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Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 1/2018

17.11.2017 | Übersicht

Die Diskussion um die standardisierte Kriminalprognose in der NS-Zeit

verfasst von: Dr. phil. Dr. med. Florian Berg, Prof. Dr.med. Hans-Ludwig Kröber

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 1/2018

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Zusammenfassung

Der Beitrag schildert die Entwicklung kriminalprognostischer Forschung und entsprechender Instrumente in Deutschland in der Zeit nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Etablierung der prophylaktischen Freiheitsentziehung für „Gewohnheitsverbrecher“ und Nichtbesserungsfähige. Angeregt durch die amerikanische soziologisch arbeitende Kriminologie entwickelte man auch in Deutschland standardisierte, einfache Prognoseinstrumente, von denen es hieß, sie seien der bisherigen, angeblich „intuitiven“ Kriminalprognose überlegen. Der Beitrag schildert die Überprüfungen und Modifikationen, die man vornahm, und die damaligen Diskussionen zwischen Vertretern der Individualprognose und den Vertretern der gruppenstatistischen Aussage. Es erweist sich, dass bestimmte Kernprobleme unverändert geblieben sind, und dass Methodenfragen auch zu rechtspolitischen Fragen führen.
Fußnoten
1
Exner F (1935) Kriminalistischer Bericht über eine Reise nach Amerika. Zeitschr ges Strafrechtswissenschaft 54:345–393 u. 511–543.
 
2
Liszt Fv (1905) Die deterministischen Gegner der Zweckstrafe. In: Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge Bd 2: 1892 bis 1904, Berlin, S. 25–74, Zitat S. 60.
 
3
Schäfer L, Wagner O, Schafheutle J (1934) Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßnahmen der Sicherung und Besserung mit dem dazu gehörigen Ausführungsgesetz. Vahlen, Berlin.
 
4
Wachsmann N (2004) Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat. Siedler, München. Hier insbes. das erste Kapitel „Das Gefängnis in der Weimarer Republik“.
 
5
Viernstein T (1933) Die Bekämpfung der Kriminalität vom bevölkerungspolitischen, rasseanthropologischen und erbbiologischen Standpunkt. In: Schütt E, Viernstein T (Hrsg) Die Bekämpfung der Kriminalität vom bevölkerungspolitischen, rasseanthropologischen und erbbiologischen Standpunkt. Leipzig 1933, S 26–42, Zitat S. 28 f.
 
6
Burgmair W, Wachsmann N, Weber MM (1999) „Die soziale Prognose wird damit sehr trübe …“. Theodor Viernstein und die kriminalbiologische Sammelstelle in Bayern. In: Farin M (Hrsg) Polizeireport München 1799–1999. Belleville, München, S. 250–287, Zitat S. 256.
 
7
Thomas Kailer stimmt dem zu und meint, Viernstein hätte ebenso gut von „kriminalcharakterologischen Untersuchungen“ sprechen können. Kailer T (2011) Vermessung des Verbrechers. Die Kriminalbiologische Untersuchung in Bayern 1923–1945. Transcript, Bielefeld 2011, S. 31 f.
 
8
Burgess E (1928) Factors Determinig Success or Failure on Parole. In: Bruce A, Burgess E, Harno A (eds) The Workings of the Indeterminate-Sentence Law and the Parole System in Illinois. Illinois State Board of Parole, Springfield, p. 203–268. Vor Exner hatte bereits der amerikanische Kriminologe Edwin Sutherland die deutschsprachigen Kollegen kurz über die Arbeit von Burgess informiert. Sutherland E (1930) Prognose von Erfolg oder Fehlschlag bei Bewährungsfrist. Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform 21:507–513.
 
9
Exner F (1935, FN1) S. 539.
 
10
Exner F (1936) Über Rückfall-Prognosen. Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform 27:401–409, Zitat S. 401.
 
