War die Tote auf der Lichtung ein Opfer häuslicher Gewalt?

In einer schwülen Sommernacht wird eine 78-jährige Frau tot in einem Waldstück aufgefunden. Hat der bekannt gewalttätige Ehemann etwas damit zu tun? Der Notarzt glaubt, eine Verletzung am Kopf zu sehen. Die sich auf der Leiche tummelnden Larven und der Herzschrittmacher, der wie eine Blackbox die kardialen Ereignisse der letzten Tage aufgezeichnet hat, führen die Ermittler schließlich auf die richtige Spur. Sommertage mit ungewöhnlich hohen Durchschnittstemperaturen gibt es in letzter Zeit recht häufig. Die oft noch bis tief in die Nacht anhaltende Schwüle kann ungeahnte Auswirkungen haben, z. B. dann, wenn man versucht, bei einer im Wald aufgefundenen Leiche den Todeszeitpunkt festzustellen. Notarzt vermutet Schädel-Hirn-Trauma Wie im Fall einer angeblich seit Tagen vermissten 78-jährigen Frau, die von ihrer Tochter spätabends tot und mit hochgezogenem Sommerkleid auf einer Lichtung gefunden wurde. Den hinzugerufenen Notarzt interessierte vor allem die dunkle Beule an der Stirn, die für ihn zu einem Schädel-Hirn-Trauma passte. Hatte man es mit einer Gewalttat zu tun? Ein Tötungsdelikt lag nahe, schließlich war polizeibekannt, dass der Ehemann der Verstorbenen seine Frau zu Lebzeiten misshandelt hatte. Der Arzt hält seinen Verdacht in der Todesbescheinigung fest, woraufhin die Kripo eingeschaltet wird. Kurz darauf sind die Ermittler vor Ort. Die Körperkerntemperatur beträgt mitten in der Nacht noch 35,8 °C. Üblicherweise wird unter diesen Umständen eine Liegezeit von maximal drei Stunden angenommen. Der Mann behauptet jedoch, er hätte seine Frau am Morgen des Vortags zum letzten Mal gesehen. Wie lange lag die Leiche am Fundort? Auf dem Leichnam haben sich bereits Totenflecke gebildet, die der Rückenlage entsprechen, in der die Frau vorgefunden wurde. Die Totenstarre ist vollständig ausgeprägt und der idiomuskuläre Wulst, eine Muskelkontraktion, die man ggf. durch Anschlagen des M. biceps brachii mit dem Reflexhammer hervorrufen kann, lässt sich nicht mehr auslösen. Die Liegezeit wird daraufhin mit „zwischen 20 und 36 Stunden“ angegeben. Die Körperkerntemperatur passt nicht dazu, aber der vergangene Tag war heiß und selbst zur nächtlichen Stunde zeigt das Thermometer noch gut 20 °C. Was der Kripo auch auffällt, sind die Tierchen, die sich im hellen Schein der Lampen, die das THW aufgestellt hatte, auf dem Körper zu schaffen machen. Die Insekten – es handelt sich um die Fliegenart Lucilia illustris – sind offenbar durch die Helligkeit erneut aktiv geworden. Bereits mehrfach haben sie im Lauf des Tages Eier abgelegt, aus welchen sich noch am Fundort das erste Larvenstadium entwickelt hat. Fliegenlarven helfen, den Todeszeitpunkt einzugrenzen Acht Stunden später liegt die Leiche auf dem Obduktionstisch im Institut für Rechtsmedizin der Universität Leipzig. Die Rechtsmediziner stellen bis auf leichte Abschürfungen keine Verletzungen fest, die Toxikologie ist negativ. Dafür finden sich in der Zerebrospinalflüssigkeit erhöhte Kreatinin- und Harnstoffwerte: Zusammen mit der blassen Farbe der Nieren und dem urämischen Geruch sprechen diese Hinweise für ein akutes Nierenversagen. Zum Zeitpunkt der Sektion hatten die Insekten bereits das zweite Larvenstadium erreicht. Durch Anlegen einer Kontrollzucht bei entsprechenden Umgebungstemperaturen konnte man feststellen, dass die Tiere den Körper der Frau zwischen 10 und 13 Stunden vor dem Auffinden besiedelt haben mussten. Dies bestätigte die Aussage des Ehemanns zum zeitlichen Ablauf. Herzschrittmacher als "Blackbox" Was sich genau abgespielt hatte, verriet schließlich der Herzschrittmacher, den die Rechtsmediziner voll funktionsfähig und mit geladenen Batterien im Körper der Verstorbenen vorfanden. Nach fachgerechtem Ausbau und Auslesung durch einen Kardiologen wurde klar: Bereits 48 Stunden vor dem Auffinden ihres Leichnams hatte die Frau offenbar eine paroxysmale Tachykardie erlitten, die nach 34 Stunden auf den Ventrikel übergegriffen hatte. Weitere vier Stunden später, also zehn Stunden vor dem Auffinden, hatte das Gerät eine dauerhafte Asystolie registriert. Die Frau war eines natürlichen Todes gestorben, womit ihr gewalttätiger Ehemann entlastet war. Die „Beule“ am Kopf, die den Notarzt veranlasst hatte, ein Tötungsdelikt zu vermuten, wurde von den Rechtsmedizinern als aufgrund der Hitze frühzeitig entstandene Fäulnisblase identifiziert. Basierend auf: Schwarz M.: „Entomologische und kardiologische Hilfsmittel zur Todeszeitbestimmung in Fällen kurzer Leichenliegezeit“, 98. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM), 17.–21. 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