Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Abkürzungen
CT
Computertomographie
ECOG
Eastern Cooperative Oncology Group
HE-Färbung
Hämatoxylin-Eosin-Färbung
IHC
Immunhistochemie
MALT
Mukosaassoziiertes lymphatisches Gewebe
MCH(C)
„Mean corpuscular hemoglobin (concentration)“
MCV
„Mean corpuscular volume“
PET
Positronenemissionstomographie
Anamnese
Eine 73-jährige Patientin stellte sich bei uns mit einer unklaren Mundschleimhautveränderung am Gaumen vor. Die Patientin verneinte Beschwerden und zeigte sich in gutem Allgemeinzustand. Bei Zustand nach Hemithyreoidektomie und Cholezystektomie nannte die Patientin eine Psoriasis als Grunderkrankung. Außer L‑Thyroxin 50 µg 1‑0‑0 nahm sie keine weiteren Medikamente ein. Bei der Noxenanamnese gab sie an, bis 1976 geraucht zu haben mit insgesamt 8 „pack years“.
Klinischer Befund
Klinisch zeigte sich am Hartgaumen eine beidseits symmetrische, unscharf begrenzte Erythroplakie, jeweils ca. 6 × 7 mm groß (Abb. 1). Bei der Palpation waren diese minimal erhaben, etwas derb und nicht verschieblich. Zudem ließen sich keine Druckdolenz, Wegdrückbarkeit oder Rekapillarisierungszeichen feststellen. Die zervikalen Lymphknoten waren im Tastbefund ohne pathologischen Befund.
Abb. 1
Symmetrische, leicht erhabene, unscharf begrenzte Erythroplakie am Hartgaumen beidseits
Anzeige
Diagnostik
Wir stellten die Indikation für eine bioptische Sicherung des Schleimhautbefunds in Lokalanästhesie. Es wurde eine beidseitige Probe entnommen und eingesandt.
Der histopathologische Befund ergab beidseits eine atypiefreie plattenepitheliale Mukosa mit einem darunter liegenden dichten Infiltrat kleiner Lymphozyten mit unregelmäßig konturierten kleinen bis gering vergrößerten Kernen (Abb. 2). Aufgrund der Spärlichkeit des Materials und fehlender Zugänglichkeit zu einer weitergehenden immunhistochemischen Aufarbeitung erfolgte hierauf eine erneute beidseitige Probenentnahme.
Abb. 2
HE-Färbung: plattenepitheliale Schleimhaut mit einem dichten lymphatischen Infiltrat im Stroma
Im immunhistochemischen Folgebefund bestand das Infiltrat aus CD20- und BCL2-positiven B‑Zellen ohne Co-Expression von CD5 mit vereinzelten dazwischen liegenden CD3-positiven T‑Zellen (Abb. 3 und 4). Die neoplastischen B‑Zellen waren negativ für CD10 und Cyclin D1 mit leicht gesteigerter Proliferationsaktivität in der MIB-1-Färbung (Abb. 4). Somit zeigte sich molekularpathologisch ein Nachweis einer klonalen B‑Zell-Expansion.
Abb. 3
IHC-Färbung CD20: die meisten der neoplastischen Lymphozyten sind CD20-positive B‑Zellen
Abb. 4
a IHC-Färbung CD5: keine Co-Expression von CD5 in den B‑Zellen. b IHC-Färbung CD10: färbt regelrecht Endothelien und Fibroblasten im Stroma; B‑Zellen sind negativ. c IHC-Färbung Cyclin D1: färbt regelrecht basales Epithel und einzelne Endothelien und Fibroblasten im Stroma; B‑Zellen sind negativ
Wie lautet Ihre Diagnose?
Der abschließende histopathologische Befund bestätigte die Diagnose eines Non-Hodgkin-Lymphoms der B‑Zell-Reihe vom Typ eines Marginalzonenlymphoms. Daraufhin wurde die Patientin in die Abteilung für Hämatoonkologie in domo zur zeitnahen Weiterbehandlung überwiesen.
Anzeige
Das Differenzialblutbild ergab eine Leukozytopenie mit 3,53 G/l, eine Thrombozytopenie mit 106 G/l sowie eine Eosinopenie mit 1 %. Zudem zeigte sich eine Erhöhung der Lymphozytenzahl auf 47 % (Tab. 1).
