In unserer immer älter werdenden Gesellschaft müssen wir uns auch zunehmend mit den Themen der Altersmedizin auseinandersetzen. Nicht nur unsere Arbeit zeigt, dass die Versorgung geriatrischer Wirbelfrakturen die Hälfte aller Versorgungen in einer deutschen Wirbelsäulenklinik darstellt [
3,
4]. Die entscheidenden Aspekte sind zum einen die zunehmende Freizeitmobilität der hochbetagten Bevölkerung, wie Reisen, Wandern, Radfahren [
23], zum anderen spielt die mit höherem Lebensalter deutlich zunehmende Osteoporose eine wesentliche Rolle [
24] und ferner wird auch nach stattgehabter Wirbelfraktur oder manifester Osteoporose eine hohe Freizeitmobilität aufrecht erhalten, sodass sich das Risiko einer Zweitfraktur erhöht. Diese Aspekte erklären auch den kontinuierlichen Anstieg geriatrischer Wirbelkörperfrakturen [
25]. Unsere eigenen Ergebnisse spiegeln das in der dezidierten Betrachtung hochbetagter Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen wider. Über 80 % der Behandelten wurde aufgrund einer Fraktur der Brust- oder Lendenwirbelsäule behandelt. Natürlich trägt die moderne Wirbelsäulenmedizin diesen Aspekten bereits auf dem präventiven, konservativen und operativen Sektor Rechnung [
26]. Nicht nur die frühzeitige Diagnostik und Therapie der Osteoporose ist in den Fokus gerückt, auch die operativen Verfahren wurden den Besonderheiten in der Versorgung geriatrischer Wirbelfrakturen angepasst [
1,
25]. Darüber hinaus wurde auf medizinische und traumatologische Zusammenhänge hingewiesen, die eine fokussierte Diagnostik ermöglichen [
2,
27].
Im Bereich der operativen Versorgung geriatrischer Wirbelkörperfrakturen haben sich die augmentiven Verfahren der Kypho- oder Vertebroplastie etabliert. Sie zählen damit zu den häufigsten Therapieoptionen bei diesem Patientenklientel. Allerdings zeigt sich im Rahmen der erweiterten Diagnostik mittels Magnetresonanztomographie (MRT) jedoch häufig eine verletzungsbedingte Mitbeteiligung benachbarter Wirbelsäulensegmente, sodass unter diesem Aspekt eine bisegmentale Hybridstabilisierung vorteilig ist [
12,
19]. So haben sich weitere Operationsverfahren etabliert, die allesamt als minimal-invasive Eingriffe zu bezeichnen sind. Mit diesem Ziel einer zügigen und schonenden Frakturversorgung wird der Multimorbidität dieser Patientengruppe Rechnung getragen. Denn diese Wirbelsäulenpatienten sind durchschnittlich 15 Jahre älter, als andere wirbelsäulenchirurgisch versorgte Patienten. Ähnlich der Versorgung hüftnaher Frakturen hochbetagter Patienten wird auch in der geriatrischen Wirbelsäulenchirurgie zunehmend der goldene Weg zwischen schonender Operationsmethode und frühzeitigster Mobilisierung verfolgt. Das zeigt sich insbesondere am Verfahren der Hybridstabilisierung in Kombination mit einer geriatrischen Komplexbehandlung. Zum einen ist mit diesem Operationsverfahren auch die Möglichkeit gegeben, komplexe Wirbelkörperfrakturen zu versorgen [
19,
28]. Erste Studien zur Hybridstabilisierung lassen die Tendenz erkennen, dass sich das Risiko von Anschlussfrakturen gegenüber der alleinigen Kypho- oder Vertebroplastie reduziert [
12,
13,
16]. Die geriatrische Komplexbehandlung verfolgt zudem die Ziele, den Patienten frühzeitig zu mobilisieren und mit identischem Mobilitätsgrad wieder in die Häuslichkeit zu entlassen. Ein entscheidender Faktor für das stationäre Outcome der Patienten ist die Operationszeit, insbesondre im Hinblick auf die postoperative Mobilisierung und Wundheilungsstörungen [