11
Schiedt R (1936) Ein Beitrag zum Problem der Rückfallsprognose, Münchner Zeitungsverlag, München, Zitat S. 63.
 
12
Ebd., S. 65.
 
13
Exner F (FN 9) S. 403. Exner präsentierte Schiedts Ergebnisse auch auf der Tagung der Kriminalbiologischen Gesellschaft in München 1937: Exner F (1937) Die Prognose bei Rückfallsverbrechern. Mitteilungen der Kriminalbiologischen Gesellschaft, Graz, Bd 5:43–53.
 
14
Schiedt R (FN 10) S. 69.
 
15
Exner F (FN 9) S. 409.
 
16
Trunk H (1937) Soziale Prognosen an Strafgefangenen. Gestellt auf Grund kriminalbiologischer Untersuchung, nachgeprüft nach 4 Jahren. Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform 28:209–227.
 
17
Exner F (1937) Bemerkungen zu dem vorstehenden Aufsatz von Dr. H. Trunk über „Soziale Prognosen an Strafgefangenen“. Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform 28: 227–230, Zitat S. 229.
 
18
Rothmaler Ch (1999) Von „haltlosen Psychopathinnen“ und „konstitutionellen Sittlichkeitsverbrechern“. Die kriminalbiologische Untersuchungs- und Sammelstelle der Hamburgischen Gefangenenanstalten 1926 bis 1945. In: Kaupen-Haas H, Saller C (Hrsg): Wissenschaftlicher Rassismus. Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften. Campus, Frankfurt New York, S. 257–303, hier S. 274.
 
19
Meywerk W (1938) Beitrag zur Bestimmung der sozialen Prognose an Rückfallsverbrechern. Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform 29:422–444, Zitat S. 443.
 
20
Gerecke W (1939) Zur Frage der Rückfallprognose. Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform 30:35–38, hier S. 37 f.
 
21
Strube W (1937) Rückfallprognose? Blätter für Gefängniskunde 68:24–33, Zitat S. 33.
 
22
Meywerk W (1939) Zur Frage der kriminalbiologischen Prognosestellung. Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform 30: 287–289, Zitat S. 287.
 
23
Schwaab F (1939) Die soziale Prognose bei rückfälligen Vermögensverbrechern. Wiegandt, Leipzig.
 
24
Exner F (1944) Kriminalbiologie in ihren Grundzügen. 2. Aufl. Hanseatische Verlags-Anstalt, Hamburg, S. 323.
 
25
Villinger W (1938) Welche Merkmale lassen am jugendlichen Rechtsbrecher den künftigen Gewohnheitsverbrecher voraussehen? In: Der nichtseßhafte Mensch. Ein Beitrag zur Neugestaltung der Raum- und Menschenordnung im Großdeutschen Reich, in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern herausgegeben vom Bayerischen Landesverband für Wanderdienst, München. Kohnle E F (1938) Die Kriminalität entlassener Fürsorgezöglinge und die Möglichkeit einer Erfolgsprognose. Wiegandt, Leipzig. Beide hielten Schiedts Ansatz für bedeutsam, aber bearbeitungsbedürftig.
 
26
Meywerk W (FN 21).
 
27
Harris A, Phenix A, Hanson RK, Thornton D (2003) Static-99 Coding Rules Revised. Solicitor General Canada, Ottawa.
 
28
Hare RD (2003) Hare Psychopathy Checklist – Revised (PCL-R) 2nd Edition. Multi-Health-Systems, Ontario.
 
29
Glueck S, Glueck ET (1950) Unraveling Juvenile Delinquency. Harvard University Press, Cambridge. Glueck S, Glueck ET (1959) Predicting Delinquency and Crime. Harvard University Press, Cambridge.
 
30
Wachsmann N (2004) Gefangen unter Hitler. Siedler, München.
 
31
Exner F (FN 16).
 
Metadaten
Titel
Die Diskussion um die standardisierte Kriminalprognose in der NS-Zeit
verfasst von
Dr. phil. Dr. med. Florian Berg
Prof. Dr.med. Hans-Ludwig Kröber
Publikationsdatum
17.11.2017
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 1/2018
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-017-0455-y

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