Erschienen in:
26.07.2018 | Schizophrenie | Aktuelles
Die Forensische Präventionsambulanz
Modellprojekt zur Vermeidung von Gewalttaten im Rahmen psychischer Erkrankungen
verfasst von:
PD Dr. med. habil. J. Nitschke, Dipl.-Psych. Z. Sünkel, Prof. Dr. phil. habil. A. Mokros
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 9/2018
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Zusammenfassung
Hintergrund
Um eine Lücke in der allgemeinpsychiatrischen Versorgung schizophrener oder schwer persönlichkeitsgestörter Patienten mit hohem Gewaltrisiko zu schließen, wird seit 2012 am Bezirksklinikum Ansbach eine Forensische Präventionsambulanz erprobt. Im Rückgriff auf forensisch-psychiatrisches Wissen wendet ein multidisziplinäres Team forensische Risikoinstrumente und deliktorientierte, aufsuchende Interventionen an, um Gewaltdelikte zu verhindern und potenzielle Opfer zu schützen. Eine Aufnahme erfolgt nach bestimmten Kriterien, u. a. ein erhöhtes Risikopotenzial für Gewaltstraftaten vor dem Hintergrund einer schizophrenen und/oder schweren Persönlichkeitsstörung.
Fragestellung
Wie lässt sich ein forensisch-psychiatrisches Vorsorgeangebot konzipieren, das komplementär zu allgemeinpsychiatrischen Versorgungsstrukturen eine Unterbringung im Maßregelvollzug zu vermeiden hilft? Erreicht ein entsprechendes Modellprojekt die Zielgruppe?
Material und Methoden
In der Forensischen Präventionsambulanz wird eine auf Gewaltprävention gerichtete Therapie (u. a. Psychoedukation, Gruppentraining, Einzelbehandlung zum Gewaltrisikomanagement) angeboten. Mit allgemeinpsychiatrischen und forensischen Messinstrumenten wurden Daten zum globalen Funktionsniveau („Global Assessment of Functioning“ [GAF]), zum Gewaltrisiko („Historical, Clinical and Risk Management Scale“ [HCR-20]) und zum aggressiven Verhalten (SDAS[„Social Dysfunction and Aggression Scale“]-9) erhoben. Die Werte hinsichtlich GAF, HCR-20, „Psychopathy Checklist Revised“ (PCL-R) bei Aufnahme wurden mit publizierten Kennwerten aus Stichproben mit allgemeinpsychiatrischen und forensisch-psychiatrischen Patienten verglichen.
Ergebnisse
Insgesamt wurden bisher 146 Patienten zwischen 18 und 79 Jahren behandelt. Verglichen mit allgemeinpsychiatrischen und forensisch-psychiatrischen Patienten waren die Kennwerte der Patienten der Forensischen Präventionsambulanz bezogen auf GAF niedriger bzw. PCL-R und HCR-20 höher. Aufgrund der ausgebliebenen Unterbringung in einer forensischen Klinik ist von einer Kostenersparnis, bezogen auf die bisherige Laufzeit, von ca. 4.000.000 EUR auszugehen, dem der Etat der Präventionsambulanz mit 3.000.000 EUR gegenübersteht.
Diskussion
Mit der Forensischen Präventionsambulanz wurde zum ersten Mal in Deutschland das Angebot einer forensisch-psychiatrischen Vorsorge für Patienten mit einem erhöhten Gewaltrisiko praktisch umgesetzt. Die Institutionalisierung und ggf. eine flächendeckende Einführung wird empfohlen.