Erschienen in:
18.03.2020 | Rückenschmerzen | Leitthema
Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen: Was ist empfehlenswert? Was sollte unterbleiben und warum wird es dennoch gemacht?
verfasst von:
Prof. Dr. Marcus Schiltenwolf, Martin Schwarze
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 5/2020
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Zusammenfassung
Bei Schmerzen im unteren Rücken (Kreuzschmerzen) finden häufig diagnostische und therapeutische Prozeduren statt, die nicht evidenzbasiert sind. In diesem narrativen Übersichtsbeitrag werden Mythos und Evidenz dieser Verfahren vorgestellt und diskutiert.
In den meisten Fällen handelt es sich um nichtspezifische Schmerzen, bei denen keine Grunderkrankung benannt werden kann. Die Bilddiagnostik mittels Röntgen und MRT ist bei neu aufgetretenen nichtspezifischen Rückenschmerzen nur selten hilfreich. Zweifelhaft ist auch die Evidenz für therapeutische Verfahren wie Chirotherapie, verschiedene invasive Therapien wie intramuskuläre Spritzen, Infusionen und Operationen. Überlegenheit gegenüber konservativen Behandlungsmethoden zeigen Verfahren wie Bandscheibenoperationen bei akuten und subakuten Kreuz-Beinschmerzen und Wirbelsäulenversteifungen bei chronischen radikulären Schmerzen. Trotzdem werden diese und andere invasive Methoden in stark zunehmendem Maße durchgeführt. Spontanheilung und die Möglichkeiten der Patienten, für sich selbst schmerzlindernd aktiv zu werden, werden dabei außer Acht gelassen und erhöhte Risiken hingenommen.
Behandlungsverfahren, bei denen die Eigenverantwortung des Patienten, die Verbesserung der körperlichen und psychosozialen Leistungsfähigkeit sowie die Förderung einer positiven Körperwahrnehmung im Vordergrund stehen („interdisziplinäre multimodale Therapien“) zeichnen sich durch überlegene Effekte und Nachhaltigkeit aus. Sie werden vor allem bei nichtspezifischen subakuten und chronischen Rückenschmerzen empfohlen. Aus verschiedenen Gründen werden von Patienten und Ärzten aber weiterhin passive und invasive Therapien bevorzugt. Die dahinterliegenden Mechanismen sollten verstanden werden. Ein Umdenken ist notwendig.