Für jeden Patienten die genetisch angepasste Krebstherapie

Mithilfe der Genomsequenzierung wollen Onkologen Tumoren besser beschreiben können. Eines der Ziele: neue Therapieansätze etwa bei fortgeschrittenen oder seltenen Tumoren entwickeln zu können, mit denen sich Patienten auf die individuelle Genetik abgestimmt behandeln lassen. Erste Studienergebnisse sind vielversprechend. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze finden Sie am Ende des Artikels. Die Präzisionsonkologie ist angetreten mit dem Versprechen, Krebspatienten aufgrund ihrer ursächlich beteiligten genetischen Mutationen zu behandeln, unabhängig davon, um welche Krebsart es sich aufgrund der histologischen Befunde handelt. Für die Überprüfung entsprechender Therapieansätze eignen sich Basketstudien etwa mit Krebspatienten, die alle eine Veränderung im Gen für die Tropomyosin-Rezeptorkinase (TRK) tragen, aber unterschiedliche Tumoren haben. Dabei handelt es sich um Fusionen des Gens mit jeweils einem von inzwischen 50 bekannten anderen Genen. Erste Ergebnisse aus drei Basketstudien Es gibt mehrere seltene Krebserkrankungen, bei denen die TRK-Frequenz hoch ist, zum Beispiel Speicheldrüsenkrebs, infantiles Fibrosarkom oder kongenitales Nephrom bei Kindern, wie Professor Stefan Fröhling vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg berichtete. Inzwischen habe man kleine Moleküle als Hemmstoffe des entsprechenden Proteins entwickelt, etwa Larotrectinib, so der „Clinician Scientist“ während einer Veranstaltung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Bei der Onkologentagung ASCO im vergangenen Jahr seien erste Erfolge damit präsentiert worden, so Fröhling, der auch ein Forschungslabor im DKFZ leitet. Die gepoolte Analyse dreier Basketstudien hatte demnach bei 55 Erwachsenen und Kindern eine Gesamtansprechrate von 76% ergeben. Bei 12% der Patienten wurde eine komplette Remission erzielt. In der Studiengruppe waren 13 verschiedene Tumoren vertreten, etwa Lungen-, Schilddrüsen-, Kolon-, Speicheldrüsenkarzinom und Melanom. Um personalisierte Krebsbehandlungen am effektivsten entwickeln zu können, streben in Deutschland Onkologen standortübergreifende Patientenaufnahmen in Studien an. Ein Beispiel dafür ist die MASTER-Registerstudie (Moleculary Aided Stratification for Tumor Eradication Research) mit der Etablierung eines Krebsgenom-Sequenzierungsprogramms. Nach Angaben von Fröhling sollen darin bei jüngeren Erwachsenen Gendefekte von Tumoren und therapeutische Ziele individuell für die Patienten exakt bestimmt werden. Seit März 2016 läuft die standortübergreifende molekulare Stratifizierung. Dieses Programm stehe allen Tumorerkrankungen offen, so Fröhling. Ein wichtiges Element sei ein wöchentliches „Molekulares Tumorboard“, in dem er und seine Kollegen die molekularen Profile unter klinischen Gesichtspunkten bewerteten. „Wir versuchen aber auch, eine Kategorisierung vorzunehmen und die jeweilige Krebsmutation einem bestimmten Signalweg in der Tumorzelle zuzuordnen.“ Daraus resultieren letztlich Interventionsbaskets bzw. -kategorien, etwa die Kategorie „Tyrosinkinasen“, „RAF-MEK-ERK“ oder „PI3K-AKT-mTOR“. Strategie bei fast 900 Patienten getestet Inzwischen wurde diese Strategie bis heute bei 883 Patienten durchexerziert. Nach Angaben von Fröhling sprachen er und die beteiligten Onkologen im Tumorboard bei etwa 75% der Patienten eine evidenzbasierte Behandlungsempfehlung aus. Dieser Empfehlung wurde etwa bei 30% gefolgt. In 5% der Fälle sei die zunächst gestellte Diagnose nochmals auf den Prüfstand gestellt worden. Bei einigen Patienten sei die exakte Tumorform erst auf Grundlage der Genomanalyseergebnisse diagnostiziert worden. Nach Angaben von Fröhling sollen durch die MASTER-Studie mehr Krebspatienten in Deutschland eine umfassende Analyse des Krebsgenoms erhalten, damit der Nutzen im Sinne einer personalisierten Krebsbehandlung bewertet werden kann. Durch diese Strategie können gerade bei seltenen Tumorerkrankungen größere Patientengruppen in klinische Studien aufgenommen werden. Der in der MASTER-Studie verfolgte Ansatz wird auch in der INFORM-Studie (INdividualized Therapy FOr Relapsed Malignancies in Childhood) genutzt. Daran nehmen Kinder mit Tumorrezidiven teil, für die kein etabliertes Behandlungskonzept verfügbar ist. Auch hier wird unabhängig von der Diagnose individuell die klinische Relevanz von gefundenen genetischen Veränderungen für die Klassifizierung des Tumors analysiert, um im Tumorboard nach individuellen therapeutischen Ansätzen zu suchen. Die in Heidelberg entwickelte INFORM-Studie hat sich inzwischen zu einer internationalen Studie entwickelt, hieß es während der Veranstaltung. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie lässt sich die Therapie anhand genetischer Informationen über Tumoren verbessern? Antwort: Es lassen sich bei immer mehr Patienten die Behandlungen an das individuelle Tumorprofil anpassen. Bedeutung: Gerade bei seltenen Tumorerkrankungen gelingt es, durch Programme wie MASTER standortübergreifende Krebsgenom-Sequenzierungsprogramme zu etablieren.

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