29,
30]. Allerdings spiegelt die häufig zitierte „Schnitt-Naht-Zeit“ nicht die gesamte Dauer des operativen Stresses für den geriatrischen und damit häufig auch multimorbiden Patienten wider [
7,
11]. Gerade bei Eingriffen an der Wirbelsäule und den damit verbundenen Lagerungen übersteigt die Narkosedauer die reine Schnitt-Naht-Zeit um ein Vielfaches. Auch wenn die Kyphoplastie in der Literatur häufig als „schneller“ Eingriff deklariert wird, zeigen unsere Untersuchung recht eindrücklich, dass die reine Schnitt-Naht-Zeit unter dem Aspekt des perioperativen Stresses für die Patienten in den Hintergrund rückt und für den Patienten dennoch einen perioperativen Stress von über 2 h bedeutet. Zu diskutieren wäre die Kyphoplastie in Lokalanästhesie, die in der ambulanten und angelsächsischen Versorgung einen höheren Stellenwert hat und sicherlich den perioperativen Stress unter 60 min hält. Allerdings sinkt die Indikationsstellung zur ambulanten Versorgung oder Kyphoplastie in Lokalanästhesie bei dem in dieser Studie hochbetagten und in vielen Fällen multimorbiden Patientengut. Ferner relativiert sich die vermeintlich längere Operationszeit der technisch aufwendigeren Eingriffe der perkutanen dorsalen Stabilisierung deutlich [
31,
32]. Auch wenn die Vorteile der Hybridstabilisierung gegenüber der reinen Augmentation augenscheinlich sind [
28], so sollten die eingangs erwähnten Indikationsstellungen Beachtung finden. Dabei sollte die Komplexität der Operationsindikation mit Berücksichtigung von Morbidität, Osteoporosegrad, Alter und Mobilität der Patienten die Vor- und Nachteile der hier betrachteten Verfahren Hybridstabilisierung, Kyphoplastie und perkutane dorsale Stabilisierung berücksichtigen. Auch im postoperativen Verlauf wird den medizinischen und biologischen Faktoren der hochbetagten Patienten Rechnung getragen. Insbesondere die geriatrische Komplexbehandlung hat in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt. Auch für die alterstraumatologische Behandlung lässt sich eine Zunahme dieser Behandlungsform abbilden [
18,
20]. Wenn auch diskutiert wird, dass die geriatrische Komplexbehandlung auch zur Gewinnoptimierung implementiert wird, ist von einem klaren Mehrwert für den Patienten auszugehen. Allein schon aufgrund der Multimorbidität der hochbetagten Patienten ist die Vergütung gegenüber jüngeren Wirbelsäulenerkrankungen deutlich besser. Das konnten wir für die Versorgungsformen Hybridstabilisierung, Kyphoplastie sowie bi- und polysegmentale perkutane Stabilisierung eindrücklich zeigen, die insbesondere bei Patienten über 70 Jahren zur Anwendung kamen [
33,
34]. Ein deutlicher Mehrwert für die geriatrischen Kliniken lässt sich aber dennoch mit der Komplexbehandlung erzielen. So zeigen unsere Untersuchungen eine nahezu Vergütungsverdopplung. Zwar verlängert sich der stationäre Aufenthalt um 7 bis 10 Tage, aber bei der aktuellen pflegerischen Kostenschätzung von 150 € pro Tag ist auch der monetäre Mehrwert nicht zu vernachlässigen. Es kristallisiert sich somit ein positiver Effekt für den einzelnen Patienten und die behandelnden Kliniken gleichermaßen heraus, sodass die Behandlungsform Hybridstabilisierung und geriatrische Komplexbehandlung bei Wirbelfrakturen hochbetagter Patienten als zukünftiger Goldstandard bezeichnet werden darf [
18,
35].