Mikroskopische Kolitis ist häufige Ursache wässriger Diarrhöen im Alter

Gerade bei älteren Frauen mit nichtinfektiöser Durchfallerkrankung sollte man auch bei unauffälliger Koloskopie an eine mikroskopische Kolitis denken und biopsieren. Hintergrund Als die mikroskopische Kolitis (MC) vor über 30 Jahren erstmals beschrieben wurde, hielt man sie für eine seltene Erkrankung. Entsprechend den histologischen Kriterien unterscheidet man eine kollagene Kolitis (CC) von einer lymphozytären Kolitis (LC). Jüngste epidemiologische Untersuchungen aus Dänemark berichten über eine jährliche Inzidenz von 15/100.000 der CC und 10/100.000 der LC. Der Grund für diese Zunahme ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, darunter die erhöhte Aufmerksamkeit von Gastroenterologen und Pathologen, der häufige Einsatz der Endoskopie und die routinemäßige Entnahme von Biopsien selbst bei makroskopisch unauffälligem Befund. Auch die im höheren Lebensalter besonders häufige Einnahme von NSAR könnte mit im Spiel sein. Abhängig von Geschlecht und Lebensalter ist heute bei 10 bis 30% aller Patienten mit chronischer und blutiger Diarrhö mit einer MC zu rechnen. Patienten und Methoden Anhand der Datenbanken der pathologischen Institute zweier großer Stockholmer Krankenhäuser fand man 818 Patienten, bei denen zwischen 01.01.1980 und 31.05.2010 die Diagnose einer MC gestellt wurde. Die klinischen Charakteristika dieser Patienten wurden retrospektiv ausgewertet. Ergebnisse Von 795 Patienten lagen klinische Daten vor. Der Grund für die diagnostische Abklärung war bei 745 Patienten (94%) eine Diarrhö. 43% hatten eine CC, 57% eine LC. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung der CC-Patienten lag bei 63 Jahren, der LC-Patienten bei 59 Jahren. 55% der CC-Patienten wiesen eine wässrige Diarrhö auf, bei den LC-Patienten waren es nur 43%. Die weiteren Symptome waren Gewichtsverlust, Bauchschmerzen, nächtliche Diarrhö und imperativer Stuhldrang, wobei die Symptomatik bei den CC-Patienten durchweg ausgeprägter war als bei den LC-Patienten. Das Verhältnis der nächtlichen Diarrhö betrug 28 vs. 18% für die beiden Krankheitsbilder. Bei immerhin 37% der CC-Patienten fanden sich diskrete endoskopische Schleimhautveränderungen, bei den LC-Patienten war dies nur in einem Viertel der Fall. Bei 6% der Patienten mit MC diagnostizierte man zusätzlich eine Zöliakie, bei 2,1% auch eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Trotz des relativ hohen Alters der Patienten fanden sich bei der Indexkoloskopie nur bei 51 Patienten Adenome, davon neun (17,6%) in fortgeschrittenen Stadien. Kommentar von Prof. Füeßl "Bei wässriger Diarrhö im Alter koloskopieren und biopsieren" Prof. Dr. med. H. S. Füeßl München × Die Ergebnisse der Untersuchung stützen die Forderung, bei Patienten mit wässriger Diarrhoe im höheren Lebensalter unbedingt eine Koloskopie durchzuführen. Sofern sich keine besonderen anamnestischen Hinweise ergeben, erscheint diese Maßnahme wesentlich sinnvoller als die in der Regel reflexartig durchgeführte mikrobiologische Stuhluntersuchung, die eine wesentlich geringere diagnostische Ausbeute ergibt. Auch wenn sich bei mehr als 30% dieser Patienten bereits makroskopisch Hinweise auf eine Schleimhautirritation ergeben haben, sollten in jedem Fall repräsentative Biopsien an mehreren Stellen durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern. Die mikroskopische Kolitis wird bisher wahrscheinlich als Krankheitsbild unterschätzt. Tatsächlich gehört sie zu den häufigsten Ursachen für wässrige Diarrhöen im höheren Lebensalter. Die Untersuchung hat zwar den Vorteil einer großen Patientenzahl, leider erfahren wir aber aufgrund des retrospektiven Charakters wichtige Dinge nicht. Zum Beispiel konnten keine Daten darüber erhoben werden, ob die Patienten nichtsteroidale Antirheumatika eingenommen hatten. Auch erfahren wir nichts über die durchgeführte Therapie und den langfristigen Verlauf. Bemerkenswert erscheint der Umstand, dass die Rate von Adenomen bei dieser Patientengruppe wesentlich niedriger lag, als es bei Patienten dieser Altersgruppe zu erwarten gewesen wäre. Damit wird eine vor kurzem publizierte Studie unterstützt, die eine unterdurchschnittliche Prävalenz von Kolonpolypen bei chronisch entzündlichen Erkrankungen des Colons gezeigt hat. Bei 2,1% der Patienten wurde eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung diagnostiziert. Ob es sich dabei um eine zufällige Koinzidenz oder ein pathogenetisches Kontinuum handelt, kann aufgrund des Studiendesigns nicht beantwortet werden. Take-home-message Eine chronische wässrige Diarrhö im höheren Lebensalter sollte weniger zur mikrobiologische Stuhldiagnostik, sondern vor allem zur Koloskopie Anlass geben, da die Wahrscheinlichkeit einer mikroskopischen Kolitis wesentlich höher ist als die eines bakteriellen Infekts.

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