Tab. 1
Differenzialblutbild mit Leukozyto‑, Thrombozyto- und Eosinopenie neben einer Lymphozytose
Hämatologie
4,0–9,0 G/l
Leukozyten
3,53 *
4,1–5,4 T/l
Erythrozyten
4,7
12–16 g/dl
Hämoglobin
13,2
37–43 %
Hämatokrit
39,3
27–32 pg
MCH
28
82–92 fl
MCV
84
32–36 g/dl
MCHC
33,6
150–450 G/l
Thrombozyten
106 *
40–70 %
Neutrophile
45
25–40 %
Lymphozyten
47 *
4–10 %
Monozyten
6
2–4 %
Eosinophile
1 *
0–1 %
Basophile
0
* pathologische Werte
Des Weiteren veranlassten die Kollegen der Hämatoonkologie eine Staging-CT von Hals, Thorax, Abdomen und Becken mit Kontrastmittel. In der Bildgebung war der Lokalbefund am Hartgaumen CT-morphologisch nicht sicher abgrenzbar. Bei bekannter klinischer Manifestation eines Marginalzelllymphoms am Hartgaumen zeigten sich hier eine ausgeprägte Splenomegalie, betonte, jedoch nicht pathologisch vergrößerte zervikale Lymphknoten in den Leveln Ib und II beidseits sowie rechtsbetonte vergrößerte mesenteriale Lymphknoten im Mittel‑/Unterbauch und retroperitoneal inferior der Aortenbifurkation.
Neben einer diagnostizierten Refluxösophagitis ließen sich weitere Manifestationen im gastrointestinalen Bereich mithilfe der durchgeführten Bildgebung sowie einer Ösophagogastroduodenoskopie mit multiplen Probenentnahmen widerlegen.
Somit konnte final die Diagnose eines Marginalzonenlymphoms Stadium IVA (Ann-Arbor-Klassifikation) bei einem asymptomatischen disseminierten extralymphatischen Befall der Gaumenschleimhaut gestellt werden.
Definition
Das Marginalzonenlymphom ist eine seltene Form des indolenten Non-Hodgkin-Lymphoms, die aus B‑Zellen des marginalen Bereichs der sekundären Lymphfollikel hervorgeht [1, 2].
Es wird in folgenden Subtypen unterteilt:
Extranodales Marginalzonenlymphom (MALT-Lymphom), das primär in nichtlymphatischen Organen, z. B. häufig in der Magenschleimhaut, aber auch in anderen Organe wie Lunge, Schilddrüse oder Haut auftreten kann
Splenisches Marginalzonenlymphom, das meist die Milz und das Knochenmark befällt
Nodales Marginalzonenlymphom, das in den Lymphknoten entsteht
Nach der WHO-Klassifikation 2022 werden weitere seltene Subgruppen wie das primär kutane Marginalzonenlymphom sowie das pädiatrische Marginalzonenlymphom unterschieden [2].
Marginalzonenlymphome machen ca. 5–15 % der Non-Hodgkin-Lymphome aus. Diese bestehen wiederum zu ca. 50–70 % aus MALT-Lymphomen, zu ca. 20 % aus dem splenischen sowie zu ca. 10 % aus dem nodalen Marginalzonenlymphom [1].
Der mediane Erkrankungszeitpunkt liegt zwischen 65 und 69 Jahren. Die genaue Ätiologie ist unklar, jedoch spielen chronische Infektionen und Autoimmunerkrankungen eine wichtige Rolle.
Anzeige
Die Symptome variieren je nach Subtyp und betroffenem Organ. Neben der Asymptomatik und unspezifischen Beschwerden gehören Lymphadenopathien, abdominelle Schmerzen, Verdauungsbeschwerden, Zytopenien sowie eine B‑Symptomatik zu den häufigen Anzeichen.
Die Diagnostik erfolgt durch die Kombination aus körperlicher Untersuchung, bildgebenden Verfahren wie CT oder PET/CT, Biopsie des betroffenen Gewebes und Laboruntersuchungen (Blutbild, Immunphänotypisierung, molekulare Analysen).
Marginalzonenlymphome bestehen aus reifen, kleinen und zentrozytenähnlichen B‑Lymphozyten. Immunhistochemisch zeigt sich kein spezifisches Profil. Dennoch können die Expression von B‑Zell-Markern wie CD20, CD79 und membrangebundenen Immunglobulinen sowie das Fehlen von CD5, CD10, CD23 und Cyclin D1 diagnostische Hinweise liefern.
