Erschienen in:
14.07.2017 | Triage | Originalien
Diagnostische Güte von Vorsichtungsalgorithmen für den Massenanfall von Verletzten und Erkrankten
verfasst von:
Prof. Dr. A. R. Heller, DEAA, MBA, N. Salvador, M. Frank, J. Schiffner, R. Kipke, C. Kleber
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
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Ausgabe 10/2017
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Zusammenfassung
Hintergrund
Jüngste Großschadenslagen verdeutlichen, wie entscheidend die korrekte Einstufung von Patienten entsprechend ihrer Behandlungs- und Transportdringlichkeit für das Überleben und die Lebensqualität ist. Diese Studie prüft internationale Vorsichtungsverfahren hinsichtlich Sensitivität (SE) und Spezifität (SP) sowie ihres Zeitbedarfs in einem notfallmedizinisch relevanten Patientengut.
Methodik
Fünfhundert konsekutive Luftrettungseinsätze wurden anhand der Einsatzdokumentation ausgewertet. Die Eingruppierung der Patienten erfolgte interdisziplinär durch 19 Notfallmediziner. Jedes Protokoll wurde durch mindestens 3 Sichter unabhängig voneinander und ohne Verwendung von Vorsichtungsalgorithmen nach Sichtungskategorie (SK) klassifiziert. Die Algorithmen der Vorsichtungsverfahren PRIOR (Primäres Ranking zur Initialen Orientierung im Rettungsdienst), mSTaRT („modified Simple Triage and Rapid Treatment“), FTS („Field Triage Score“), ASAV (Amberg-Schwandorf Algorithmus für die Vorsichtung), STaRT („Simple Triage and Rapid Treatment“), Care Flight, Triage Sieve wurden für jeden Patienten computergestützt durchlaufen, um Testgütekriterien für alle Verfahren zu erheben.
Ergebnisse
Die Kohorte hatte ein Alter (MW ± SD) von 59 ± 25 Jahren, einen National Advisory Committee for Aeronautics (NACA) Score von 3,5 ± 1,1 und bestand zu 57 % aus Männern. Bei Eintreffen waren 8 Patienten bereits verstorben, sodass 492 Patienten in die weitere Analyse eingeschlossen wurden. Die prozentuale Verteilung der SK I/II/III war 10 %/47 %/43 %. Die höchste diagnostische Güte zeigten die Verfahren START, mSTaRT und ASAV mit 78 %iger SE und einer SP von 80 bis 83 %. Dabei erreichten chirurgische Patienten eine SE von 95 % und eine SP von 85 bis 91 %. Das neu etablierte Verfahren PRIOR hatte insgesamt bei einer SE von 90 % lediglich eine SP von 54 % und lässt den größten Gesamtzeitaufwand erwarten.
Schlussfolgerung
Zur Identifikation der Schwerverletzten stehen etablierte Verfahren mit akzeptabler diagnostischer Güte zur Verfügung. Das PRIOR-Verfahren zeigte in unserer Studie eine hohe Rate falsch-positiver Ergebnisse (Übertriage), was im Einsatz zu einer Überbeanspruchung der Ressourcen für die Schwerverletzten führen könnte und damit zur Unterversorgung der richtig-positiven SK-I-Fälle. Internistische Krankheitsbilder werden nach wie vor qualitativ ungenügend eingestuft.
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