankheitswahn

Mädchen und junge Frauen mit Typ-1-Diabetes haben kanadischen Forschern zufolge ein besonders hohes Risiko, an einer Essstörung zu erkranken. Damit steigt auch das Risiko für diabetesbezogene Komplikationen. Über die Erkrankung am Typ-1-Diabetes wird den Patienten ein Instrument an die Hand gegeben, ihr Körpergewicht bei Bedarf zu regulieren: So lässt sich über die absichtliche Unterdosierung von Insulin oder das Weglassen von Injektionen bewusst eine Hyperglykämie und infolgedessen eine Ausschwemmung von Glukose über den Urin herbeiführen. Auf diese Weise können dem Schlankheitswahn erlegene Patientinnen ganz gezielt ihr Körpergewicht reduzieren. Entsprechende Praktiken scheinen sich in letzter Zeit zu einem besorgniserregenden Trend vor allem unter jungen Frauen mit Typ-1-Diabetes zu entwickeln, berichten Forscher der University of Toronto. Das Team um die Psychiaterin Patricia A. Colton hat 126 Mädchen mit Typ-1-Diabetes in eine prospektive Longitudinalstudie eingeschlossen. Bei Studienbeginn waren die Patientinnen zwischen neun und 13 Jahre alt. Im Laufe von 14 Jahren wurden die Heranwachsenden insgesamt siebenmal untersucht, wobei man das Augenmerk insbesondere auf die Entwicklung eines gestörten Essverhaltens bzw. einer manifesten Essstörung legte. Das gestörte Essverhalten (Disturbed Eating Behavior, DEB) wurde in der Studie wie folgt definiert: Im letzten Monat musste mindestens eines dieser Kriterien zutreffen: Diät halten; objektive Episoden von Binge Eating; selbstinduziertes Erbrechen; Missbrauch von Laxanzien, Diuretika oder Diätpräparaten; Weglassen von Insulin oder dessen Unterdosierung zum Zweck der Gewichtskontrolle; intensives körperliches Training an mindestens fünf Wochentagen über jeweils mindestens 30 Minuten. Unter den manifesten Essstörungen (Eating Disorder, ED) wurden Anorexia nervosa und Bulimia nervosa subsummiert. Manifeste Essstörung bei jeder dritten Teilnehmerin Zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung, also zwischen zehn und 14 Jahre nach Studienbeginn, erfüllten 32,4% der Teilnehmerinnen die Kriterien für eine ED. Weitere 8,5% befanden sich nach Interpretation der Forscher an der Schwelle dorthin. Laut Colton et al. hatte die Essstörung im Schnitt in einem Alter von 22,6 Jahren begonnen. Die kumulative Wahrscheinlichkeit, über den Studienzeitraum hinweg bis zu einem Alter von 25 Jahren an einer manifesten Essstörung erkrankt zu sein, gaben die Forscher mit 60% an. Für die Entwicklung eines DEB lag dieser Anteil gar bei 79% (wobei man hier aus statistischen Gründen die Grenze bei 23 Jahren zog). Ein direkter Vergleich zur Allgemeinbevölkerung fehlt; die Forscher führen jedoch eine Reihe von Quellen an, aus denen hervorgeht, dass die Prävalenz von Essstörungen in den entsprechenden Altersgruppen allgemein deutlich niedriger liegt. Wie die Forscher nachweisen konnten, zeigten sich die Probleme in ihrer Longitudinalstudie teilweise bereits sehr früh: Unter den 13-Jährigen beispielsweise lag die Punktprävalenz einer ED bei 10,7%. Der Zusammenhang war allerdings nicht linear zum Alter; so schwankte die Prävalenz in den Altersgruppen zwischen 14 und 19 sehr stark (zwischen 1,3% und 32,1%). Probleme bis ins Erwachsenenalter Was auffällt, ist auch die Hartnäckigkeit der Essprobleme, die – mit Unterbrechungen – meist über mehrere Jahre bis ins Erwachsenenalter hinein fortdauerten. So registrierten die Forscher zwischenzeitlich zwar eine hohe Rate an Remissionen (DEB: 57%; ED: 79%); bis dahin vergingen allerdings im Mittel 6,0 bzw. 4,3 Jahre. Mehr als die Hälfte der ED-Patientinnen fiel danach wieder in ihre Essstörung zurück. Unter den Patientinnen, bei denen bereits früh im Studienverlauf ein DEB entdeckt worden war, hatten 92% nach fünf Jahren immer noch mit ihrem Essverhalten zu kämpfen. Besonders besorgniserregend: Um ihr Körpergewicht zu regulieren, hatten insgesamt 27% der Teilnehmerinnen eigenmächtig Insulininjektionen weggelassen. „Diese riskante Methode des Abnehmens gefährdet unmittelbar die Stoffwechselkontrolle und birgt sowohl kurz- als auch langfristige medizinische Risiken“, warnen Colton und Kollegen. Die Autoren fordern, Patientinnen mit Typ-1-Diabetes gerade in der schwierigen Zeit des Übergangs zwischen Kindheit und Erwachsenenalter gut im Auge zu behalten und dabei ganz besonders auf Abweichungen im Essverhalten zu achten.

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