Die Therapieansätze richten sich nach dem Subtyp, dem Krankheitsstadium und dem Allgemeinzustand des Patienten. Bei asymptomatischen Patienten kann zunächst eine „Watch-and-wait-Strategie“ gewählt werden. Operative Eingriffe oder eine Strahlentherapie als gezielte Maßnahmen kommen in begrenzten Stadien zum Einsatz. Bei symptomatischen Verläufen oder fortgeschrittener Erkrankung finden systemische Behandlungen wie die klassische (Poly‑)Chemotherapie sowie zielgerichtete Therapien mit Wirkstoffen wie dem CD20-Antikörper Rituximab Anwendung.
Anzeige
Diagnose: Non-Hodgkin-Lymphom der B‑Zell-Reihe, Typ Marginalzonenlymphom
Marginalzonenlymphome haben bei frühzeitiger Erkennung und Behandlung eine gute Prognose. Die 5‑Jahres-Überlebensrate variiert je nach Subtyp und Krankheitsverlauf und liegt bei 70–100 % [1, 2].
Differenzialdiagnosen
In Anbetracht der Lokalisation kämen differenzialdiagnostisch eine nekrotisierende Sialometaplasie, Rauchergaumen, benigne und maligne Speicheldrüsentumoren (z. B. pleomorphes Adenom, adenoidzystisches Karzinom, Adenokarzinom), Plattenepithelkarzinome oder auch andere Tumorentitäten infrage.
Therapie
Im Rahmen des hämatoonkologischen Tumorboards wurde bei einer Asymptomatik, gutem Allgemeinzustand (ECOG Performance Status Scale 0) sowie grenzwertiger Trizytopenie zunächst ein „Watch-and-wait-Vorgehen“ mit engmaschiger Verlaufskontrolle in 2 Monaten beschlossen. Zunächst sollten 1‑mal monatlich Blutbildkontrollen durch den Hausarzt erfolgen. Bei Auftreten von B‑Symptomen, progredienter Zytopenie, Beschwerden aufgrund der Splenomegalie oder größenprogredienter Schleimhautmanifestation sollte eine zeitnahe Wiedervorstellung jederzeit erfolgen; hierüber wurde die Patientin ausführlich aufgeklärt. Aufgrund der diagnostizierten Refluxösophagitis wurde der Patientin der Protonenpumpeninhibitor Pantoprazol 40 mg 1‑0‑0 für 4 Wochen verschrieben.
Anzeige
Fazit für die Praxis
Jegliche, auch beschwerdefreie, länger bestehende Mundschleimhautveränderungen im Rahmen eines Zufallsbefunds sind durch eine Probebiopsie abzuklären.
Bei unklaren histopathologischen Befunden sollte immer eine Rebiopsie erwogen werden.
Das Marginalzonenlymphom ist ein niedrigmalignes Non-Hodgkin-Lymphom der B‑Zell-Reihe. Neben dem lymphatischen System kann es auch selten zu einem disseminierten extralymphatischen Befall der Mundschleimhaut kommen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Niu, J. Shakhtour und K.-D. Wolff geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Mit der Zeitschrift Die Chirurgie erhalten Sie zusätzlich Online-Zugriff auf weitere 43 chirurgische Fachzeitschriften, CME-Fortbildungen, Webinare, Vorbereitungskursen zur Facharztprüfung und die digitale Enzyklopädie e.Medpedia.
Mit e.Med Chirurgie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes Chirurgie, den Premium-Inhalten der chirurgischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten chirurgischen Zeitschrift Ihrer Wahl.
Wie ein Blitz fährt plötzlich ein unerträglicher Schmerz ins Gesicht. Oft bleibt es nicht bei dieser einen Attacke. Der Leidensdruck bei einer Trigeminusneuralgie ist hoch, die Therapie kann eine Herausforderung sein. Ein Gespräch mit den beiden Koordinatorinnen der aktuellen Trigeminusleitlinie, Prof. Dr. Janne Gierthmühlen und Prof. Dr. Gudrun Goßrau.
2023 bescherte dem hausärztlichen Versorgungsbereich ein leichtes Plus beim Honorarumsatz je Arzt. Für die Kollegen im fachärztlichen Bereich weist der KBV-Honorarbericht dagegen ein Minus von rund zwei Prozent aus.
Seit Ende April läuft der Roll-out der elektronischen Patientenakte. Wir haben bei größeren PVS-Herstellern nachgefragt, wie sie die ePA-Umsetzung in der Praxissoftware bewältigen. Der Komfort der Lösungen fällt durchaus unterschiedlich aus.
Betreuer müssen auch die Patientenverfügung psychisch erkrankter Menschen berücksichtigen, wenn sie sich darin gegen eine Zwangsbehandlung aussprechen, betont der Bundesgerichtshof.