Erschienen in:
14.09.2017 | Psychotherapie | Forschungsforum
Dialektik der Psychotherapieforschung
Eine Kritik gegenwärtiger Positionen zum Verhältnis von Psychoanalyse und Wirksamkeitsforschung
verfasst von:
Dipl.-Psych. Christian Sell, M.A., Prof. Dr. med. Dr. phil. Rolf-Peter Warsitz
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
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Ausgabe 4/2018
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Zusammenfassung
Die Anwendung psychometrischer Ergebnisforschung auf psychoanalytisch begründete Behandlungen wird kontrovers diskutiert. Einige Autoren argumentieren, dass auch bei psychoanalytischen Behandlungen quantitative Methoden und hinreichend große Stichproben den Goldstandard darstellen. Andere beharren auf der Inkompatibilität von Psychoanalyse und dieser Art von Forschung. Beide Standpunkte greifen, für sich genommen, zu kurz. Im Folgenden wird zunächst gezeigt, inwieweit neuere Entwicklungen und Fortschritte in der psychodynamisch orientierten Psychotherapieforschung es erlauben, die These der grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Psychoanalyse und messender Forschung zurückzuweisen. Psychoanalytische Behandlungen können und sollten psychometrisch beurteilt werden. Allerdings spricht viel dafür, dass die messenden Methoden nur einen Teil der klinisch relevanten Ergebnisse von psychoanalytischen – und allen anderen – Psychotherapien erfassen können. Dies kann deutlich werden, wenn, im Rahmen eines pluralistischen Modells von Wissenserzeugung, zusätzlich zu den Erkenntnismitteln der psychometrischen Forschung auch die (psychoanalytisch-)klinische Hermeneutik in den Blick genommen wird. Diese erlaubt keinen Bezug zu allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, bietet aber einen Zugang zur Singularität und Gesamtheit eines Falls. Die Frage nach dem Erfolg einer konkreten Behandlung kann ohne Berücksichtigung ihrer spezifischen Besonderheiten nicht sinnvoll beantwortet werden. Eine rein psychometrische Ergebnisforschung bleibt daher zwangsläufig unvollständig. Möglichkeiten zur Erweiterung der Ergebnisforschung im Sinne einer pluralistischen Methodologie werden diskutiert.