„Kein Screening auf asymptomatische Karotisstenosen!“

Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) rät in einer aktuellen Stellungnahme davon ab, ein allgemeines Screening auf stumme Karotisstenosen durchzuführen. Von einer solchen Routinediagnostik sei mehr Schaden als Nutzen zu erwarten. Eine gleichlautende Empfehlung hatte die USPSTF bereits 2014 ausgesprochen. Nun hat das Expertengremium die Datenlage noch einmal gesichtet. Im sogenannten Reaffirmation Process wurde aber keine neue Evidenz gefunden, die eine Änderung der Empfehlung rechtfertigen würde. Die USPSTF schließt daraus „mit mittelgradiger Sicherheit“, dass „das Screening auf asymptomatische Karotisstenosen in der Allgemeinbevölkerung keinen Nutzen hat und möglicherweise schädlich ist“. Ein Screening soll daher nicht erfolgen (Empfehlungsgrad D). Die Empfehlung bezieht sich auf Erwachsene, die weder eine TIA oder einen Schlaganfall durchgemacht haben noch andere neurologische Symptome aufweisen, die einen möglichen Bezug zu den Karotisarterien haben. Für ihre ablehnende Haltung führt die USPSTF im Wesentlichen drei Gründe an: 1. Viele falsch positive Screeningbefunde: Zwar attestiert eine Metaanalyse der Dopplersonografie eine Sensitivität von 90% und eine Spezifität von 94% bei der Detektion von mindestens 70%igen Stenosen. Die Analyse macht aber keine Angaben zum Anteil asymptomatischer Teilnehmer. Da die Prävalenz stummer Karotisstenosen in der Bevölkerung auf nur 0,5–1% geschätzt wird, wären positive Befunde überwiegend falsch und würden daher unnötige Untersuchungen und Therapien nach sich ziehen. 2. Geringer bis fehlender Nutzen einer frühen Diagnose und Therapie: Ziel des Screenings ist es, durch die Früherkennung einer Karotisstenose die Patienten vor Schlaganfällen und vorzeitigem Tod zu bewahren. Bisher existiert aber keine Studie, die direkt untersucht hat, ob sich das mit einem Screening erreichen lässt. Gleichzeitig gibt es widersprüchliche Ergebnisse dazu, ob eine Wiedereröffnung einer verengten Karotisarterie einen Vorteil hat gegenüber einer alleinigen medikamentösen Behandlung von Schlaganfallrisikofaktoren wie Hypertonie, Hypercholesterinämie, Diabetes. In älteren Studien war die Karotisendarteriektomie (CEA) der konservativen Therapie zwar leicht überlegen, an diesen Studien waren aber nicht ausschließlich asymptomatische Patienten beteiligt und die medikamentöse Therapie war zudem deutlich weniger aggressiv als heute üblich. In zwei neueren Studien, einer zur CEA, einer zur Einlage von Karotisstents (CAS), ergab sich für den kombinierten Endpunkt „Schlaganfall oder Tod innerhalb von 30 Tagen oder ipsilateraler Schlaganfall innerhalb eines Jahres“ kein Unterschied zur rein pharmakologischen Therapie. Nur eine jüngere Studie attestierte der CEA eine bessere Wirkung, die Studie war aber vorzeitig beendet worden und hatte nur 55 Teilnehmer. Fazit: Weil eine Behandlung der Risikofaktoren ohnehin erfolgen sollte und eine Revaskularisation allenfalls einen geringeren Nutzen hat, ist von der Diagnose einer asymptomatischen Karotisstenose ein kleiner bis kein Nutzen zu erwarten. 3. Mögliche Schäden durch die Revaskularisation: Das Risiko, innerhalb von 30 Tagen nach CEA oder CAS einen Schlaganfall zu erleiden oder zu sterben, wird in zwei neuen Studien mit 2,5–3,2% beziffert. Laut Datenbanken und Registern ist die CEA mit perioperativen Insult- und Sterberaten von 1,4% bis 3,5% assoziiert, für CAS schwanken die Anteile zwischen 2,6% und 5,1%. Zur Frage des Screenings auf asymptomatische Karotisstenosen bestehen laut USPSTF aber noch erhebliche Wissenslücken. Eine betrifft den Nutzen von CEA bzw. CAS zusätzlich zu einer optimalen medikamentösen Therapie nach heutigem Standard im Vergleich zur optimalen Pharmakotherapie allein; dazu laufen bereits Studien. Eine weitere Lücke betrifft Instrumente, mit denen sich vorhersagen lässt, bei wem ein erhöhtes Risiko für Karotisstenosen besteht und wer von einer invasiven Therapie profitieren würde. Die aktuellen Empfehlungen der USPSTF stimmen überein mit denen in der deutschen S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge der extracraniellen Carotisstenose“. In der Version aus dem Jahr 2020 heißt es: „Ein allgemeines Screening auf das Vorliegen einer Carotisstenose soll nicht durchgeführt werden.“

Springer Medizin

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